Adrenalinrausch über der Stadt
Das Fahrgeschäft "Freestyle" ist die Attraktion - Ein Selbsttest

Das Fahrgeschäft "Freestyle" schwingt wie eine große Schiffschaukel. Zudem drehen sich die Metallarme mit den Sitzen im Kreis. Foto: Rondot
Von Sarah Rondot
Neckargemünd. Ich öffne die Augen. Lichter blinken. Mein Körper baumelt kopfüber 23 Meter über dem Boden. In meinem Magen scheint ein Flummi auf und ab zu hüpfen. Wie bin ich hier bloß hineingeraten? "Freestyle" - der Name des Fahrgeschäftes der Münchner Familie Agtsch hat mich und meine Schwester mit leuchtenden Buchstaben angelockt. Von unten sah doch alles gar nicht so schlimm aus: Ein großes, buntes Gestell ragt in den Himmel. Oben ist ein Metallarm befestigt, an dessen Ende wie Rotorblätter eines Helikopters sechs Stangen befestigt sind. An jeder Stange sind vier Sitze angebracht. Das Fahrgeschäft ist die Attraktion auf dem heute zu Ende gehenden Bohrermarkt.
Selbstbewusst haben meine neunjährige Schwester und ich, 19 Jahre, bezahlt. Wenig später hüpfen wir auf den Sitz. Jetzt spüre ich doch, wie Adrenalin durch meine Adern schießt. Was uns wohl erwartet? Ein Mann in Warnweste ruft: "Köpfe zurück!" Und schon senkt sich der Sicherheitsbügel. Meine Füße baumeln frei in der Luft. Jetzt kann es losgehen!
"Gaudi, Gaudi, Gaudi!" Der Ruf von Margarete Agtsch schallt durch die Boxen. Sie hat Recht, denke ich. Das macht wirklich Spaß. Ja, noch. Der Metallarm schwingt wie bei einer Schiffschaukel von einer Seite zur anderen. Doch damit nicht genug: Währenddessen drehen wir uns. Aber alles noch harmlos. Doch es geht höher und höher. Meine Schwester umklammert meine Hand immer fester. Und plötzlich sind wir am höchsten Punkt.
Flau im Magen und Panik im Kopf. Sogar der Po scheint sich vom Sitz loszulösen. Das dauert höchstens eine Zehntelsekunde, doch es fühlt sich länger an, so hoch über dem Boden. Wie in Zeitlupe sehe ich unten Kinder mit Luftballons. Meine Schwester schreit, doch raus kommt man hier nicht mehr so schnell.
Das Fahrgeschäft ist ab acht Jahren erlaubt. Aber können Kinder so viel Nervenkitzel aushalten? "Für manche kann es nicht heftig genug sein", sagt Johann Agtsch, der in dritter Generation als Schausteller arbeitet. Ganze Familien würden sogar mehrmals am Tag fahren. Besonders nachts wird es spektakulär: Über 10.000 LED-Lampen funkeln am Fahrgestell. Das im Jahr 1999 gebaute Hochfahrkarussell "Freestyle" hat damals 1,2 Millionen Mark gekostet und stand sogar kürzlich auf dem Münchner Oktoberfest. Das Ehepaar Agtsch reist von Mitte März bis Mitte November quer durch Deutschland. Nach dem Bohrermarkt geht es zurück in die Heimat.
Zurück auf den "Freestyle"-Sitz: Meine Atmung hat sich inzwischen normalisiert. Wir schaukeln wieder auf angenehmer Höhe hin und her. Im Magen spüre ich nur noch ein leichtes Kribbeln. Wir wiegen uns in Sicherheit. Doch da ruft Margarete Agtsch lautstark: "Weil es so schön war: Noch eine Runde nach oben!" Und es geht wieder in die Höhe.



