Neckar-Odenwald-Kreis

Der Medikamenten-Mangel spitzt sich zu

Die Apotheker verbringen immer mehr Zeit mit der Suche und Bestellung von Arzneimitteln.

07.01.2023 UPDATE: 07.01.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 24 Sekunden
Immer mehr Medikamente sind in Deutschland nicht verfügbar, Apotheker müssen auf andere Hersteller, Dosierungen und Packungsgrößen umsteigen. Schuld seien die Wirkstoffproduktion im Ausland und das „Just-in-time-Prinzip“ der Großhändler. Foto: dpa

Von Caspar Oesterreich

Neckar-Odenwald-Kreis. Arzneimittel werden zunehmend zur Mangelware, die Aufrechterhaltung des Angebots in den Apotheken wird in der Folge immer zeitintensiver und schwieriger. Vom Blutdruckmittel über Fieber-, Husten- und Antibiotikasäfte bis hin zu Säureblockern und Schleimlösern: "Die Lage spitzt sich zu", sagt Dr. Anne-Kathrin Matthée von den Neckar-Odenwald-Apotheken in Mosbach, Neckarelz, der Waldstadt und Schwarzach.

Fast schon bei jedem zweiten Patienten müsse man improvisieren, auf andere Hersteller ausweichen, andere Dosierungen oder Packungsgrößen bestellen – und darüber im Kundengespräch ausführlich informieren. "Es ist nicht einfach, aber wir versuchen unser Möglichstes, um die Patienten bestmöglich zu versorgen."

Das berichtet auch Dr. Meinhard Soden von der Elster-Apotheke in Aglasterhausen. Das Problem sei "recht eklatant", mit dem Ausbleiben der Erkältungswellen in den vergangenen zwei Jahren und der nun erfolgten Lockerung der Corona-Schutzmaßnahmen aber eigentlich auch absehbar gewesen. "Da hätte man besser planen können", sieht er die Pharmakonzerne und Politik in der Verantwortung.

Es sei mittlerweile "wie ein Spiel an der Börse", findet Nicolai Waschitschek von der Mosbacher Rathaus-Apotheke und beschreibt beispielhaft das Angebot der Hustensäfte: "Ich bekomme kein Bronchipret mehr, auch kein Prospan, muss auf Hedelix ausweichen – mit der Gefahr, dass ich davon als Lückenfüller jetzt zu viel bestelle und schließlich darauf sitzen bleibe."

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Mittlerweile sei das Marktgeschehen bei den Großhändlern so aus dem Ruder gelaufen, dass er täglich rund eineinhalb Stunden für die Suche und Bestellung der Medikamente aufwenden muss. "Was eben noch verfügbar ist, ist es in ein paar Minuten vielleicht schon nicht mehr", schildert Waschitschek die Situation. "Ich habe das Gefühl: So langsam wird es richtig eng."

Auch in der Mosbacher Merian-Apotheke sei man "ständig am Durchschauen, was wir im Moment wo ordern können", berichtet Dr. Andrea Schunk. Was das selbstständige Herstellen von Arzneimitteln angeht, beschränke man sich bisher hauptsächlich auf Rezepturen, die von Hautärzten verordnet wurden.

Im Gegensatz zu ihren drei Vorrednern, bei denen schlicht das Personal für größere Mengen fehlt, könnte sich Schunk aber durchaus vorstellen, die eigene Produktion auszubauen. Sofern "die nötigen Rahmenbedingungen – ärztliche Verordnung einer Rezeptur und Vergütung durch die Krankenkassen – geregelt sind".

Durch Rabattverträge würden die Krankenkassen den Preis für Generika seit Jahren nach unten drücken, sind sich die vier Apotheker einig über die Ursache des aktuellen Medikamentenmangels. "Ich kann mir gut vorstellen, dass da nicht mehr viel erlöst wird. Die Gewinnaussichten der Hersteller sind in Deutschland gering, weshalb sie ihre Waren lieber in andere Länder verkaufen", sagt Meinhard Soden.

"Man hätte die Industrie nie abziehen lassen dürfen", kritisiert Nicolai Waschitschek die mittlerweile fast ausschließlich in Indien und China stattfindende Wirkstoffproduktion. "Wenn wir billig nicht haben, sind wir auch gelackmeiert." Ebenso sprechen sich Anne-Kathrin Matthée und Andrea Schunk klar für eine Produktion vorzugsweise in Deutschland oder innerhalb der Europäischen Union aus.

Weiteres Problem sei das "Just-in-time-Prinzip", die dadurch immer stärker verschlankten Lager, die mehr oder weniger nur noch auf den Ladeflächen der Lieferanten bestünden, gibt Soden zu bedenken. "Wenn mal wieder ein Schiff im Suezkanal quer steht, hat das auch Auswirkungen auf uns", ist der Aglasterhausener Apotheker überzeugt.

Ob die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach initiierte Preiserhöhung für bestimmte Medikamente wieder zu besser bestückten Apothekerschränken führt, bleibt abzuwarten. "Es ist ein Teilschritt in die richtige Richtung, reicht aber nicht aus", sagt Matthée.

Ihre Kollegen ärgern sich vor allem über die Erhöhung des sogenannten Kassenabschlags für verschreibungspflichtige Medikamente. Statt 1,77 Euro je Packung müssen sie seit Januar zwei Euro an die Krankenkassen abgeben. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände rechnet diesbezüglich mit einer Mehrbelastung von 120 Millionen Euro jährlich – die gestiegenen Energie- und Lieferkosten sind da noch außen vor.

"Ein tolles Dankeschön dafür, dass wir uns in der Pandemie so bemüht haben", meint Andrea Schunk sarkastisch.

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