Plus Rehkitzrettung Buchen

Angela Müller wollte beim Tierleid nicht mehr "ohnmächtig zusehen"

Sie hat 2020 den Verein gegründet und freut sich über jedes gerettete Tier.

07.12.2022 UPDATE: 07.12.2022 06:00 Uhr 4 Minuten, 10 Sekunden
Ein Rehkitz sucht Schutz im dichten Gras. Foto: Rehkitzrettung Buchen

Von Andreas Hanel

Buchen. Rund 100.000 Rehkitze sterben qualvoll pro Jahr auf Deutschlands Wiesen durch Mähmaschinen. "Auch für die Landwirte ist dies ein schreckliches Erlebnis, und die Bilder schwer verletzter Rehkitze bleiben noch lange in Erinnerung", sagt Angela Müller, die Vorsitzende des Vereins Rehkitzrettung Buchen. Sie ist nicht nur die Vorsitzende, sondern hat den Verein auch gegründet.

Hintergrund

Wer die Arbeit der Rehkitzrettung Buchen unterstützen will, kann entweder selbst mitmachen (Kontakt: Angela Müller, Tel. 0151/61496990, E-Mail: kontakt@rehkitzrettung-buchen.de)

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Wer die Arbeit der Rehkitzrettung Buchen unterstützen will, kann entweder selbst mitmachen (Kontakt: Angela Müller, Tel. 0151/61496990, E-Mail: kontakt@rehkitzrettung-buchen.de) oder an folgendes Konto spenden: Rehkitzrettung Buchen e.V., IBAN: DE30.6745.0048.1001.6522 11. Eine Spendenbescheinigung kann auf Wunsch ausgestellt werden. Zudem kann man den Verein noch über das Projekt "Viele schaffen mehr" der Volksbank Franken bei der Anschaffung einer weiteren Drohne unterstützen. Weiteres dazu gibt es unter www.viele-schaffen-mehr.de/projekte/drohnentechnik-rehkitzrettung 

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Alles begann 2019 mit einem verletzten Rehkitz. "Wir waren gerade spazieren, als wir ein schwer verletztes Rehkitz am Wegesrand liegen sahen", erinnert sie sich zurück. "Meine Tochter hat zu mir gesagt, dass es noch atme. Daraufhin haben wir es mit nach Hause genommen und mit einer Pipette mit Ziegenmilch gefüttert." Drei Tage lang hat das kleine Tier keinen Mucks gemacht, doch dann fing es an, sich zu bewegen. "Inzwischen ist es wieder gesund und lebt friedlich in einem weitläufigen Rehgehege im Saarland", so Angela Müller. Mit dem Kitz am Wegesrand "war die Liebe zu dieser Tierart entstanden."

Im darauffolgenden Jahr hat Angela Müller dann ein frisch durchtrenntes Kitz entdeckt. "Das muss man sich so vorstellen: Gliedmaßen sind abgeschnitten oder tiefe Einschnitte der Mähmesser sind im kleinen Körper des Kitzes zu sehen. Der Schock über dieses tödlich verletzte Kitz war bei mir unsagbar groß", beschreibt sie die schreckliche Situation. "Da habe ich mich gefragt: Was passiert eigentlich auf unseren Wiesen?" Nun gab es zwei Möglichkeiten für sie: "Entweder ohnmächtig jede gemähte oder noch nicht gemähte Wiese anzuschauen oder mit anzupacken, dass sich etwas ändert. Und es sollte sich was ändern."

Vorsitzende Angela Müller sucht die Wiesen nach Kitzen ab. Foto: Rehkitzrettung Buchen

Anfangs hat sie sich in Privatinitiative an die Landwirte gewandt. Doch schnell hat sie erkannt, dass die Wiesen in der Umgebung von Buchen einfach zu großflächig sind. "Es war klar, das schaffen wir so nicht. Wir müssen einen Verein gründen."

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Am 26. Oktober 2020 war es dann so weit: Der Verein Rehkitzrettung Buchen wurde gegründet – mit damals sieben Mitgliedern. "Ich bin sehr froh, dass mein Mann mich im Vorstand mit ganzer Kraft unterstützt hat. Und vor allem als Drohnenpilot in der Saison täglich stundenlang unermüdlich im Einsatz war, obwohl er danach einen Acht-Stunden-Arbeitstag zu stemmen hatte. In diesem Jahr waren das stolze 60 Einsätze. Da kommt man irgendwann an die körperliche Grenze."

Inzwischen hat der Verein über 50 Mitglieder. "Es ist eine tolle Aufgabe. Unsere Mitglieder kommen querbeet aus sämtlichen Gesellschaftsschichten, vom Schüler bis zum Ruheständler. Man wächst zusammen, und wir sind ein starkes Team, in dem jeder seine ganz persönliche Stärke einbringt."

Allerdings freuen sich die Vereinsverantwortlichen um jedes neue Mitglied. So wollen sie ab 2023 an Schulen gehen, um junge Leute anzuwerben. Doch auch so "kann man gerne auch einfach mal reinschnuppern und mitgehen", so die Vorsitzende. Vor allem Piloten für die drei Drohnen werden gesucht. "Wenn die stillstehen, ist es schlimm." Sie sollen so viel es geht ihren Nutzen erfüllen. Denn schließlich kostet eine Drohne "mit allem drumherum" über 8000 Euro. Um diese Summen aufbringen zu können, bekommt der Verein finanzielle Unterstützung, zum Beispiel durch Leader oder durch das Volksbank-Projekt "Viele schaffen mehr", das noch bis Jahresende läuft.

Bei aller Technik weiß Angela Müller allerdings auch: Jedes Kitz kann nicht gerettet werden. "Allein dieses Jahr sind wieder etliche qualvoll verendet." Die Rehkitzretter können eben nicht überall sein. Und manchmal fangen Landwirte auch schon an zu mähen, während die Rehkitzretter noch auf anderen Wiesen unterwegs sind. Die Vorsitzende hegt allerdings keinen Groll gegen Landwirte, wie sie betont. "Der Landwirt steht immer vor der schwierigen Aufgabe, einerseits tierschutzrechtlich dafür Sorge zu tragen, dass möglichst keinem Tier Schaden zugefügt wird, und andererseits hat er auch einen enormen Zeitdruck, um bei gutem Wetter die Ernte schnellstmöglich einzufahren. Hier soll unsere Unterstützung eben in Kooperation mit den Landwirten, der Jägerschaft und den ehrenamtlichen Helfern greifen."

Dennoch beschäftigt sie es tagelang, wenn sie wieder einmal ein totes Kitz bergen musste. "Einmal wurden wir zu einem durch Mähmaschinen verletzten Kitz gerufen. Als wir ankamen, hat es mich angeschaut, und ich habe gedacht, dass es gar nicht so schlimm ist. Als wir es näher in Augenschein genommen haben, haben wir gesehen, dass alle vier Beine ab waren. Die Ricke ist in der Nähe aufgeregt hin- und hergelaufen und hat die ganze Zeit geschrien." Bei solchen dramatischen Erlebnissen "brauche ich schon zwei Tage, bis ich mich wieder beruhigt habe", meint die Vorsitzende. "Natürlich macht man sich auch Vorwürfe, wenn man ein Kitz übersieht."

Deshalb setzt Angela Müller alles daran, dies zu vermeiden. Viel Schlaf bekommt sie deshalb in den Sommermonaten nicht. "Aber die Mühe lohnt sich für jedes gerettetes Kitz", betont sie.

Die wertvolle Arbeit der Rehkitzretter hat sich inzwischen auch in der Bevölkerung rumgesprochen – auch dank der App Kitzrettung, die Mitglied Peter Neuweiler kreiert hat. "Die Leute werden sensibler für dieses Thema", meint die Vorsitzende. "Viele rufen bei uns an: Wir haben hier ein schwer verletztes oder zermähtes Kitz. Was sollen wir tun?"

Auch Jäger rufen manchmal bei der Vorsitzenden an. Wie zum Beispiel letztes Jahr, als eine Ricke überfahren wurde, wodurch ihr Kitz auf sich allein gestellt war. Angela Müller nahm das kleine Tier bei sich auf und zog es in ihrem weiträumigen Garten groß. Und einen Namen hat das Kitz, das inzwischen schon ausgewachsen ist, auch: Peter der Große. Inzwischen lebt er gemeinsam mit weiteren Rehen in einem großen Wildgehege im Odenwald. Außerdem zieht sie zur Zeit noch ein weiteres Kitz namens Bärchen auf. "So ergibt sich manchmal aus einem großen Drama eine Chance. Ich freue mich jeden Tag über die Kitze, die wir retten konnten."

Info: Weitere Videos und Fotos gibt es unter www.rehkitzrettung-buchen.de oder über die App Kitzrettung.


Wichtige Tipps für den Fall, dass man ein Kitz entdeckt

1. Rehkitze liegen oft allein in der Deckung in Wiesen oder Wäldern – und das oft stundenlang. Das ist ganz normal und stellt keine Notlage dar. Hier muss man das Kitz also nicht unnötig stören. Die Ricke kommt mehrmals am Tag vorbei, um das Kitz zu säugen, und entfernt sich dann wieder.

2. Rehkitze bleiben in den ersten zwei Wochen ihres Lebens liegen und flüchten nicht, selbst wenn ein Mensch oder Hund vor ihnen steht. Der Fluchtinstinkt bildet sich bei ihnen erst danach aus.

3. Das Kitz keinesfalls berühren oder sogar streicheln, denn der anhaftende menschliche Geruch würde die Ricke irritieren, so dass sie im schlimmsten Fall das eigene Rehkitz verstößt. Das wäre tragisch und gleichzeitig ein Todesurteil für das Rehkitz.

4. Hunde sofort wegnehmen und den ruhigen Rückzug antreten. Die Ricke verfolgt das Geschehen aus sicherer Entfernung und wird sich nähern, sobald Mensch und Hund den Ort verlassen haben.

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