Immer noch eine musikalische Urgewalt
50 Jahre und kein bisschen leise: Die legendäre Band gasierte auf ihrer Jubilee-Tour in der Alten Mälzerei.

Von Pia Geimer
Mosbach. Wer sich einmal so richtig sämtliche Gräten durchvibrieren lassen wollte, der war goldrichtig am Sonntagabend in der Alten Mälzerei. Lautsprecherboxen groß wie Überseecontainer, die Bühne vollgestopft mit Technik, rund um ein mächtiges Drumset im Plexiglaskasten – all das verhieß schon vor dem Startschuss, dass da ein akustisches und optisches Spektakel von außergewöhnlicher Potenz stattfinden sollte. Und die Erwartungen sollten nicht enttäuscht werden. "Mother’s Finest" sind mit ihrer explosiven Mischung von Soul, Funk, Metal und Rock einfach eine Urgewalt. Nach mehr als 50 Jahren auf der Bühne haben sie nichts von ihrer mitreißenden Energie und Leidenschaft eingebüßt und lassen es buchstäblich krachen. Gegenwärtig sind sie auf Jubilee-Tour in Europa – und allein der Blick auf ihren eng getakteten Tourplan würde viel jüngere Bands schwindlig machen. Aber die Veteranen – drei Gründungsmitglieder sind heute noch dabei – sind körperlich in beneidenswerter Form. Ihre Show bietet offenbar ein perfektes Workout, sorgt für ewige Jugend und eine unverwüstliche Kondition.
Laut war es – und das bedeutet richtig laut. Ernst gemeinter Rat an eher klassisch geschulte Zuhörer, die solch ohrenbetäubende Lautstärken nicht gewohnt sind: Gehörschutz mitnehmen! Das vor Kraft und überschäumender Energie strotzende Zentrum des Ganzen ist definitiv Sängerin Joyce "Baby Jean" Kennedy, damals wie heute. Sie hatte gemeinsam mit ihrem Partner Glenn "Doc" Murdock vor 50 Jahren den Grundstein zu "Mother’s Finest" gelegt, die von Anfang an mit einer einzigartigen Fusion unterschiedlicher Musikrichtungen aufwarteten und die Musikbranche durcheinanderwirbelten. "Too Funk for Rock, too Rock for Funk", hieß es. Diese Band ließ sich in keine der etablierten Schubladen pressen, war irgendwie zu weiß für Soul und Funk und zu schwarz für Rock. Mit Titeln wie "Niggiz can’t sang Rock’n’Roll" oder "Black radio won’t play this record" machten sie sich ironisch lustig über den musikalischen Rassismus jener Zeit. In Europa spielte der vielleicht eine weniger große Rolle als in den USA, hier wurden sie bekannt durch einen fulminanten Auftritt 1978 im "Rockpalast", der ihnen quasi aus dem Stand enorme Popularität in Europa bescherte.
Vielleicht ist ihr Geheimnis einfach genau diese große stilistische Offenheit und eine sehr authentisch wirkende Freude, die sie so mitreißend auf der Bühne zelebrieren. Und natürlich ihre ungeheure Energie, die sich auch auf ihr Publikum überträgt. Sie leben ihre Musik, man spürt, dass sie die Show auch für sich selbst spielen und genießen können, selbst wenn die Anzahl der Zuhörer recht überschaubar ist wie an diesem Abend in der Mälzerei. Neben Joyce Kennedy und Doc Murdock ist auch Gitarrist Gary "Moses Mo" Moore ein Gründungsmitglied von "Mother’s Finest". Alle drei sind inzwischen über 70 und es ist unfassbar, wie anscheinend mühelos sie immer noch die körperliche Herausforderung ihrer Auftritte meistern. Schon allein die Eröffnungsnummer dauert weit über 20 Minuten und es ist bereits alles drin, was das Sextett ausmacht: Mitreißende Energie von Sekunde eins an, elektrisierender Gesang, tolle Instrumentalsoli, eine auch technisch ausgefeilte Show, bei der jeder Akteur zum Zuge kommt.
Alle sechs – nicht nur die beiden Lead-Sänger – sind natürlich exzellente Musiker, die bei "Mother’s Finest" ihre jeweiligen Stärken ausspielen können. Großartig ist Sohnemann Dion Derek Murdock an den Drums, Juan Van Dunk (Bass) und John "Red Devil" Hayes (Gitarre) prägen den Klang mit ihrem dynamischen Spiel maßgeblich mit und stellen das musikalische Gegengewicht zum rockigen Urgestein "Moses Mo" dar, der sich ab und an zu unverfrorenen Showeinlagen auf seiner Gitarre hinreißen lässt. Im Hintergrund sind zusätzlich Carly Gibson und Sami Michelsen als backing vocals mit von der Partie.
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Für die Zugabe holte die mit schier unerschöpflicher Energie gesegnete Frontfrau Joyce Kennedy dann schließlich alle Fans, die weiter hinten im Saal schon vorher eifrig mitgetanzt hatten, nach vorn vor die Bühne und die Band verabschiedete sich mit einem letzten Song "Fight the Power" und dem Peace-Zeichen zum Abschied.



