Wald in der Klima-Krise

"Dieses Thema duldet keinen Zeitaufschub!"

CDU-Landesminister Peter Hauk und Susanne Eisenmann beim Rundgang im Odenwald

04.09.2019 UPDATE: 05.09.2019 06:00 Uhr 1 Minute, 46 Sekunden

Die beiden Minister, Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann und Landesforstminister Peter Hauk, machten sich bei einer Waldbegehung im Distrikt "Krückerle" in Adelsheim am Dienstag ein Bild von der Schädigung des Waldes. An dem Rundgang nahmen auch Landrat Dr. Achim Brötel, Adelsheims Bürgermeister Wolfram Bernhardt und mehrere Forstfachleute teil. Foto: Joachim Casel

Von Joachim Casel

Neckar-Odenwald-Kreis. Der Wald steckt in der Krise. Klimawandel und Schädlinge heizen ihm kräftig ein. Landesforstminister Peter Hauk (CDU) hat kürzlich beim "Waldgipfel" ein Notprogramm vorgestellt, das ein Soforthilfepaket von jeweils 40 Millionen Euro in den kommenden beiden Jahren vorsieht (die RNZ berichtete). Mit dem Geld sollen unter anderem die Schädlingsbekämpfung intensiviert, die entstandenen Schäden ausgeglichen und der Wald wieder aufgeforstet werden.

Mit einer großen Demonstration am kommenden Freitag auf der Stuttgarter Königsstraße möchte man diesen Forderungen Nachdruck verleihen, denn die beim "Waldgipfel" aufgerufenen Beträge müssen erst noch im Landeshaushalt aufgenommen werden. Peter Hauk lud jetzt in seiner Heimatstadt Adelsheim zu einer Waldbegehung ein. Mit dabei waren neben seiner Parteifreundin, Kultusministerin Susanne Eisenmann, auch Achim Brötel, der Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises.

Der Rundgang führte die Gruppe in den Distrikt "Krückerle" im insgesamt 850 Hektar großen Adelsheimer Stadtwald. Dort sind 70 Prozent Laubholz anzutreffen, vornehmlich Buche und Eiche. Besonderer Wert wurde bei der Auswahl des Gebiets darauf gelegt, dass es sich um einen sogenannten Durchschnittswald handelt, der keine extremen Schädigungen mit großen Kahlflächen aufweist. Nach einer guten Stunde und vielen prüfenden Blicken auf Stämme und Baumwipfel wurden aber auch hier frappierende Schäden offensichtlich.

Region um Buchen ist besonders stark betroffen

Eine der Ursachen ist der deutliche Anstieg der Durchschnittstemperatur in den vergangenen Jahren. Die Forstfachleute verdeutlichten dies anhand einer Karte. Diese belegt, dass wir früher eine Durchschnittstemperatur von 8,5 Grad hatten. Inzwischen liegt sie bei zehn - Tendenz weiter steigend.

Genau umgekehrt verhält es sich bei der Niederschlagsmenge. Die geht kontinuierlich zurück und liegt - bei riesigen Schwankungen - deutlich unter der bisherigen Trendlinie. "Die steigenden Temperaturen und die verringerten Niederschläge sind für den Wald eine furchtbare Kombination", analysierte Forstdirektor Martin Hochstein die Situation. Gut sichtbar waren beim Rundgang in Adelsheim auch die von Schädlingen befallenen Bäume. Borkenkäfer, Eichenprozessionsspinner und Co. machen Buchen und Eichen schwer zu schaffen.

Im Neckar-Odenwald-Kreis fällt die Schadensbilanz sehr unterschiedlich aus, wie Dietmar Hellmann, Vorsitzender der AG Wald Baden-Württemberg, beim Vorort-Termin erklärte. So sei der "Kleine Odenwald" - das ist das Gebiet um Aglasterhausen und Neunkirchen - dank seiner im Vergleich noch recht hohen Niederschläge relativ ungeschoren davon gekommen.

Am größten seien die Schäden in der Mitte des Landkreises, in der Region um Buchen. Besonders heftig habe es den Stadtteil Bödigheim erwischt, wo größere Flächen durch Käfer und Trockenheit quasi dem Erdboden gleich gemacht worden seien.

Kultusministerin Susanne Eisenmann sagte, der Rundgang habe eindeutig belegt, dass man sich intensiv mit dem Klimawandel und seinen Folgen befassen müsse: "Dieses Thema duldet keinen Zeitaufschub! Wir müssen handeln und nehmen uns dem an. Parallel dazu wollen wir in der Bevölkerung das Bewusstsein dafür stärken, welch hohen Stellenwert die heimische Natur für uns alle hat", versprach Eisenmann.

Hintergrund

Adelsheim. (joc) Der Wald, oftmals gepriesen als grüne Lunge für Städte und Gemeinden, gerät immer mehr in Atemschwierigkeiten. Schuld daran sind die veränderten Wetterverhältnisse mit lange anhaltenden Dürreperioden, mit dementsprechend fehlender Wasserzufuhr für die Bäume.

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Adelsheim. (joc) Der Wald, oftmals gepriesen als grüne Lunge für Städte und Gemeinden, gerät immer mehr in Atemschwierigkeiten. Schuld daran sind die veränderten Wetterverhältnisse mit lange anhaltenden Dürreperioden, mit dementsprechend fehlender Wasserzufuhr für die Bäume. Aufgrund der beiden zuletzt sehr trockenen Sommer mit enormer Hitzeentwicklung konnten sich die Schädlinge hervorragend vermehren. Im gleichen Zuge verminderten sich die Abwehrkräfte der wasserunterversorgten Bäume. Für den Wald ist das eine fatale Kombination. Landesforstminister Peter Hauk spricht sogar "von einer Katastrophe". Erwiesen ist schon jetzt: Das Ausmaß der Schäden im Wald ist enorm. Und davon blieb auch der ländliche Neckar-Odenwald-Kreis nicht verschont.

Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann und Landesforstminister Peter Hauk machten sich am Dienstag in der waldreichen Stadt Adelsheim ein Bild von den Waldschäden hierzulande. Für diese Waldbegehung wurde extra ein "totaler Durchschnittswald" ausgewählt, der keine besonderen Extreme aufweist, wie Forstdirektor Martin Hochstein von der Forstbetriebsleitung Adelsheim eingangs besonders herausstrich. Aber auch hier im Durchschnittswald in Adelsheim sind die Schäden frappierend, wie man sehr deutlich sehen konnte.

Die Waldbegehung führte die Gruppe mit den beiden Ministern, dem Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises, Dr. Achim Brötel, dem neuen Adelsheimer Bürgermeister Wolfram Bernhardt und den Forstfachleuten - Forstdirektor Martin Hochstein von der Forstbetriebsleitung Adelsheim, Dietmar Hellmann, Vorsitzender der AG Wald Baden-Württemberg, sowie Anna Haas - in das Distrikt "Krückerle" im insgesamt 850 Hektar großen Adelsheimer Stadtwald. In dem naturnahen Wald sind 70 Prozent Laubholz anzutreffen, vornehmlich Buche und Eiche. Beim Nadelholz hat der Anteil an Fichte in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Hier wollen die Forstfachleute in Zukunft vermehrt auf die robustere Douglasie setzen.

Beim Rundgang im Gewann "Krückerle" waren kahle Schneisen, wie etwa im Schwarzwald, zwar nicht anzutreffen, aber auch in Adelsheim hat der Klimawandel seine Spuren hinterlassen. "Wir stellen hier in Adelsheim im Schnitt vier bis fünf absterbende Buchen pro Hektar fest," so Martin Hochstein. Das bringe zwar noch keine größeren kahlen Flächen, die Schädigung sei aber schon deutlich sichtbar. Insgesamt warnte Hochstein aber vor Panikmache. In letzter Zeit habe er mehrfach in groß gedruckten Lettern die Zeile lesen müssen: "Der Wald stirbt". So schlimm sei es nicht, aber einzelne Bäume würden sterben, und der Wald befinde sich zweifelsohne im Umbruch. Darauf müssten die Forstleute reagieren.

Die Schuldigen für die große Belastung des Waldes sind schnell ausgemacht: Die Kombi aus Trockenheit, Hitze und Schädlingen lässt den Wald leiden. Gut sichtbar waren beim Waldrundgang in Adelsheim die von Schädlingen befallenen Bäume. Diverser Pilzbefall, Borkenkäfer, Eichenprozessionsspinner und Co machen Buchen und Eichen schwer zu schaffen. Ein aus Russland stammender besonders aggressiver Pilz hat der Esche im Stadtwald fast vollständig den Garaus gemacht.

Hinzu kommt die Veränderung beim Wetter. Hier ist der deutliche Anstieg der Durchschnittstemperatur in den letzten Jahren zu nennen. Die Forstfachleute verdeutlichten dies anhand einer Temperaturkarte. Diese belegt, dass wir früher eine Durchschnittstemperatur von 8,5 Grad Celsius hatten. Diese ist heute auf zehn Grad angestiegen - Tendenz weiter steigend.

Genau umgekehrt verhält es sich bei der Niederschlagsmenge. Die ging kontinuierlich zurück und fiel - bei riesigen Schwankungen - deutlich unter die bisherige Trendlinie.

"Die steigenden Temperaturen und die verringerten Niederschläge sind für den Wald eine furchtbare Kombination", analysiert Martin Hochstein die Situation.

Ein Patentrezept als Lösung habe man für diese Situation nicht, meinten Peter Hauk und Martin Hochstein, aber man habe mehrere Ideen. So wollen es die Forstfachleute mit trockensommer-resistenteren Bäumen probieren. Infrage kommen hier für unsere Region Hainbuche, Elsbeere oder Nussbaum. Und Peter Hauk meint: "Wir sollten unseren Blick auch mal über unsere nationalen Grenzen hinaus richten. Vielleicht gibt es im Kaukasus oder in den Rocky Mountains Bäume, die sich auch hier ganz gut entwickeln würden." Eines steht fest: Man wird einiges ausprobieren müssen!

Landesforstminister Peter Hauk warb in diesem Zusammenhang noch einmal für die beim "Waldgipfel" gefassten Beschlüsse. "Wir brauchen die finanziellen Mittel im Landeshaushalt, um in den kommenden Jahren 30 Millionen neue Bäume im Land zu pflanzen und somit die in vielerlei Hinsicht wichtige Einrichtung Wald zu unterstützen."

Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann betonte, dass man sich in einem Durchschnittswald, wie hier in Adelsheim, ein gutes Bild vom Zustand des Waldes machen konnte. Die Erläuterungen der Forstfachleute fand sie sehr interessant und aufschlussreich. Dies belege eindeutig, dass man sich intensiv mit dem Klimawandel und seinen Folgen befassen müsse: "Dieses spannende Thema duldet keinen Zeitaufschub! Wir müssen handeln und nehmen uns dem an. Parallel dazu wollen wir in der Bevölkerung das Bewusstsein dafür stärken, welch hohen Stellenwert die heimische Natur für uns hat."

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Hintergrund

Von Martin Oversohl

Stuttgart. Deutlicher geht es nicht. Eine "Katastrophe" erlebe der Wald, er sei im Klimastress, warnen unisono Politiker und Förster, Waldbesitzer und Naturschützer. Was tun? Welche Bäume setzen? Oder Flächen aufgeben? Verbände und Politiker haben

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Von Martin Oversohl

Stuttgart. Deutlicher geht es nicht. Eine "Katastrophe" erlebe der Wald, er sei im Klimastress, warnen unisono Politiker und Förster, Waldbesitzer und Naturschützer. Was tun? Welche Bäume setzen? Oder Flächen aufgeben? Verbände und Politiker haben beim Stuttgarter Waldgipfel einen Notfallplan des Forstministers besprochen. Das Ergebnis in etwa: häufiger reden, schneller entscheiden, mehr bezahlen.

> Die Lage: Zwei trockene Sommer in Folge und massive Schäden durch den Borkenkäfer haben Tausenden Bäumen den Rest gegeben. Landesforstminister Peter Hauk (CDU) lässt kaum eine Gelegenheit aus, um auf die Krise im Wald hinzuweisen. Drastische Schäden gebe es vor allem an Buchen, im Rheintal falle die Kiefer auf großen Flächen aus, in weiten Teilen Baden-Württembergs seien Tannen enorm beschädigt, den Fichtenbestand habe der Borkenkäfer angegriffen.

> Das Ausmaß: Hauk schätzt, dass in den kommenden Jahren allein im Land mindestens 30 Millionen Bäume gepflanzt werden müssen. Unklar ist allerdings, ob die Baumschulen überhaupt ausreichend Setzlinge anbieten können, um den Bedarf an klimaresistenten Bäumen für die kommenden Jahre zu decken.

> Das Gremium: All die, denen der Wald aus Naturschutzgründen und als Wirtschaftsfaktor wichtig sind, saßen im Landwirtschaftsministerium mit am Tisch. Neben Verbänden aus den Bereichen Wald, Erholung und Naturschutz waren Bauernverbände eingeladen, dazu Kirchenvertreter, Kommunen, die Sägeindustrie und Wissenschaftler.

> Der Plan: Hauk will Forschung und Krisenmanagement stärken, er schlägt außerdem vor, Waldbesitzer finanziell zu unterstützen und die Holzvermarktung zu erleichtern. Vorgesehen sind 200 Stellen in der Verwaltung; das Borkenkäfermonitoring wird durch Hilfskräfte verstärkt, die Bürokratie entschlackt. Zudem soll das Land bis 2024 pro Jahr 100 Forstwirte ausbilden.

> Die Forschung: Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt des Landes soll bewerten, welche Forstpflanzen sich unter bestimmten Bedingungen wie entwickeln. Um einfacher über eine Wiederbewaldung entscheiden zu können, stellen die Forscher Eignungskarten für Standorte und Arten zur Verfügung.

> Die Kosten: Hauk rechnet mit einem Volumen von jeweils 40 Millionen Euro in den Jahren 2020 und 2021, darunter 13 Millionen Euro pro Jahr für die neuen Stellen und 10 Millionen Euro für Schutzmaßnahmen zum Beispiel gegen Borkenkäfer. Bei einem Teil des Geldes handelt es sich um eine Kofinanzierung des Landes an den geforderten Notfallmitteln des Bundes. Bis Frühjahr 2020 soll auch ein "Masterplan Wald" ausgearbeitet werden - im Volumen von einer halben Milliarde Euro über zehn Jahre.

> Die Aussichten: Die Beratungen für den Doppeletat 2020/21 gehen bald in die heiße Phase. Da der Klimaschutz in der politischen Agenda weit oben steht, sind die Chancen für Hauks Plan gut. "Es gibt Zeiten, in denen man Prioritäten setzen muss", sagte er. "Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat den gestressten Wald bereits zur Chefsache erklärt. Auch aus der Fraktion gibt es am Montag Lob für die "richtungsweisenden" und "überfälligen" Maßnahmen.

> Reaktionen: Auch Naturschützer und Wissenschaftler zeigten zufrieden mit Hauks Notfallplan. "Es gab insgesamt eine große Zustimmung", sagte Nabu-Landeschef Johannes Enssle. "Die Vorschläge sind grundsätzlich sinnvoll, sie sind zwar teuer, aber notwendig." Dietmar Hellmann von der Arbeitsgemeinschaft Wald forderte eine deutliche Erhöhung des Volumens von derzeit 40 Millionen Euro. "Da sollte noch eine Null dran".

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Berlin (dpa) - Bundesagrarministerin Julia Klöckner setzt angesichts massiver Schäden durch Dürre und Schädlinge in den Wäldern auf ein übergreifendes Vorgehen bei Nothilfen.

Es gehe nicht darum, Verluste einzelner Waldbesitzer zu kompensieren, sagte die CDU-Politikerin

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Berlin (dpa) - Bundesagrarministerin Julia Klöckner setzt angesichts massiver Schäden durch Dürre und Schädlinge in den Wäldern auf ein übergreifendes Vorgehen bei Nothilfen.

Es gehe nicht darum, Verluste einzelner Waldbesitzer zu kompensieren, sagte die CDU-Politikerin nach einem Treffen mit mehreren Verbänden in Berlin. Im Sinne des Gemeinwohls müsse der Wald noch stärker an den Klimawandel angepasst werden. Dazu müsse beschädigtes Holz herausgebracht werden und eine große Wiederaufforstung folgen.

Zur Höhe staatlicher Zuschüssen äußerte sich Klöckner vorerst nicht. Sie machte deutlich, dass aus Sicht des Bundes eine Größenordnung von rund einer halben Milliarde Euro über vier Jahre realistisch sein könnte. Konkretere Festlegungen sollen für einen "Waldgipfel" von Bund und Ländern am 25. September vorbereitet werden.

Bei der Wahl geeigneter Baumarten könne man nicht pauschal vorgehen, dies müsse je nach Standort entschieden werden, erläuterte Klöckner. In Baumschulen stünden rund eine Milliarde Pflanzen bereit, die gesetzt werden könnten. Es gebe aber teils Engpässe bei Förstern. Einstellungsstopps in einigen Bundesländern seien da ein Problem.

Bundesministerium zu Verbände-Gespräch

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