Schafe von Wolf gerissen

Der Wolf ist 150 Jahre nach seiner Ausrottung in die Region zurückgekehrt

In Unterkessach wurden erstmals im Land wieder Schafe von Wolf gerissen - Experten: Gesunde Wölfe keine Gefahr für Menschen

23.10.2017 UPDATE: 23.10.2017 17:20 Uhr 2 Minuten, 29 Sekunden

Die Zahl der Wölfe ist in Deutschland in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Jetzt scheint das seit dem 19. Jahrhundert ausgerottete Raubtier wieder in die Region zurückgekehrt zu sein. Foto: Rüdiger Busch

Neckar-Odenwald-Kreis. (bg/joc) Der Wolf ist in die Region zurückgekehrt: Seit dem 19. Jahrhundert war das größte Raubtier aus der Familie der Hunde in unseren Breiten ausgerottet; seit gestern steht fest, dass es ein Wolf war, der Anfang Oktober in Unterkessach mehrere Lämmer gerissen hat. Dies hat eine Untersuchung des Senckenberg-Instituts für Wildtiergenetik ergeben. Zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrhundert sind damit auf dem Gebiet des heutigen Baden-Württemberg wieder Schafe einem Wolf zum Opfer gefallen.

Seit geraumer Zeit wächst insbesondere bei Schafhaltern die Angst vor Wölfen, deren Zahl in Deutschland in den vergangenen Jahren stetig gestiegen ist, nachdem sie seit der zweiten Hälfe des 19. Jahrhunderts in freier Wildbahn ausgerottet waren. Der bisher letzte Wolf in Württemberg ist vermutlich 1865 bei Neudenau gesichtet worden, der letzte Wolf im Odenwald soll im Jahre 1866 bei Eberbach getötet worden sein.

Inzwischen ist der Wolf in die Region zurückgekehrt und zumindest bis an die Grenzen des Neckar-Odenwald-Kreises vorgedrungen: Nachdem am 3. September ein Tier in der Nähe von Wald-Michelbach im Odenwald einem Fotografen vor die Linse gelaufen war, hat am 7. Oktober ein Blutbad unter Schafen bei Unterkessach schnell ahnen lassen, dass dafür weder Fuchs noch Luchs verantwortlich sind, sondern entweder Hunde - oder eben das größte Raubtier aus der Familie der Hunde.

Der Verdacht des Landesschafzuchtverbandes hat sich bestätigt: Wie gestern mitgeteilt wurde, kam eine vom Senckenberg-Instituts für Wildtiergenetik im hessischen Gelnhausen durchgeführte Untersuchung zweifelsfrei zu dem Ergebnis, dass ein Wolf die drei Tiere in Unterkessach gerissen hat. Woher der Wolf kam, versuchen die Wissenschaftler nach Angaben des Umweltministeriums mit weiteren Analysen herauszufinden.

Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) hat derweil an Nutztierhalter appelliert, nicht in Panik zu verfallen. Er habe zwar Verständnis für Besorgnis; dass es jetzt erstmals einen nachgewiesenen Wolfsriss gegeben hat, sei sicher kein Ereignis, das zur Beruhigung beitrage. Wichtig sei, die Nutztiere so gut wie möglich zu schützen. Elektrozäune sind demnach ein sicheres Mittel, um Wölfe von Schafherden fernzuhalten. Im vorliegenden Fall hätten Wassergräben die Herde umgeben. Geschädigte Schafhalter werden aus dem Ausgleichsfonds Wolf entschädigt, wenn nachgewiesen ist, dass ein Wolf die Schafe gerissen hat.

Nach Angaben von Experten geht von gesunden Wölfen in der Regel keine Gefahr für Menschen aus, die Tiere reagierten auf Menschen mit äußerster Vorsicht und nicht aggressiv. In Europa oder Nordamerika sei das Risiko, von einem Wolf angegriffen zu werden, sehr gering. Hundehaltern wird allerdings empfohlen, beim Spaziergang in der Natur ihren Vierbeiner anzuleinen, da Wölfe und Hunde einander als Konkurrenten wahrnehmen und es daher bei einer Begegnung zu Kämpfen kommen könnte.

Der Wolf spielt in Mythologien, Sagen und Märchen eine zentrale Rolle, die Angst vor dem "bösen Wolf" ist uralt. Mittlerweile polarisiert der Wolf, nachdem das einst vertriebene und ausgerottete Tier in einigen Regionen längst wieder heimisch geworden ist: Einerseits sehen Naturfreunde in ihm eine höchst schützenswerte Art, andererseits sind auch Klagen der Schäfer und Weidehalter berechtigt, die ihre Tiere bedroht sehen. "Der Wolf stellt für Schafe, aber auch für Ziegen und andere Weidetiere eine Bedrohung dar", erklärt die Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände. Der Wolf dürfe kommen, das dürfe aber nicht zur einseitigen Belastung der Weidetierhalter führen. Der Naturschutzbund Deutschland und weitere Verbände wie auch Umweltpolitiker sind überzeugt: Koexistenz von Wolf und Weidehaltung ist möglich.

Wie das Landratsamt des Neckar-Odenwald-Kreises gestern auf Anfrage der RNZ mitteilte, sind das Land und damit auch der Kreis mit einem klaren Melde- und Arbeitskonzept "gut auf den Wolf vorbereitet". Demnach gibt es inzwischen in allen Landkreisen ein flächendeckendes Netz von sogenannten "geschulten Personen", die als erste autorisierte Ansprechpartner vor Ort zur Verfügung stehen. Im Neckar-Odenwald-Kreis werden diese Aufgaben von den Wildtierbeauftragten Thilo Sigmund, Forstrevierleiter, und Tobias Kuhlmann, Sachbearbeiter bei der Jagdbehörde, wahrgenommen, die beratend tätig sind.

Info: Zu erreichen ist Tobias Kuhlmann unter der 06261/84 17 35 und per E-Mail an tobias.kuhlmann@neckar-odenwald-kreis.de, Thilo Sigmund ist unter der 06284/92 92 37 und per Mail an thilo.sigmund@neckar-odenwald-kreis.de erreichbar.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.