Neckar-Odenwald-Kreis

550 neue Wohnungen wurden letztes Jahr im Landkreis gebaut

Die IG Bau spricht dennoch von einem Defizit. Gewerkschaft fordert: "Das Baurecht muss vereinfacht werden".

21.06.2022 UPDATE: 23.06.2022 05:00 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden
Kompliziert, aufwendig und zeitintensiv sind die Genehmigungsverfahren beim Bau. Eine Vereinfachung würde den Wohnungsbau ankurbeln, Verwaltungen entlasten und den Investitionsstau abbauen, meint die Gewerkschaft IG Bau. Foto: IG Bau

Von Caspar Oesterreich

Neckar-Odenwald-Kreis. Vom Eigenheim bis zum Mehrfamilienhaus: Im Neckar-Odenwald-Kreis wurden im vergangenen Jahr 550 neue Wohnungen gebaut. Das teilt die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) unter Berufung auf aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes mit. Demnach flossen in den Neubau Investitionen in Höhe von rund 210 Millionen Euro – deutlich mehr als in den Jahren zuvor.

Während 2019 im Landkreis 539 Wohnungen für 167 Millionen Euro neu gebaut wurden, nahmen Investoren im Corona-Jahr 2020 nur noch 87 Millionen Euro in die Hand. Die Zahl der Neubauten brach auf 390 ein. "Zusätzliche Wohnungen sind ein wichtiger Beitrag gegen steigende Mieten. Wichtig ist dabei das bezahlbare Segment. Und es kommt vor allem darauf an, dass im sozialen Wohnungsbau noch mehr getan wird", sagt Wolfgang Kreis.

Der Bezirksvorsitzende der IG Bau Nordbaden sieht insbesondere die Politik in der Pflicht. Der Wohnungsbau in der Region könne nur dann Power zeigen, wenn in Berlin und Stuttgart die richtigen Weichen gestellt würden. "Die Bundesregierung hat 400.000 neue Wohnungen pro Jahr versprochen. Ein Viertel davon sollen Sozialwohnungen sein." Doch von diesem Ziel sei die Ampel-Koalition noch weit entfernt, macht Kreis deutlich. Auch die Landespolitik sei gefordert.

Im vergangenen Jahr sind laut Statistik bundesweit lediglich 293.400 neue Wohnungen entstanden – 4,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Zudem erschweren knappe Baumaterialien, höhere Energiepreise, Inflation und steigende Bauzinsen derzeit den Neubau, erklärt die IG Bau. Hinzu kämen ein hoher Fachkräftebedarf und unzureichende staatliche Förderungen. Wie viele Sozialwohnungen im Neckar-Odenwald-Kreis neu gebaut wurden, darüber liegen der Gewerkschaft keine expliziten Informationen vor.

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"Zum Stichtag im Dezember 2020 gab es 274 Sozialwohnungen im Bestand, ein Jahr später waren es 272", erklärt Andreas Harnack, Regionalleiter Baden-Württemberg bei der IG Bau, im Gespräch mit der RNZ. Bis 2030 sei ein weiterer Abbau auf 250 Sozialwohnungen geplant. "Wir bräuchten mindestens doppelt so viele", sagt Harnack.

Um vor allem "den lahmenden Bau von Sozialwohnungen voranzubringen", schlägt die IG Bau ein "Sonderpaket sozialer Wohnungsbau" vor. Die Mehrwertsteuer auf Sozialwohnungen solle von 19 auf sieben Prozent abgesenkt werden. Der Bau einer staatlich geförderten Wohnung würde nach Angaben der Gewerkschaft so um zehn Prozent günstiger. "Außerdem müssen Bund und Länder dringend das Baurecht vereinfachen. Es wird höchste Zeit, dass Genehmigungsverfahren schlanker und schneller werden. Zwischen Bauantrag und Baubeginn geht oft wertvolle Zeit verloren", betont Wolfgang Kreis.

Laut Harnack könne "ein abgeschichtetes Genehmigungsverfahren" zu schnellerem Fortschritt führen: "Um mit der Erschließung von Grundstücken, der Verlegung von Wasser- und Stromleitungen etc. oder auch dem Bau der Gebäude zu beginnen, muss nicht die Dachbegrünung, der Fahrradstellplatz vor dem Haus oder der Spielplatz eines großen Wohnquartiers bis ins letzte Detail geplant sein, sondern nur diese Fläche reserviert werden." Auch sollten Kommunen regionaler Denken und sich noch stärker in Zweckverbänden organisieren, um Bau- und Gewerbegebiete, den Bedarf an Kindertagesstätten und Schulen ebenso wie an der Infrastruktur in den Blick zu nehmen. Um Immobilienkosten zu senken, schlägt der Regionalleiter der Baugewerkschaft außerdem einen stärken Fokus auf Erbpacht vor. "Kommunen sollten nicht kurzfristig denken und Bauland verkaufen, um ihren Haushalt zu verbessern. Langfristig angelegte Erbpacht ermöglicht günstigen Wohnungsbau und unterstützt vor allem Familien."

Bezirksvorsitzender Kreis sieht zudem im Umbau bestehender Gebäude eine "enorme Chance", um zusätzlichen Wohnraum zu gewinnen: "Im Neckar-Odenwald-Kreis schlummert ein großes Potenzial in der Umnutzung von Altbauten. So lassen sich bei vielen Wohngebäuden, Geschäfts- und Parkhäusern Dachetagen aufstocken. Dazu kommt – durch mehr Homeoffice – der Umbau von Büros zu Wohnungen." Gerade auch mit Blick auf den steigenden Wohnraumbedarf für die Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine geflüchtet sind, müssten alle Möglichkeiten genutzt werden. Harnack rät, bereits beim Neubau an einen späteren Umbau zu denken, wenn im Alter die Kinder aus dem Haus sind und weniger Platz benötigt wird. "Wenn man das von Anfang an beachtet, lassen sich viel einfacher aus einem Einfamilienhaus zwei oder drei Wohnungen machen."

An die Adresse der heimischen Baubranche machen die Gewerkschafter deutlich: "Viele Firmen suchen dringend Fachkräfte, um die Aufträge bewältigen zu können. Aber qualifizierte Maurer und Zimmerleute gewinnt nur, wer anständige Löhne zahlt und gute Arbeitsbedingungen bietet." Baubeschäftigte sollten auf eine tarifliche Bezahlung bestehen. Genug zu tun gebe es allemal.

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