Eine bunte Demo für queere Rechte auf dem Land
Zum vierten Mal findet in der Metropolregion Rhein-Neckar die Dorfpride statt. Dieses Mal in Wiesloch. Anna Roth sprach mit der Redaktion über den Stadt-Land-Unterschied.



Sie engagiert sich für queere Menschen und die LGBTIQ+-Gemeinschaft.
Von Sandra Kettenmann
Heidelberg/Wiesloch. 2020 fand die erste Dorfpride im Rhein-Neckar-Kreis in Mühlhausen statt. Der Auslöser waren Anfeindungen gegen eine trans Person aus der LGBTQ+-Gemeinschaft. Die Reaktion auf den Hass war eine bunte Demonstration für queere Rechte mitten durch die Gemeinde.
2021 zog die queere Gemeinschaft mit Regenbogenfahnen und den Forderungen für ein Ende von Hass und Diskriminierung bereits durch Ladenburg und Oftersheim. Die nächste Pride findet am 29. Juli in Wiesloch statt. Die Redaktion traf sich vorab mit Anna Roth. Sie ist Teil des Dorfpride Organisations-Teams, trans, Aktivistin und leitet die Heidelberger Beratungsstelle der Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. in Heidelberg.
Ihr persönlicher Rückblick auf die erste Dorfpride.
Anna Roth: So traurig der Anlass war – ein Hass-Angriff auf eine Freundin aus der queeren Community – so toll war das Resultat: die Dorfgemeinschaft Mühlhausens, die Vereine, die Politik und der Bürgermeister haben sich mit uns solidarisiert und wir sind gemeinsam für queere Rechte auf die Straße gegangen. Damit haben wir den Ewiggestrigen deutlich gezeigt, dass nicht nur in der Stadt, sondern auch in jeden kleinen Dorf queere Menschen leben und dass diese nicht alleine da stehen.
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Was war für Sie dabei ein positives Erlebnis?
Roth: Die Solidarität, die wir im Vorfeld, aber auch während der Demonstration erfahren haben. Ich wurde von älteren Damen angesprochen. Sie strahlten richtig und meinten "dass ist so toll, dass ihr eure Freiheit lebt". Das war sehr bewegend.
Wie sind die Reaktionen der jüngeren Generation?
Gerade bei den Rückmeldungen von queeren Jugendlichen haben wir gemerkt, wie wichtig es ist, dass auch außerhalb der Städte solche Veranstaltungen stattfinden, denn junge Menschen auf dem Land sind genauso lesbisch, bi oder schwul, wie in der Stadt. Ganz deutlich wird hier auch die Versorgungslücke: in meiner Tätigkeit als Beraterin zu trans Thematiken kommen viele junge Menschen aus dem kompletten Rhein-Neckar-Kreis und suchen kompetente Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, die sie auf dem Land, bei sich vor Ort, nicht haben.
Ist das "Qeersein" auf dem Dorf schwerer als in der Stadt?
Roth: In der Stadt kann es einfacher sein in der Masse zu verschwinden und nicht mehr so stark als queere Person erkennbar zu sein. Auf dem Dorf ist man die eine, die anders ist. In der Stadt fallen wir Queer weniger auf, ich sehe in Heidelberg täglich Menschen mit Regenbogenarmbändern, habe Beratungsstellen und Gruppen vor Ort, denen ich mich anschließen kann. Ich bin nicht alleine und finde leichter Anschluss.
Auf dem Dorf gibt es keine Beratungsstellen, keinen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner und das nächste queere Zentrum ist mit Fahrtzeiten verbunden. Auch gibt es keine Freizeitangebote für Menschen aus der LGBTIQ+-Gemeinschaft und auch keine geschützten Räume. Auf dem Dorf bekommt man eher das Gefühl, mit den eigenen Problemen der oder die einzige zu sein – wie ein Alien auf einem anderen Planeten. Und demzufolge ist es häufig auch noch mal ein viel größerer Schritt nach außen zu gehen und sich zu outen.
Vorurteil: Ist die Landbevölkerung konservativer eingestellt?
Ich glaube, dass die Mehrheit der Menschen gar nicht so negativ eingestellt ist und auch keine Probleme mit Veränderungen hat. Auch Menschen auf dem Land sind offen, aber Queerness ist oft noch nicht so sichtbar und deswegen gibt es eventuell in der ein oder anderen Gemeinde schon noch Vorbehalte gegen das scheinbar "Unbekannte".
Warum findet der CSD (Christopher Street Day) in der Stadt und die Dorfpride auf dem Land statt?
Das ist eher ein anderes Wording – das Konzept ist das gleiche: eine Demonstration für die Rechte, die Anerkennung, Sichtbarkeit und Akzeptanz von queeren Menschen, queerer Kultur und queeren Leben. Die Pride heißt internation so, nur nicht in Deutschland. Der CSD in Mannheim macht dieses Jahr tatsächlich auch ein "Rebranding". Auf den Plakaten steht jetzt überall "Pride Rhein-Neckar" und nicht mehr "CSD Rhein-Neckar". Außerdem hört sich "Dorf-CSD" einfach doof an (lacht).
Warum findet die nächste Dorfpride in Wiesloch statt?
Wir haben ein Voting innerhalb der Community durchgeführt und beziehen noch weitere Faktoren wie die Erreichbarkeit mit dem ÖPNV mit ein. So fiel dieses Jahr die Wahl auf Wiesloch.
Wie lief bisher die Vorbereitung zur Pride in Wiesloch?
Wir haben Vereine angesprochen und auch tolle Kooperationspartnerschaften gefunden, die dann mit Ständen auf der Abschlusskundgebung sind und auch Redebeiträge halten. Auch in den städtischen Gremien und der Verwaltung sind wir mit offenen Armen empfangen worden. Wiesloch freut sich auf unsere Pride. Außerdem sind wir fleißig am Transparente und Plakate basteln, damit auch dieses Jahr wieder die Wägen mit unseren Forderungen versehen sind und bunt geschmückt sein werden.
Was sind die Forderungen der Dorfpride?
Wir fordern den Ausbau der Beratungsstellen im ländlichen Raum, die Schaffung von Jugendangeboten und die finanzielle Unterstützung des Landkreises für queere Beratungsstellen und Angebote.
Wie wird die Pride in Wiesloch ablaufen?
Wir haben bei der Polizei etwa 1.000 Personen für die Demo angemeldet. Wir haben zwei eigene Wagen und noch weitere Fahrzeuge. Die Demo beginnt um 13 Uhr mit einem "Meet and Greet" am Adenauerplatz, startet um 14 Uhr mit Redebeiträgen und geht quer durch den Ort, auch wenn Wiesloch eine Stadt ist. Um 15.30 Uhr findet die Abschlusskundgebung im Schillerpark statt und ab 18 Uhr gibt es eine Afterparty im Kapitol. Hier wird dann weitergetanzt und weitergefeiert.
Zur Person
Anna Roth ist in einem kleinen Dorf im Schwarzwald aufgewachsen. Nach ihrer Ausbildung arbeitet sie in der IT-Branche. Vor einigen Jahren hat sie sich als trans geoutet. Heute ist sie Anna Roth, arbeitet weiterhin in der IT-Branche und engagiert sich für queere Menschen und die LGBTIQ+-Gemeinschaft.