Mit dem Wolf richtig umgehen lernen
Tierhalterin Christine Günther informiert als eine "Landesfachfrau"

Die Ingenieurin und künftige Gewerbeschullehrerin Christine Günther hat aus Interesse am Wildtier Wolf fürs Land Baden-Württemberg und beim NABU verschiedene Ausbildungen absolviert und ist Fachfrau für "Wildtiermonitoring". Foto: Felix Hüll
Von Felix Hüll
Eberbach/Neunkirchen. Wie gehen die Menschen in der Region damit um, wenn der Wolf auch im Odenwald wieder heimisch wird? Was es dazu an Fakten gibt und was es bedeutet, erklärt Christine Günther aus Neunkirchen. Sie ist eine ehrenamtliche "Fachperson im Wildtiermanagement" in Baden-Württemberg.
"Ich halte selbst 45 Schafe. Für mich ist das Thema Wolf nicht unrelevant", sagt Christine Günther. Und sie sagt gleichzeitig auch: "Ich möchte die Rückkehr des Wolfs unterstützen." Bei einem emotional derart sensiblen Thema ist Christine Günther aber ganz besonders wichtig, dass man sich sachlich mit Fakten auseinandersetzt. Und dazu gehört, dass es in Baden-Württembergs Norden bislang noch keinen verlässlichen Nachweis fürs Vorkommen eines Wolfes gibt. Und das, obwohl verschiedene Menschen Wölfe gesehen und auch fotografiert haben. Um gesicherte Aussagen zu gewinnen, gelten genau festgelegte Ermittlungsstandards.
Hintergrund
Interesse am Wolf stand am Anfang: so nach und nach ist Christine Günther zur regionalen Expertin für Wölfe geworden. Ihr beruflicher Werdegang legt dies an sich nicht nahe: Die 35-jährige verheiratete Mutter zweier Kinder ist gelernte Maschinenbauingenieurin
Interesse am Wolf stand am Anfang: so nach und nach ist Christine Günther zur regionalen Expertin für Wölfe geworden. Ihr beruflicher Werdegang legt dies an sich nicht nahe: Die 35-jährige verheiratete Mutter zweier Kinder ist gelernte Maschinenbauingenieurin und hat zehn Jahre lang bei Heidelberg Engineering gearbeitet, bevor sie sich entschied, ins Lehramt zu wechseln. 2017 ist gerade ihr Prüfungsjahr in der pädagogischen Ausbildung zur Gewerbelehrerin an der Christian-Schmidt-Schule in Neckar-sulm. Als Hobby-Schafhalterin in Neunkirchen hat Günther Kurse besucht und wurde für den NABU "Wolfsbotschafterin". Im Rahmen der Landeszuständigkeit für das Monitoring geschützter Wildtiere nach EU-Recht besuchte Günther u.a. das Lupus -Institut für Wolfsmonitoring und -forschung in Rietschen (Sachsen/ Lausitz) und ist jetzt ehrenamtliche "Fachperson in Wildtiermanagement", zuständig für die Kreise Rhein-Neckar und Neckar-Odenwald. (fhs)
Unabhängig davon, wie gesichert eine Wolfsbeobachtung ist, gibt es Menschen mit der Sorge, dass auch im Odenwald über kurz oder lang einzelne Wölfe und irgendwann einmal ganze Rudel wieder heimisch werden. Im März 1866 wurde hier der letzte Wolf erschossen. Nun verändert sich diese einhalb Jahrhunderte bestehende Situation ohne Wolf.
Günter: "Ich verstehe die Furcht von Menschen. Die Furcht vor dem Wolf war ja in der Vergangenheit eine realistische Angst." Sie nennt etwa das Beispiel einer Familie in früheren Zeiten, die von ihren zwei Ziegen lebte. Wenn die ein Wolf riss, dann hungerten die Menschen und waren ernsthaft in ihrer Existenz bedroht. Oder wenn Kinder vom Dorf mitten in der Nacht mit Waren auf den Weg zum Markt in die Stadt geschickt wurden - da sei die Begegnung mit Wölfen eine reale Gefahr gewesen. "Heute muss niemand mehr seine Kinder um vier Uhr allein durch den Wald schicken." Und die in der Regel dem Menschen ausweichenden Wölfe finden in der Natur ausreichend Nahrung.
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Trotz veränderter Lebensbedingungen von Mensch wie Wolf bleiben Urängste. Günther: "Ich kann die Ängste aber nur nehmen, indem ich aufkläre."
Und das tut sie: An die 20 Vorträge hat sie in der Region bereits gehalten, darunter in Waldbrunn, Aglasterhausen, aber auch in Heidelberg. Sie sprach vor Kindergartenkindern und Schulklassen. Als Nächstes geplant ist zum Jahresende hin oder zu Anfang 2018 eine Information speziell für Jäger. Als Tierhalterin weiß Günther, dass bei Pferden mit Fohlen, Kühen mit Kälbern und bei Schafen der bisherige Schutz zu verstärken und an den neuen Gegebenheiten auszurichten ist. Dazu müsse man Eigenheiten des Wolfs kennen, etwa, wie wichtig es ist, bereits den Jungtieren die Erfahrung zu vermitteln, dass er bei einer geschützten Tierhaltung keinen Erfolg haben wird und anderswo auf jeden Fall leichter Beute findet. Besondere Elektrozäune mit bestimmten Höhen, Litzen- und Lappzäune, Blinklichter und andere Vergrämungsmaßnahmen hält Günther als Ratschläge für Tierhalter parat. Sie entwickelt auf Anfrage aber auch individuelle Schutzkonzepte. Günther: "Wir müssen reagieren, bevor etwa passiert ist. Es gibt Möglichkeiten. Man muss gucken, was habe ich und wie kann ich den Schutz verbessern." Ein Problem beim Umgang mit der Wiederansiedlung des Wolfes ist, dass in der öffentlichen Wahrnehmung etwa durch die Medienberichterstattung immer nur Beachtung findet, dass Außergewöhnliches passiert ist, nicht aber alltägliches Nebeneinander von Nutz-und Wildtieren. Neben dem Wolf sind das auch andere Arten wie die heimischen Luchs und Wildkatze oder der aus den Karpaten zugewanderte Schakal.
Günther: "In Deutschland gibt es mittlerweile 70 Wolfsrudel. Bei etwa zehn Tieren pro Rudel sind das 700 Wölfe." Berücksichtigt man, dass ein Rudel ein Gebiet von 350 Quadratkilometern durchstreift, legt schon die Größe der Fläche nahe, dass Menschen selten Gelegenheit haben, auf einen Wolf zu treffen.
Kommt es zu unnatürlichen Gewohnheiten, dass etwa Menschen Wölfe anfüttern und sie an eine Nähe zum Menschen gewöhnen, gelte auch trotz des hohen rechtlichen Schutzstatus des Wolfes, dass der Schutz von Menschen Vorrang habe und man ein auffälliges Tier "der Natur entnehmen" könne, umschreibt Günther das Wort für Abschuss. Sie hält jedoch ein Auskommen der unterschiedlichen Ansprüche für möglich. Dies setze jedoch voraus, dass man sich früh mit der neuen Situation auseinandersetzt.
Im Odenwald kommt die erst in den nächsten Jahren auf die Bevölkerung zu - wie gesagt, noch gibt es keinen C 1-Nachweis für Wölfe. Fachkundige Ansprechpartner stehen in Freiburg oder eben in ihrer Person zur Verfügung; Infos müssten Bürgermeister, Gemeinderäte, Tierhalter, Jäger oder Lehrer einfach nur abfragen. Günther: "Mein Ziel ist, dass es in Sachen Wolf irgendwann keine unüberwindbaren Gegensätze mehr gibt."