Krabbe huscht mitten durchs Sandhäuser Wohngebiet
Überraschende Sichtung - Experten tippen auf eine als Delikatesse geltende Art

Von Lukas Werthenbach
Sandhausen. Rätselhafter Besucher mitten im Wohngebiet: Die Sandhäuserin Susanne Hochwarth hat im Eichenweg offenbar eine Krabbe gesichtet – weit entfernt vom nächsten natürlichen Gewässer. Sie fotografierte das rund 20 Zentimeter breite Tier, ehe es in einen angrenzenden Garten huschte. Seither wurde es nicht mehr gesehen. Anhand der Fotos begab sich die RNZ auf Spurensuche. Ein Biologe des Regierungspräsidiums Karlsruhe (RP) geht von einer sogenannten Wollhandkrabbe aus. Kurios: Angesichts des Fundorts könnte die als Delikatesse geltende Krabbe kurz vor ihrer Zubereitung dem Kochtopf entkommen sein.
"Ich wollte gerade mit meinen Kindern vom Spielplatz im Kastanienweg wegfahren, da haben wir am Parkplatz dieses Tier gesehen", erzählt Hochwarth der RNZ. Sie stoppte das Auto und zückte schnell das Handy, um das Tier zu fotografieren. "Es ist kurz danach in einem Garten verschwunden", berichtet die 36-jährige Mutter. Hinterher habe sie noch einige Bekannte angerufen, die in der Nähe wohnen. Aber niemand von ihnen habe ein Aquarium oder aus anderen Gründen ein solches Tier vermisst.
Eine Anfrage beim Landratsamt mit der Bitte um Bestimmung der auf Hochwarths Fotos abgebildeten Tierart sorgte selbst beim Experten der Unteren Naturschutzbehörde für Überraschung: "Dass es Krabben im Rhein-Neckar-Kreis gibt, war mir so tatsächlich nicht bewusst", hieß es. Die "Vermutung" laute aber auf eine Chinesische Wollhandkrabbe. Für Näheres verwies man an die Fischereibehörde des RP.
Also schickte die RNZ die Fotos aus der Hopfengemeinde auch dorthin. "Die Bilder sind zwar nicht besonders scharf, aber es handelt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um eine Wollhandkrabbe", antwortet kurz darauf der promovierte Biologe Frank Hartmann. "Da hält sich wohl jemand nicht an die Ausgangssperre?!", scherzt er. "Die Tiere können problemlos einige Meter über Land wandern, etwa um neue Lebensräume zu besiedeln." In Rhein und Neckar sei die Wollhandkrabbe bereits seit vielen Jahren "regelmäßig anzutreffen".
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Nach dem Eindruck der RP-Experten habe der Bestand in den vergangenen Jahren zugenommen – und nehme aktuell noch weiter zu. "Um sich fortzupflanzen, benötigen die Krabben Salz- beziehungsweise Meerwasser, leben jedoch als erwachsene Tiere überwiegend im Süßwasser", berichtet Hartmann. Auch längere Strecken könne die Wollhandkrabbe in Gewässern "problemlos" zurücklegen. "Sehr weit" komme sie indes als "blinder Passagier auf Binnenschiffen".
Und wie gelangt nun so ein Tier, das ursprünglich in China beheimatet ist und vor allem im Wasser lebt, in ein Wohngebiet? "Die Wollhandkrabbe wird von einigen Menschen als Delikatesse angesehen und wird daher immer wieder auch privat lebend gehalten", weiß der Biologe. "Sie gilt als Ausbrecherkönigin, von daher ist anzunehmen, dass diese mitten in der Siedlung vorgefundene Krabbe aus einer solchen Haltung ausgebüxt und damit dem Kochtopf entkommen ist."
Ihren Namen zu verdanken hat diese Krabbenart dem dichten Haarpelz, den insbesondere Männchen an den Scheren tragen. Größere Vorkommen der Wollhandkrabbe sind laut Hartmann aus dem niederländischen Rheindelta bekannt. Weil sie in Deutschland nicht heimisch sei, könne sie "bei Massenvorkommen ökologische Probleme verursachen", etwa aufgrund von Nahrungskonkurrenz.