Die kleine Lina geht in die Geschichte Sandhausens ein
Bürgermeister begrüßte sie im Rathaus – Mit dem Wachstum soll bald Schluss sein

Die kleine Lina stand im Mittelpunkt, als Georg Kletti (rechts) das neun Monate alte Mädchen mit Schwesterchen Luisa, Mutter Sabrina und Vater Christian im Rathaus empfing. Foto: privat
Von Christoph Moll
Sandhausen. Lina Spörle strahlt. Sogar so sehr, als wüsste sie, dass sie nicht nur irgendeine, sondern eine ganz besondere Sandhäuserin ist. Das neun Monate alte Mädchen ist nämlich Einwohnerin Nummer 15.000.
Die Kleine geht damit in die Geschichte der früheren Hopfenhochburg ein. Erstmals in seinem über 750-jährigen Bestehen hat Sandhausen diese Marke durchbrochen.
Georg Kletti freut sich zwar darüber, bleibt aber nüchtern: "Die Arbeit wird nicht mehr und nicht weniger als bei 14.999 Einwohnern", sagt der Bürgermeister. "Es ist, wie wenn man 50 wird - da fühlt man sich mit 49 oder 51 auch nicht anders." Im Rathaus habe man schon Ende des vergangenen Jahres gewusst, dass die Marke geknackt wird.
"Wir mussten aber die Bestätigung durch das Statistische Landesamt abwarten", erklärt Kletti. Und die kam unlängst: 15.024 Einwohner waren es am 31. Dezember 2017. Zum Vergleich: Vor 50 Jahren hatte Sandhausen noch 10.000 Einwohner. Auch damals war es ein Mädchen, das die Marke knackte und vom damaligen Bürgermeister Walter Reinhard begrüßt wurde.
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Vor fünf Jahren hatte Sandhausen dann 14.500 Einwohner. "Zuletzt kamen stets jedes Jahr etwa 100 Einwohner hinzu", berichtet Kletti. Viele von ihnen fanden im Neubaugebiet "Große Mühllach I" ein Zuhause. Nicht zu unterschätzen sei auch, dass die Gemeinde vor etwa vier Jahren das Bauen in zweiter Reihe im Ortskern erleichtert habe, meint der Rathauschef. Viele Eigentümer hätten dies genutzt.
"Wir wollen aber jetzt den Deckel drauf machen", kündigt Kletti an. Nach dem Neubaugebiet "Große Mühllach II" - dieses wird aktuell erschlossen - soll Schluss sein. Kletti rechnet damit, dass die Einwohnerzahl sich bei 15.200 einpendelt. Kindergärten, Schulen und sonstige Infrastruktur kämen sonst an ihre Grenzen.
Hintergrund
Wann ist ein Ort eine Stadt?
Diese Frage ist in Baden-Württemberg in §5 der
Wann ist ein Ort eine Stadt?
Diese Frage ist in Baden-Württemberg in §5 der Gemeindeordnung geregelt, allerdings nicht bis ins letzte Detail. Es gibt zwei Wege.
1. Im zweiten Absatz heißt es zunächst: "Die Bezeichnung ,Stadt’ führen die Gemeinden, denen diese Bezeichnung nach bisherigem Recht zusteht." Das Stadtrecht ist also in diesen Fällen historisch begründet. In der Region rund um Heidelberg ist zum Beispiel der frühere Klosterstandort Schönau im Steinachtal eine "Stadt", obwohl der Ort nur rund 4500 Einwohner zählt.
2. Die Einwohnerzahl spielt bei der zweiten Möglichkeit zum Aufstieg zur Stadt eine entscheidende Rolle, auch wenn dies nicht eindeutig aus dem Gesetz hervorgeht: "Die Landesregierung kann auf Antrag die Bezeichnung ,Stadt’ an Gemeinden verleihen, die nach Einwohnerzahl, Siedlungsform und ihren kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnissen städtisches Gepräge tragen."
In Verwaltungsvorschriften wird dies jedoch präzisiert, wie Thorsten Koder vom Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises erklärt: Der Aufstieg zur Stadt ist erst ab 10.000 Einwohnern möglich - dies würde Sandhausen locker erfüllen. Eine weitere Voraussetzung ist, dass der Hauptteil der Einwohner in einem "wesentlich geschlossenen Siedlungsgebiet" lebt. Auch hier hätte Sandhausen gute Karten. Ob jedoch auch ein "städtisches Gepräge" vorliegt, müssen Fachleute beurteilen. Eppelheim ist diesen Weg gegangen und wurde im Jahr 1998 zur Stadt.
Ab 20.000 Einwohnern gibt’s die Option zur Großen Kreisstadt. Der Rathauschef ist dann Oberbürgermeister. (cm)
Wird Sandhausen nun zur Stadt? "Daran haben wir kein Interesse", sagt Kletti klipp und klar. "Das bringt uns nichts." Sandhausen sei als "Gemeinde" immer gut gefahren, der soziale Charakter solle erhalten bleiben. Kletti sieht als Gemeinde einen Imagevorteil. "Außerdem wären wir als Stadt dann nicht mehr die kleinste Gemeinde in der Fußball-Bundesliga", sagt er augenzwinkernd.
Sandhausen ist aber die größte Gemeinde im Rhein-Neckar-Kreis - alle größeren Orte sind Städte. Insgesamt belegt Sandhausen gemessen an der Einwohnerzahl im Kreis "Tabellenplatz neun", wie Kletti sagt. Der SV Sandhausen liegt derzeit in der Zweiten Liga nur auf Platz 16.
"Andersherum wäre mir lieber", sagt Kletti, dessen Besoldung sich mit dem Überschreiten der 15.000- Einwohner-Marke nicht ändert - zunächst. Der Gemeinderat kann jedoch eine Erhöhung genehmigen. Oberbürgermeister wird der 51-Jährige jedoch nicht.
Die 15.000. Sandhäuserin erblickte übrigens am 5. Dezember 2017 das Licht der Welt und lebt mit ihrer Familie im Dünenweg. Als Ehrengast hat Kletti die junge Dame mit ihrer Mutter Sabrina, Vater Christian und dem vierjährigen Schwesterchen Luisa ins Rathaus eingeladen.
Mutter Sabrina dachte zunächst an einen Scherz. Die Familie ist im Ort fest verwurzelt und kann auf die Unterstützung der Großeltern Karl-Heinz und Theresa Spörle sowie Monika und Gerhard Wittmann, ebenfalls aus Sandhausen, zählen. Als Geschenk gab es für Lina ein Startkapital von 250 Euro fürs Sparbuch.



