Idee des Führungstrios empörte viele vor 22 Jahren
"Der Turnverein ist mein Leben". Für die Vorsitzenden Gisela Fleck und Wolfgang Grimme ist nach 22 Jahren Schluss.

Von Peter Bayer
Eberbach. "Es gab damals viel Gegenwind", erinnern sich Gisela Fleck und Wolfgang Grimme. "Das geht doch gar nicht!" oder "Dann heißt es nur ich bin nicht zuständig!" – Was vor etwas mehr als 22 Jahren einen Teil der Mitglieder des Turnvereins regelrecht empörte, war die schon fast "revolutionäre" Idee eines Führungstrios an der Spitze des größten Eberbacher Vereins als Nachfolge für den scheidenden Vorsitzenden Wolfgang Kleeberger und seinen Stellvertreter Manfred Rebscher. Es ist ein Modell, das sich in den mehr als zwei Jahrzehnten nicht nur bewährt hat, sondern in den folgenden Jahren auch von anderen Eberbacher Vereinen kopiert wurde. Wenn der Turnverein heute eine neue Vorstandschaft wählt, werden mit Fleck und Grimme die letzten beiden Mitglieder des damals gewählten Trios nicht mehr zur Wahl stehen.
Eigentlich wollte Gisela Fleck schon zwei Jahre früher Schluss machen, sagt sie. Dann wäre sie 20 Jahre an der Spitze des Turnvereins gewesen. Doch das ließ ihr Verantwortungsbewusstsein und das von Wolfgang Grimme nicht zu. Grund für die Verlängerung war das 2021 anstehende Jubiläum "175 Jahre Turnverein". "Uns war klar, da können wir nicht vorher gehen und unsere Nachfolger ins kalte Wasser schmeißen." So wurden es eben 22 Jahre – eine Schnapszahl.
Doch wie kommt man überhaupt dazu, sich als Vorsitzender des größten Eberbacher Sportvereins zur Verfügung zu stellen? Bei Wolfgang Grimme war es die Überzeugungskraft seines Schwiegervaters Karl Ginthum. "Jetzt musst Du ran", hatte er gesagt, als es um die Nachfolge Kleebergers ging. Grimme war zu dem Zeitpunkt Leiter der Volleyballabteilung, die er 1973 mitgegründet hatte. "Durch mein Sportstudium habe ich einen Einblick in sieben verschiedene Sportarten bekommen", sagt der ehemalige Mathematik- und Sportlehrer.
1963 von Karlsruhe nach Eberbach gekommen, war er zuerst in der Leichtathletik aktiv. Schlüsselerlebnis für seine Begeisterung für den Volleyballsport war der Besuch der Olympiade 1972 in München, wonach die bis dato Randsportart einen Aufschwung erlebte. "Da möchte ich einsteigen", stand für ihn schnell fest und so gründete er nur ein Jahr später die Volleyballabteilung im Turnverein. Dazu war ein Abteilungsleiter nötig – er sagte nicht nein, sondern "ja".
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Zu der Zeit war Gisela Fleck schon lange Mitglied im Turnverein. "Als ich fünf Jahre alt war, hat mir meine Physiotherapeutin geraten, mich wegen meiner zwei schiefen Hüften beim Turnverein anzumelden", erinnert sie sich. Sie tat es und übernahm schon bald als Helferin und später als Übungsleiterin Verantwortung. Nachdem sie zunächst als 16-Jährige Hans Rutz bei den 13 und 14 Jahre alten Mädchen half, riet ihr ein Jahr später Abteilungsleiterin Heide Grimme "versuch’s mal mit Kleineren". Von 1970 bis 2009 leitete sie das Kleinkinderturnen, bis sie es wegen ihres Einstiegs in den Beruf aufgab. "Zweite Vorsitzende hätte ich mir damals zugetraut, erste nicht", sagt sie. Doch nach mehreren Gesprächen willigte sie ein, Teil des neuen Vorstandsmodells zu werden.
Bei den Vorgeschichten war die Aufgabenverteilung im Führungstrio – damals noch mit dem früheren Turnwart Janek Lange und aktuell mit Andreas Kohler – schnell klar. "Ich war nie der Verwalter, mir lag der aktive Sportbereich viel mehr", sagt Wolfgang Grimme. Bei Gisela Fleck war es allgemein das Kinderturnen. "Bei der Gestaltung von Präsenten haben Frauen das bessere Händchen", spielt Grimme den Ball an seine Kollegin weiter. So übernahm diese auch den organisatorischen Part, etwa bei Besuchen der Altersjubilare oder bei Mitarbeiterausflügen. "Die Kommunikation mit den Mitgliedern lag und liegt mir am Herzen", sagt sie.
Bei den Versammlungen teilten sich die gleichberechtigten Vorsitzenden entsprechend auch die Ansprachen und Reden. Was für den früheren Lehrer Wolfgang Grimme kein Problem war, stellte Gisela Fleck immer wieder vor große Herausforderungen. "Ich konnte schon immer gut Texte schreiben, aber sie vortragen und vor Leuten stehen, da war ich immer wahnsinnig aufgeregt", gesteht sie. "Ohne Konzept hätte ich mich nie vor eine Menge stellen können."
Damit sie – für sie eine schreckliche Vorstellung – nicht im Text hängen bleibt und den Faden verliert, hatte sie ihren Text immer möglichst groß geschrieben. "Ich war froh, dass zunächst Janek und später Wolfgang die Turnratsitzungen geleitet haben. Da habe ich mich immer schwer getan, etwas auszumachen oder zu sprechen."
Im Lauf der Jahre hat sich dies allerdings gebessert. Vor allem seit sie die Leitung der Geschäftsstelle übernommen hatte. "Durch die Gespräche bin ich sicherer geworden", sagt sie. Wie sicher, davon können sich die Mitglieder heute Abend selbst überzeugen. Ganz ohne eine etwas schwächere Stelle geht es auch bei Wolfgang Grimme nicht. "Die digitale Welt ist nicht so meins, ich sitze meinem Gesprächspartner lieber gegenüber, als Mails zu schicken", gibt er zu.
Bei der langen Zeit im Verein bleibt es nicht aus, dass es jede Menge schöner Erlebnisse gab. Für Grimme war es der kontinuierliche Aufstieg der Volleyballherren von der untersten Liga bis in die zweite Bundesliga 1986. Und natürlich die Turn- und Sportschau, die in der Zeit des Trios ins Leben gerufen wurde. "Es war ein super Gefühl hinterher, wenn du den Leuten etwas Schönes gegeben hast", pflichtet Fleck ihm bei. Ihr Highlight war, als die Kinder zu ihrem 50. Geburtstag ins Turnerheim kamen und gratulierten.
Auch wenn sie nach den Wahlen bei der Mitgliederversammlung heute Abend nicht mehr an vorderster Front stehen werden, bleiben sie "ihrem" Verein erhalten. "Der Turnverein, das ist mein ganzes Leben", sagt Gisela Fleck. Dabei denkt sie an die vielen Freundschaften, die wunderbaren Gespräche und Erlebnisse. Aber auch an die besten beruflichen Jahre – zunächst bei Manfred Rebscher, danach als Leiterin der Geschäftsstelle. Letztere will sie vorerst weiter leiten. Auch Wolfgang Grimme wird dabei bleiben, "in welcher Funktion auch immer".
Nach 22 Jahren steht für beide eines fest: "Das Trio ist der sinnvollste Weg, er hat sich bewährt". Dass dieser Weg in Eberbachs größtem Verein so weitergeht, dafür gab es im Vorfeld der heutigen Versammlung viele Gespräche mit den potenziellen Nachfolgern.
Info: Mitgliederversammlung Dienstag 19 Uhr im Turnerheim (Jahnplatz 2).