Sagensammler Peter Seisler zu Gast an der Realschule
Sagenhafter Deutschunterricht. Schülerinnen präsentieren ihre Sagen über Contz Kobel.

Von Carmen Oesterreich
Eberbach. Sehr gut vorbereitet hießen die Schüler der sechsten Klasse Peter Seisler in der Realschule willkommen. Er war eingeladen, von seiner Arbeit als Sagensammler und Autor des Buchs "Sagen und Legenden aus dem Odenwald" zu berichten. Denn die Lehrkräfte Isabell Jung und Martin Kohler haben sich gemeinsam einige "Meilensteine" überlegt, mit denen sie die Bildungshungrigen über das Thema "Heimatsagen" möglichst lebensnah im Fach Deutsch unterrichten und "an Schreibprozesse heranführen", so Martin Kohler.
In den Schulstunden wurden deshalb nicht nur Sagen aus dem Odenwald gelesen und nacherzählt, sondern die Kinder machten sich selbst auf den Weg, zu ergründen, was es mit dem Steinkreuz an der Steinernen Brücke an der Itter auf sich habe. Die Inschrift erinnert an Contz Kobel, der dort im Jahr 1416 ertrunken sei.
Wer war Contz Kobel, warum ertrank er und warum wird ausgerechnet an ihn erinnert? Tatsächlich weiß niemand viel über ihn. So bedienten sich die Schüler einer Methode, wie sie die Menschen im Mittelalter – und schon lange vorher – anwandten: Sie suchten nach Erklärungen und "sagten" ihre Vermutungen weiter.
Die Sechstklässler schrieben zunächst ihre "Sagen" auf. Zudem bauten sie in der Klasse 6a von Martin Kohler Modelle von der Lebenswelt Contz Kobels, wie sie sich diese vorstellen. In der 6c von Isabell Jung erarbeiteten sie Stücke fürs Schattentheater. "Ganz großes Kino", fand Seisler und erzählte, wie früher die Spinnerinnen die Sagen im Takt des Spinnrads "rappten".
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Der Arbeit der Schülerinnen und Schüler liegt viel Geschichtskenntnis und zugleich Kreativität zugrunde. Nicht nur Peter Seisler wird während der individuellen Präsentationen gespürt haben, wie viel Freude am Lernen nicht nur die Schüler, sondern auch die begleitenden Lehrkräfte Jung und Kohler sowie Rektor Markus Hanke hatten. Seisler begeisterte seinerseits durch seine Erläuterungen zur vermutlich recht wilden Itter, zu ehrbaren Rittern jener Zeit, mangelnder Gerichtsbarkeit und dem "richtenden" Schlag der Schwerter, von Kreuzen und zu hohen Kosten für eine Brücke.
Vieles, was die Kinder präsentierten, erschien ihm plausibel. Das Ziel, den Schülern bewusst zu machen, dass die Sagen ihnen viel von der eigenen heimischen Geschichte und Natur im Odenwald erzählen, haben die Lehrkräfte erreicht. Das Thema ist noch nicht abgeschlossen. Weitere Unterrichtsschritte, wie zum Beispiel Ausflüge zu sagenhaften Orten in der Region, sollen folgen.
Fragen der Schüler an Sagensammler Peter Seisler
Die Sagensammler Miriam und Peter Seisler haben bereits drei Bücher geschrieben. Ihr letztes heißt "Sagen & Legenden aus dem Odenwald". Die Sechstklässler der Realschule befragten ihren Gast Peter Seisler zu seiner Arbeit.

Wie sind Sie zu Ihrem Job als Sagensammler gekommen?
Peter Seisler: Das ist mein Hobby, nicht mein Hauptberuf. Meine Frau Miriam und ich finden Sagen wahnsinnig spannend. Es macht uns Spaß, damit zu arbeiten.
Warum finden Sie Sagen gut?
Meine Mutter hat sie mir früher vorgelesen. Mit vier Jahren bekam ich mein erstes Sagenbuch. Mit 19 Jahren liebte ich die gruseligen Sagen. Das hat sich so entwickelt, ich mag die Vielfalt und das Geheimnisvolle.
Wie kam es zu der Idee, Sagen zu veröffentlichen?
Was macht man mit drei Söhnen, die Spazierengehen langweilig finden. Miriam und ich haben ihnen Sagen erzählt. Jetzt möchten wir unsere Leser begeistern.
Wie lange dauert es von der Idee bis zum Buch?
Etwa 100 Tage Recherche, 100 Tage Schreiben... Dann müssen wir mit dem Verlag verhandeln, das Layout besprechen .... Insgesamt sind es wohl zwei Jahren.
Wie lange suchen Sie Sagen und Informationen dazu?
Fast mein ganzes Leben lang. In Archiven, Antiquariaten, alten, vergessenen Büchern. Meine Frau stöbert überall und findet dann ein Buch von 1895, das fast auseinander fällt.
Wie viele Bücher haben Sie verkauft?
Vielleicht 1200? Ich weiß es nicht, aber ich hoffe, es werden immer mehr!
Was verdienen Sie?
Mit den Sagenbüchern wenig. Das allererste hat uns sogar Geld gekostet. Wenn du reich werden möchtest, musst du einen international packenden Bestseller schreiben.
Haben Sie einen Rat für uns, wie wir gute Sagen schreiben können?
Lies, lies, lies, lies. Lies, was dich am meisten begeistert. Und dann kannst du "klauen". Ich mache das bei der Bibel, bei Edda, bei Tolkiens Herrn der Ringe. Vorsicht: Du darfst nicht abschreiben, das ist verboten. Aber du kannst dich inspirieren lassen.
Haben Sie mal eine Sage erfunden?
Nein, dann wäre es keine Sage. Geschichten sind ausgedacht. Anekdoten beruhen auf wahren Begebenheiten. Sagen sind wahr oder doch nicht: Man muss ihren Impulsen, etwa einem Kreuz mitten im Wald, auf den Grund gehen und eine Erklärung dafür suchen.
Finden sie Sagen auch mal blöd?
Ich finde alle Sagen blöd, die Vorurteile schüren. Zum Beispiel die mit böser Nachrede über Juden.
Was ist Ihre Lieblingssage?
Am spannendsten finde ich die Nibelungen-Sage. Im Odenwald gibt es mindestens vier Quellen, an denen darum gestritten wird, dass hier Siegfried ermordet worden ist. Aus meiner Heimat nahe Freiburg mag ich das Schredderle, eine Frau, die sich in Tiere verwandeln und zwischen Jung und Alt wechseln kann. Besonders hier im Odenwald gibt es sehr viele coole Sagen!
Was ist Ihre langweiligste Sage?
Es gibt Sagen, die gibt es in jedem Dorf. Die sind immer gleich. Zum Beispiel gibt es in Haag eine Sage über den Bau der Kirche. Die sollte unten im Tal gebaut werden, aber irgendwer schaffte das Material immer wieder auf den Berg. Eingesetzte Wächter verschwanden einfach. So gab man eines Tages auf und baute die Kirche oben auf dem Berg. Diese Sage gibt es für drei weitere Kirchen in anderen Orten.
Spüren Sie das Mystische in den Sagen?
Wenn ich die Sage schon kenne, kann ich mir das auch einbilden. Aber ja: Die Atmosphäre an solchen sagenumwobenen Orten finde ich magisch.
Info: "Sagen & Legenden aus dem Odenwald", Miriam und Peter Seisler, Regionalia Verlag, Hardcover, 160 Seiten, ISBN 978-3-95540-384-3, 2. Auflage, 9,95 Euro