Straßentauben in Eberbach

Vorurteile statt Vögel ausrotten

Tierschützer starten Kampagne - Ruf nach einem Taubenhaus

04.05.2018 UPDATE: 05.05.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 38 Sekunden

Kämpfen für ein besseres Leben für Straßentauben in Eberbach: Claudia Henn (r.) und Susanne Noll vom Tierschutzverein. Für ein Taubenhaus-Projekt suchen sie jetzt Mitstreiter.

Von Jutta Biener-Drews

Eberbach. Straßentauben? Für die Tierschützerinnen Claudia Henn und Susanne Noll ist das ein furchtbar trauriges Kapitel. Wie wir Menschen mit diesen friedlichen, intelligenten Vögeln umgehen, wie wir sie einerseits als Ungeziefer und Fassadenkiller meinen ausrotten zu müssen, sie andererseits aber zum Einmalgebrauch als niedliche "Hochzeitstauben" heranzüchten; wie wir ihnen auf für sie extrem leidvolle Weise und für jeden sichtbar ihre Lebensgrundlage entziehen: Für die zwei Frauen ist das nichts anderes als Tierquälerei. Ein Zustand, den man so nicht lassen darf - und schon gar nicht vor der eigenen Haustür.

Mit seiner Auffassung steht der Eberbacher Tierschutzverein freilich nicht alleine da. Der Deutsche Tierschutzbund wendet sich aktuell mit einer Taubenschutz-Kampagne auch an die Gemeinden mit dem Ziel, jene Vorurteile, die für das schlechte Image der Stadttaube verantwortlich sind, als solche zu entkräften und "auf ein friedliches Zusammenleben zwischen Stadttaube und Menschen" hinzuwirken. Möglich sei das durchaus - auch in Eberbach, sind sich Claudia Henn und Susanne Noll sicher, und sagen auch wie: "Wir brauchen ein Taubenhaus!". Dass sich Bürgermeister Peter Reichert diesbezüglich schon gesprächsbereit gezeigt hat, werten sie dabei als günstiges Vorzeichen.

Was den Stadtmenschen dazu verleitet, Tauben, die eigentlich Nachkommen zahmer Haustiere sind, als eine Art Unwesen zu begreifen? Das meiste davon lasse sich als "blanker Unsinn" entlarven, argumentieren Tierschützer. Von wegen: Tauben fressen im wahrsten Sinne des Wortes den letzten Dreck, übertragen Krankheiten ("Ratten der Lüfte"), vermehren sich bei entsprechendem Nahrungsangebot unkontrolliert und besudeln mit ihrem ätzenden Kot Plätze und Gebäude. Richtig - und inzwischen hinlänglich erforscht - sei vielmehr dies: Tauben sind eigentlich Körnerfresser. Weil sie in unseren Innenstädten aber nicht genug Nahrung finden, fressen sie alles: von Dönerresten über schimmliges Brot und Kuchenkrümel bis zu Müll aller Art.

Das macht sich dann auch bei den Ausscheidungen bemerkbar. Normalerweise ist Taubenkot fest und dunkel, bei nicht artgerechter Ernährung wird er weiß, flüssig und besonders ätzend, "Hungerkot" nennen das die Fachleute. Und der verkleckert und verschandelt auch unsere Städte. Als Krankheitsüberträger ist die Taube erwiesenermaßen nicht gefährlicher, als all unsere anderen Nutz- oder Liebhabertiere; sich mit einem Pilz zu infizieren ist einem Experten zufolge etwa beim Berühren eines Blumentopfs wesentlich größer. Auch das vermehrte Brüten der Vögel bei höherem Futterangebot wird als Mär entlarvt.

"Tauben sind als ehemalige Haustiere darauf angewiesen, von Menschen gefüttert zu werden", machen die Eberbacher Tierschützerinnen klar: "die Natur kann das nicht richten!" Und wer ihr Futterangebot gezielt verknappt und sie überall vertreibt, "lasse sie elend verhungern." Bei Henn und Noll landen immer wieder entkräftete, verletzte, verstümmelte und halb verhungerte Tauben, "was wir schon für Elend gesehen haben! Im Sommer werden wir jeden zweiten Tag wegen Tauben angerufen."

Andere Städte haben es erfolgreich vorgemacht: Ein Taubenhaus, wo man den standorttreuen Vögeln eine feste Bleibe und artgerechtes Futter bieten, wo man durch Austausch der echten durch Gipseier den Bestand kontrollieren könnte, ist auch das, was der TSV Eberbach sich zum Ziel gesetzt hat. Durch ein gleichzeitig verhängtes Fütterungsverbot in der Innenstadt würden die "Tauben dadurch komplett aus dem Stadtbild verschwinden", sind sich Henn und Noll sicher. Dafür bräuchte man allerdings ein geeignetes Grundstück - und ehrenamtliche Helfer, die den Taubenschlag betreuen. "Mit dem Personal des TSV können wir das nicht leisten", sagt Vorsitzende Claudia Henn.

Der Neckarlauer, im Gespräch mit dem Bürgermeister vor Jahren schon als möglicher Taubenhaus-Standort aufgetaucht, schied aus Hochwassergründen gleich wieder aus. Das Gespräch fand statt, als das Taubenproblem am Bahnhof gerade hochkochte. Inzwischen ist nach Einschätzung von Stadt und TSV von einer konstanten Taubenpopulation am Ort auszugehen. Unter Handlungsdruck sieht sich die Stadt momentan also nicht, sie sei aber bereit, dem TSV bei seiner Schutzkampagne entgegenzukommen: "Wir sind offen für alles, was Wirkung zeigt und verlassen uns gerne auf den vorhandenen Sachverstand", sagt Peter Reichert. Dass der Tierschutzverein bei der Gelegenheit auch ein Verbot von "aus unseriösen Züchtungen" stammenden weißen Jungtauben bei standesamtlichen Trauungen anstoßen möchte, auch dies lasse sich überlegen.

Info: Vorschläge und Hilfsangebote für das Taubenhausprojekt unter Telefon 06271 / 77345, Mail: tierschutz1913@aol.com

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