Walldürn

Förster kalken gegen die Folgen des sauren Regens

Spezielle Unimogs blasen derzeit mehrere Hundert Tonnen Dolomitmehl in den Walldürner Stadtwald - Renaturierung des Forstes

06.09.2017 UPDATE: 07.09.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 20 Sekunden

Mit einem Radlader schaufelt ein Waldarbeiter rund vier Tonnen Kalk in die bereitstehenden Gebläsefahrzeuge. Das Gesteinsmehl liefern Lastwagen termingerecht im Wald an.

Von Janek Mayer

Walldürn. "Der Wald stirbt", titelten Anfang der 1980er Zeitungen und Zeitschriften. Das von einem Professor für forstliche Bodenkunde und Waldernährung prophezeite Horrorszenario blieb aber aus. Die Wissenschaft hatte rechtzeitig auf die Gefahren des sauren Regens hingewiesen, die Politik setzte zeitnah Gegenmaßnahmen um. Eines dieser Gegenmittel gegen die versauernd wirkenden Einbringungen des Menschen soll nun auch dem Walldürner Stadtwald wieder auf die Sprünge helfen ...

Dort durchschneidet ein gewaltiges Rumpeln die sprichwörtliche Stille des Waldes. Wie das Anlaufen einer Flugzeugturbine klingt der Unimog-Aufsatz, aus dem plötzlich eine bis zu 50 Meter lange Kalkwolke schießt. Zwei dieser Gebläsefahrzeuge der Firma Silvatec bringen derzeit im Glashofener "Großen Wald" und später im Waldgebiet "Lindig" auf 493 Hektar Fläche mehrere Hundert Tonnen Dolomitgesteinsmehl aus, um den Nährstoffhaushalt des Bodens wieder auf Vordermann zu bringen. "Alle zehn Jahre ist eine solche Kalkung sinnvoll", erklärt Revierleiter Stefan Michel. Dabei werden etwa drei bis vier Tonnen dolomitischer Kalk pro Hektar und Jahrzehnt verabreicht, um eine weitere säurebedingte Verwitterung von Tonmineralen zu verhindern und um die Vitalität der Waldbestände zu erhöhen.

"Es geht hier nicht um eine Ertragssteigerung, sondern um eine Renaturierung", betont Revierleiter Thomas Riemer, der für die Walldürner Höhe zuständig ist. "Ziel ist es, den Forst wieder in den alten Zustand zu versetzen." Der alte Zustand - das war, bevor beispielsweise Industrie, Kohlekraftwerke und der Straßenverkehr den Boden verunreinigt haben. Durch die Umwelteinflüsse der vergangenen 150 Jahre haben die Wälder mit einer zunehmenden Versauerung der Böden zu kämpfen. Riemer: "Der Mensch hat Schwefel- und Stickoxide eingetragen, die den Boden schädigen und die Wurzeltiefe verringern."

Um dem entgegenzuwirken, rollt schweres Gerät durch den Wald. Lastwagen liefern ihre tonnenschwere Ladung Gesteinsmehl im Wald ab, mit einem Radlader schaufelt ein Mitarbeiter rund vier Tonnen des Pulvers auf sein Fahrzeug. Dann rast er über die Waldwege zu den Gebieten, die noch nicht gekalkt wurden. Dort fährt er das Gebläse hoch, ein Förderband transportiert das Pulver in den Luftstrom, der es auf einer Länge von rund 40 Metern effektiv im Wald verteilt. Nach etwa 20 Minuten ist die komplette Ladung verblasen.

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"Mit unseren Maschinenwegen und Rückegassen kommt der Unimog sehr gut zurecht", sagt Revierleiter Michel. Davon profitiert die Gemeinde, die 10 Prozent der Kosten der Kalkung trägt - das sind immerhin noch 40.000 Euro. Hätte man einen Hubschrauber für die Kalkung benötigt, wäre der Eigenanteil deutlich höher. "Wir kalken diesmal nur das nötigste Drittel", erklärt Riemer. In sieben bis acht Tagen soll das abgearbeitet sein. Die Ausschreibung für ein zweites Drittel im kommenden Jahr laufe bereits.

Inzwischen hat sich der Kalknebel größtenteils verzogen. Das erdfeuchte Granulat setzt sich schnell ab. Was noch als feiner Staub auf den Blättern zurückbleibt oder mit großer Wucht in die Rinde der Bäume gepresst wurde, spült der nächste Regen in den Boden.

Der Bedarf des Bodens wurde im Vorfeld genau bestimmt. In manchen Teilen des Walds ist dem Dolomitmehl noch Holzasche beigemischt, mit der eine bessere Tiefenwirkung erreicht wird. Die Maßnahme wird dadurch teurer, aber auch effektiver. Biotope werden übrigens nicht gekalkt. Michel: "Um Teiche herum gibt es beispielsweise einen Sicherheitsabstand von 100 Metern. Wir wollen in diesen Biotopen die Flora und Fauna nicht künstlich verändern."

Spaziergänger brauchen sich also keine Sorgen machen, dass diese kleinen Gärten Eden im Wald unter der Kalkung leiden. Auch für Personen ist der Kalknebel vollkommen ungefährlich, heißt es auf einem Schild, das vor der Maßnahme warnt. Spaziergänger sollten es sich aber trotzdem gründlich überlegen, ob sie in den betroffenen Gebieten spazieren wollen. Sie behindern zum einen die Arbeit der Waldarbeiter und riskieren zum anderen einen feinen Pulverüberzug auf ihrer Kleidung.

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