Wenn die Bauwilligen Schlange stehen
Bürgermeister wirbt bei Ortsbegehung für umstrittene Pläne - "Sind nicht größenwahnsinnig"

Der Gemeinderat machte bei seiner Ortsbegehung Station im Areal "Wasen". Bürgermeister Markus Günther und Georg Feit vom Stadtbauamt stellten dort die Pläne für das Naherholungsgebiet vor. Foto: Janek Mayer
Walldürn. (jam) 22,6 Hektar zusätzliche Wohnbaufläche benötigt die Stadt Walldürn nach Berechnungen des Gemeindeverwaltungsverbands bis zum Jahr 2030 - und das, obwohl offizielle Prognosen bis dahin einen Rückgang der Bevölkerung voraussagen. "Der Bürger verlangt von uns vorauszudenken", warb Bürgermeister Markus Günther am Freitag bei der Ortsbegehung des Gemeinderats für die umstrittenen Pläne der Verwaltung, die erst bei der Offenlegung des Vorentwurfs des Flächennutzungsplans (FNP) 2030 bekannt wurden.
An der Rundreise zu sämtlichen bestehenden und noch geplanten Baugebieten in der Kernstadt und den Stadtteilen nahm eine überschaubare Anzahl an Gemeinderäten teil. Kritische Fragen waren Mangelware, stattdessen gab es ausgewählte und meist trockene Daten zu den einzelnen Gebieten.
Lediglich bei einer Station änderte sich die Tonart: Der Bürgermeister hielt am Areal "Wasen" eine Brandrede für die Pläne der Verwaltung, wie sie aus dem FNP 2030 ablesbar sind. "Diese Planungen müssen über Jahrzehnte vorausgehen", sagte er und warnte vor einem "Stillstand wie zu Anfang der 90er". Damals habe die Stadt keine Bauplätze vorgehalten.
Kritik, dass Walldürn bestehende Potenziale besser nutzen müsse, wies er zurück. "An die leerstehenden Grundstücke in der Kernstadt kommen wir seit 20 Jahren nicht ran. Daran wird sich auch in den nächsten 20 Jahren nichts ändern", prophezeite er. Tatsächlich nennt der GVV in seiner Begründung für den neuen Flächennutzungsplan 95 Baulücken in Walldürn mit einer Gesamtfläche von 8,5 Hektar.
Die "Aktivierungsrate" dieses großen Innenentwicklungspotenzials bezeichnet der GVV jedoch als "eher gering": Die Alteigentümer sind aufgrund der Finanzsituation mit niedrigen Zinsen nicht bereit, die Grundstücke zu veräußern. Demzufolge bleibt der Stadt nur die Ausdehnung in Naherholungsgebiete.
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Denn die Bauwilligen stehen Schlange. Von 67 Bauplätzen im Neubaugebiet "Lindig" sind nur noch zehn frei. Für zehn weitere Grundstücke innerhalb der Konversionsfläche "Leinenkugel" gibt es bereits jetzt acht Interessierte, obwohl das Areal noch gar nicht erschlossen ist. "Wir sind nicht größenwahnsinnig! Der Bedarf ist da, wir müssen ihn schnell decken", sagte Bürgermeister Günther, der möglichst schnell mit dem Grunderwerb im "Wasen" beginnen möchte: "Sonst verlieren wir junge Familien."
Um langfristig den Bedarf decken zu können, ist die Verwaltung nach eigenen Angaben auch auf den "Vorderen Wasen II" angewiesen. "Das ist die letzte verfügbare Fläche, wenn man nicht in den Wald gehen will", erklärt Georg Feit, der stellvertretende Stadtbauamtsleiter. Dass die mit Streuobstbäumen gesprenkelte 8,7 Hektar große Fläche bei Spaziergängern, Joggern und Radfahrern zugleich beliebt ist und für Fauna und Flora einen wertvollen Lebensraum darstellt, hat die Verwaltung offensichtlich nicht von ihren Plänen abgebracht.
"Es ist schön hier, aber unser Bedarf liegt momentan woanders", stellte Bürgermeister Markus Günther vor Ort fest. So will die Verwaltung zusätzlich zum "Vorderen Wasen II" (8,7 Hektar), dem "Neuen Wasen" (4,7 Hektar) und dem "Roten Weg" (0,7 Hektar) eine Entwicklungsfläche mit rund sechs Hektar ausweisen, die bei Bedarf ebenfalls für Bauplätze herhalten kann.
Ob die Grundstückseigentümer solche Pläne unterstützen und ihren Grund und Boden samt Streuobstbeständen verkaufen, bleibt abzuwarten.
Vonseiten der Verwaltung wird momentan ohnehin betont, dass der FNP 2030 lediglich als "grobe Planung" diene, "um städtebauliche Zwecke zu erfüllen". Inwieweit das Naherholungsgebiet also in Zukunft ganz oder teilweise einer Wohnbebauung weichen muss, steht noch in den Sternen.
Weil aber jede Nutzung von Flächen durch Menschen mehr oder weniger große Auswirkungen auf die Umwelt hat, sollten sich alle Verantwortlichen auf eine Aussage des Umweltbundesamts besinnen: "Ziel ist es, knappe Flächen nachhaltig - also umweltschonend, ökonomisch effizient und sozial gerecht mit Rücksicht auf künftige Generationen - zu nutzen."



