Saatgutfirma aus Guggenberg

Wenn die Felder in pittoresken Farben blühen

Saaten-Zeller lässt Wildpflanzen vermehren - Viele ökologische Vorteile

12.07.2018 UPDATE: 13.07.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 34 Sekunden

Auf solch farbenprächtigen Flächen - wie hier auf dem Feld mit Heide-Nelken zwischen Bretzingen und Hardheim - lässt der Saatgutspezialist Saaten-Zeller aus Guggenberg Wildpflanzen zur Erhaltung der natürlichen Vielfalt in der Region anbauen. Foto: Andreas Hanel

Bretzingen/Guggenberg. (ahn) Felder, die in auffälligen Violetttönen oder anderen ungewöhnlichen Farben erblühen - dieses Phänomen hat schon letztes Jahr in Hardheim und Umgebung bei unseren Lesern Ver- und Bewunderung hervorgerufen. Es handelt sich hierbei um Pflanzenarten wie die Kuckucks-Lichtnelke oder die Pfirsichblättrige Glockenblume. Doch was genau steckt hinter der pittoresken Blütenpracht?

Verantwortlich dafür ist die Firma Saaten-Zeller aus Guggenberg, die nach dem Leitgedanken "aus der Region für die Region" auf den Feldern regionales Saatgut zur Vermehrung anbauen lässt. Dieses wird dann anschließend erneut in seiner Ursprungsregion für die Aussaat in der Landwirtschaft, den Straßenbau oder den Naturschutz verkauft.

Ökologisch gesehen ist das Ziel dabei, durch den Anbau der regionalen Pflanzenarten die natürlich gewachsene biologische Vielfalt zu wahren. Wir haben bei einem Besuch hinter die Kulissen des Saatgutspezialisten geschaut.

Auch die Pfirsichblättrige Glockenblumen, die sich in einem lilafarbenen Band durch die grüne Landschaft ziehen, gehören zu den Pflanzen, die als regionales Saatgut vermehrt werden. Foto: Hanel

"Sie ist zwar gut versichert, aber es wäre schade, wenn sie abbrennen würde", meint Stefan Zeller, Geschäftsführer bei Saaten-Zeller. Wir stehen bei unserem Firmenrundgang in der "Schatzkammer", nämlich in der Saatgut-Lagerhalle.

Die sei mit den kühlen Temperaturen im Sommer ein begehrter Arbeitsplatz, erzählt er lachend. Im Lager befinden sich sämtliche Samen, die im Laufe der Zeit gesammelt wurden.

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Das Aufsammeln des Saatguts ist einer der ersten Schritte in dem bis zu fünf Jahre andauernden Prozess, bis das Saatgut im Vertrieb verkauft werden kann. Bei der von Hand erfolgenden Aufsammlung wird darauf geachtet, dass möglichst die gesamte genetische Bandbreite der jeweiligen Ursprungsregion abgedeckt wird. Anschließend gelangt das Saatgut zur Nachreife und Trocknung in die Firmenzentrale in Guggenberg, wo es auch gereinigt und gewogen wird.

Dann kommt es in der Regel zu einem Gärtner, der aus dem Saatgut Einzelpflanzen anzieht. Mit diesen werden Mutterpflanzenkulturen in den Ursprungsregionen angelegt. Aus deren Saatgut werden dann schließlich größere Kulturen angelegt, die marktfähige Mengen an Saatgut abwerfen.

Diese größeren Kulturen werden auf eben den Feldern angelegt, die so auffällig farbenprächtig blühen. "Wir haben selbst hier ungefähr 80 Hektar Anbaufläche, außerdem haben wir Verträge mit Landwirten aus der Umgebung. Alleine in der Region Miltenberg, Walldürn und Wertheim haben wir derzeit rund 200 Hektar in Bewirtschaftung, teils auf eigenen Anbauflächen, aber auch über regionale Vertragsvermehrer", berichtet Stefan Zeller.

Foto: Hanel

Inzwischen sind wir an solch einem farbenfrohen Feld für die Vermehrung angelangt. Ein wahrhaftig schöner Anblick, doch eigentlich steht der ökologische Mehrwert für die Region im Vordergrund. Das Saatgut regionaler Wildpflanzen wird innerhalb seines Ursprungsgebiets gewonnen und dort sowohl vermehrt als auch schließlich wieder ausgebracht - und das ohne züchterische Veränderungen.

Der Vorteil dabei ist, dass so die natürlich gewachsene Biodiversität der Wildpflanzen erhalten bleibt. Weil die Pflanzen sich im Laufe der Zeit an die regionalen Gegebenheiten anpassen, sind Saatmischungen aus der Region den ortsfremden überlegen, was auch wissenschaftliche Studien belegen.

Wissenschaft ist bei der Saatgutfirma, die insgesamt über drei eigene Vermehrungsbetriebe in ganz Deutschland verfügt, ein wichtiger Bestandteil. Fünf wissenschaftliche Mitarbeiter sind im Einsatz, welche die 22 Pflanzen-Herkunftsgebiete, in die Deutschland nach wissenschaftlichen Kriterien aufgeteilt ist, betreuen.

Die Firma selbst hat bereits seit über 100 Jahren Bestand, wie der Geschäftsführer informiert: "Das Unternehmen befindet sich schon in der fünften Generation in unserer Familie. 1903 haben wir mit der Saatgutproduktion angefangen. Seit 1985 haben wir uns auf die Kräutervermehrung und auf Wildblumen spezialisiert."

Ziel ist, bis 2020 den Markt flächendeckend mit gebietsheimischen Wildpflanzensaatgut zu versorgen. Damit erfüllt man nicht nur gesetzliche Vorgaben, sondern legt auch die Grundlage, dass regionale Wildpflanzen in der freien Landschaft immer mehr verbreitet werden, was auch gut für die Tierwelt ist: Durch die Blütenvielfalt wird die Lebensgrundlage von Insekten, wie zum Beispiel Wildbienen oder Schmetterlingen, verbessert.

Saaten-Zeller vertreibt außerdem auch mehrjährige Wildpflanzenmischungen, die für den Anbau von Biomasse eine echte und vor allem ökologisch sinnvollere Alternative zum Maisanbau darstellen. Dies müsste viel mehr forciert werden, meint Stefan Zeller. "Für uns ist es unerklärlich, warum die Politik bei der Bioenergie aus Wildpflanzen so schleppend ist."

Nichtsdestotrotz können die farbenprächtigen Wildpflanzenfelder aufgrund all ihrer vielen Vorteile im Sinne des Altbundeskanzlers Helmut Kohl durchaus als "blühende Landschaften" bezeichnet werden.

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