Tipps fürs Bauen

Was Häuslebauer jetzt berücksichtigen sollten

"Haben verlernt, flächensparend zu bauen": Ein Architekt gibt Tipps für Bauherren und erklärt die Preisspirale in der Baubranche.

04.04.2022 UPDATE: 05.04.2022 06:00 Uhr 4 Minuten, 47 Sekunden

Neckar-Odenwald-Kreis. (jam) Wohneigentum in Deutschland wird tendenziell immer teurer – nicht nur in Städten wie München, Hamburg, Frankfurt oder Stuttgart, sondern längst auch im ländlichen Raum. Die Corona-Pandemie und der russische Angriffskrieg in der Ukraine verschärfen diese Entwicklung nur noch. Die RNZ hat mit den Walldürner Architekten Thomas Link und Claudia Beyer-Kuhnt vom Büro Link Architekten über die Preisentwicklung in der Baubranche gesprochen und gefragt, was Häuslebauer jetzt und generell berücksichtigen sollten.

"Ich habe es mir schon vor langer Zeit abgewöhnt, dem Bauherr früh einen fixen Preis zu nennen", sagt Thomas Link, der seit zwölf Jahren sein eigenes Architektenbüro leitet, über den aktuell besonders volatilen Markt. Nicht umsonst biete die Architektenkammer den Fortbildungskurs "Fluch der ersten Zahl" an. Doch seit Corona und dem Ukraine-Krieg fällt es den Beteiligten in der Baubranche zunehmend schwerer, Angebote seriös zu kalkulieren. "Aber nicht wir Planer machen die Preise, sondern die Bauunternehmen und der Markt", stellt Beyer-Kuhnt klar.

Dass ebendiese Baupreise nun aber so vollkommen aus dem Ruder laufen, führen Link und Beyer-Kuhnt auf mehrere Faktoren zurück – und nicht alle davon sind so offensichtlich wie die Materialknappheit und der Fachkräftemangel bei Handwerkern, die sich laut der Architektin "eklatant bemerkbar machen". Ihr zufolge gehen junge Leute lieber in die Industrie oder ergreifen andere gut dotierte Berufe: "Wir arbeiten interdisziplinär und spüren in jedem Bereich, dass qualifiziertes Personal fehlt."

Noch auffälliger sind natürlich die Entwicklungen bei den Baustoffen. Der Aluminiumkurs war schon vor der russischen Invasion der Ukraine so hoch wie seit Jahren nicht mehr, jetzt hat er einen neuen Allzeitrekord gesetzt. Bei anderen wichtigen Metallen für den Bausektor sieht es nicht besser aus. "Die Stahl- und Aluminiumwerke in der Ukraine sind vom Krieg betroffen", berichtet Claudia Beyer-Kuhnt. Das führe zu einer Verknappung. Noch dazu kommen die von der EU ergriffenen Sanktionen gegenüber Weißrussland und Russland, die den Warenaustausch mit diesen Ländern erschweren. "Die uns bekannten Trockenbauer haben bereits die dritte Preiserhöhung innerhalb eines Jahres angekündigt", berichtet die Architektin. Normalerweise passen diese die Preise einmal jährlich an.

Baumaterialien wie Holz und Dämmstoffe haben sich ebenfalls – und zwar schon vor Kriegsbeginn – teils extrem verteuert, weil die Nachfrage auf den Weltmärkten anzog, als sich die Konjunktur nach dem Corona-Krisenjahr 2020 erholt hatte. Die Lieferkapazitäten bleiben jedoch begrenzt. Das treibt die Bau- und Kaufpreise für Immobilien zusätzlich in die Höhe. Bereits im Vorjahr hatten sich die Preise für Baustoffe im Durchschnitt so stark wie noch nie seit der Erhebung im Jahr 1949 erhöht, teilte vor kurzem das Statistische Bundesamt mit. Inzwischen hat die Baubranche sogar gewarnt, dass für viele Bauprojekte das verfügbare Baumaterial nicht mehr ausreichen könnte: Baustopps sind nicht mehr auszuschließen.

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Die rasant angestiegenen Energiepreise setzen dem Ganzen dann die Krone auf. Das erfahren die Mitarbeiter des Walldürner Architektenbüros aus erster Hand. "Bei einem großen Stahlbauer in Heilbronn haben sich die Preise innerhalb von einem Jahr verdoppelt", erklärt Link. Damit ließen sich die Kosten nicht mehr decken.

In finanzielle Nöte geraten aber auch Handwerksbetriebe, die noch alte Verträge abarbeiten müssen, für die sie mit deutlich niedrigeren Energie- und Rohstoffpreisen kalkuliert hatten. "Diese Firmen sind an ihre Angebote gebunden", warnt Claudia Beyer-Kuhnt. Solche Verträge nachträglich anzupassen, sei zwar theoretisch möglich, aber "sehr aufwendig".

Trotz allem beobachtet das Walldürner Architektenbüro weiterhin einen "Run aufs Betongold". "Die Leute haben Angst, dass ihr Geld bei stetig steigender Inflation an Wert verliert", erklärt Claudia Beyer-Kuhnt. Trotz der hohen Preise wurden 2021 bundesweit so viele Anträge auf Neubauten eingereicht wie seit 2006 nicht mehr. Das beschert den Bauunternehmen volle Auftragsbücher. Aus ihrem Netzwerk berichten die beiden Architekten, dass manche ausgelastete Firma bei öffentlichen Ausschreibungen – ohne echtes Interesse am Auftrag – den doppelten Preis einreicht und letztlich trotzdem den Zuschlag erhält. Auf der anderen Seite "legen einige gewerbliche Auftraggeber ihre Projekte auf Eis", was laut Beyer-Kuhnt eine Chance für Bauwillige darstellt, doch noch kurzfristig zum Zug zu kommen.

Eine Lösung für das aktuelle Dilemma der Baubranche sieht Architekt Thomas Link nicht. "Ich glaube nicht, dass man da gegensteuern kann." Das bestätigt die Einschätzung des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes, dass Bauherren wohl noch eine Weile auf sinkende Preise warten müssen. Im Gegenteil: "Die Baupreise werden weiter steigen", prophezeit Präsident Reinhard Quast. Denn Bauunternehmen müssen für neue Verträge noch die gestiegenen Transportkosten und die Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro pro Stunde einpreisen.

Während unterbrochene Lieferketten, pandemiebedingte Marktschwankungen und fehlende Fachkräfte als Motoren für den Preisanstieg direkt einleuchten, bringt Architekt Link noch einen weiteren Faktor ins Spiel: "Vielleicht waren viele Gewerke die ganzen Jahre über einfach zu günstig." Das könnte zum Beispiel für Stahl und Beton gelten, die bei ihrer Produktion hohe externe Kosten verursachen, die letztlich die Gesamtgesellschaft trägt. Denn die Baubranche ist – vor allem bei der Gewinnung von Zement und der Verhüttung von Stahl – eine der größten Treibhausgasverursacher weltweit.

Der Angriffskrieg in der Ukraine, der die deutsche Abhängigkeit von russischen Gas-, Öl- und Kohlelieferungen offenbart hat, beschleunigt nun ein Umdenken, ist Thomas Link überzeugt. Der Walldürner fragt sich: "Was haben wir alles falsch gemacht in den letzten Jahren?" Die offensichtlichste Antwort für ihn lautet: "Wir haben verlernt, flächensparend zu bauen." Während eine Person in den 60er Jahren durchschnittlich mit rund 20 Quadratmetern auskam, verbraucht jeder Deutsche heute mehr als doppelt so viel Wohnfläche.

Deshalb rät er jedem potenziellen Klienten von einem "Weiter-Höher-Schneller"-Denken ab und empfiehlt stattdessen, sich sorgfältig zu überlegen, welche Größe man wirklich braucht. "Jeder Quadratmeter ist Geld – auch später im Unterhalt." Überhaupt sollte jeder, der sich den Traum vom Eigenheim verwirklichen will, sein Augenmerk auf die Lebenszykluskosten eines Hauses richten, und nicht nur auf die Ausgaben für Planung und Erstellung des Gebäudes. Kurz zusammengefasst lautet der Rat von Thomas Link also: "Mach lieber weniger, dafür aber vernünftig!"

Denn es lohnt sich, zunächst mehr Geld zu investieren, wenn sich dadurch der Verbrauch von Energie und Ressourcen minimieren lässt. "Je besser die Dämmung, desto kleiner die Heizung", nennt Link ein anschauliches Beispiel. Deshalb setzt er für das Äußere von Gebäuden verstärkt auf Holz mit seinen guten Dämmeigenschaften, während im Inneren Beton oder andere Materialien zum Einsatz kommen können, die Wärme besser speichern als der nachwachsende Rohstoff. Noch dazu sollten Bauherren ihr Gebäude so ausrichten, dass sie die Energiegewinne der inzwischen verpflichtenden Photovoltaikanlage auf dem Dach voll ausreizen können.

Damit in der entscheidenden Frühphase keine groben Schnitzer auf lange Sicht hohe Kosten verursachen, rät Link, neben einem Statiker, einem Architekten und einem Technikplaner einen Energieberater einzubinden – ein Rat, den er für sein Eigenheim selbst befolgt hat. "Ich habe eine Erdwärmebohrung gemacht. Das war zwar ein riesiger Act, aber es hat sich gelohnt." Nicht erst seit der jüngsten Entwicklung der Gaspreise empfiehlt er jedem, sein Eigenheim mit einer effizienten Wärmepumpe zu heizen: "Gas ist für Häuslebauer nicht mehr zeitgemäß." Wer noch mehr Ressourcen sparen möchte, sollte sich ganz vom Neubau verabschieden, erklärt Claudia Beyer-Kuhnt. "Wir sind immer auf der Suche nach Möglichkeiten, im Bestand umzubauen."

Ob aber Neu- oder Umbau: Wer gutes Geld in die Hand nimmt, sollte sich gründlich überlegt haben, wofür er die Immobilie nutzen möchte. "Lässt sich das Haus später leicht in zwei Wohnungen umwandeln, bin ich im Alter flexibler", erklärt der Architekt. Überhaupt empfindet er, dass viele Bauherren die Bedeutung gründlicher Planung unterschätzen: "Manche Leute machen sich mehr Gedanken über die Farbe beim Autokauf als über das Haus, das sie ein Leben lang bewohnen."

Der Walldürner Architekt Thomas Link verbaut gerne den nachwachsenden Rohstoff Holz. Fotos: Janek Mayer
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