Rückkehr zum Präsenzunterricht

Stimmung der Eltern durch Diskussion im Wahlkampf von Unsicherheit geprägt

Schulleiter im Gespräch: Der parallele Präsenz- und Fernunterricht ist eine große Herausforderung – Kritik am Wahlkampf-Streit der Landesregierung

11.03.2021 UPDATE: 12.03.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 44 Sekunden
Ab Montag startet der Präsenzunterricht für Fünft- und Sechstklässler, Grundschüler sind schon seit dieser Woche wieder in den Klassenzimmern. Schulleiter müssen sich nicht nur um einen größtmöglichen Abstand zwischen den Tischen kümmern, es gibt noch ganz andere „Herkulesaufgaben“. Archivfoto: Heiko Schattauer

Von Caspar Oesterreich

Mosbach/Obrigheim. Zwei Tage noch, dann wird in Baden-Württemberg der neue Landtag gewählt. Neben der Mannheimer Maskenaffäre bestimmte im Endspurt vor allem ein Thema den Wahlkampf von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und seiner Herausforderin Kultusministerin Susanne Eisenmann: die Rückkehr zum Präsenzunterricht ab kommenden Montag.

Während Maskenpflicht und AHA-Regeln bei Grundschülern nicht gelten, wurde heftig in der grün-schwarzen Landesregierung gestritten, ob die Fünft- und Sechstklässler den coronabedingten Abstand von eineinhalb Metern einhalten müssen. Eisenmann sagte nein, Kretschmann sah ihn dagegen als Voraussetzung für Schulöffnungen. Am Donnerstagnachmittag setzte sich die Kultusministerin durch. Falls möglich solle der Mindestabstand aber eingehalten werden, erklärte sie.

Die Stimmung unter den Eltern sei durch die Diskussion von Unsicherheit geprägt, erklärt Tanja Bayer. "Viele freuen sich, dass ihre Kinder endlich wieder die Möglichkeit zu Präsenzunterricht haben, ihre Klassenkameraden und Lehrer persönlich treffen können", berichtet die Mosbacher Gesamtelternvertreterin. "Andererseits machen sich die Eltern vor dem Hintergrund einer erneut steigenden Inzidenz und der hohen Verbreitung der Virusmutation auch Sorgen."

Thomas Pauer, Schulleiter am Auguste-Pattberg-Gymnasium (APG) in Neckarelz, rechnet dennoch fest damit, "dass der überwiegende Teil der Eltern ihre Kinder zur Schule schicken wird". Pflicht sei das allerdings nicht, Fernunterricht weiterhin eine Option. Um die Gefahr einer Infektion mit dem Coronavirus aber so klein wie möglich zu halten, würden die Schülergruppen in Präsenz am APG "auf die verschiedenen Stockwerke verteilt", sagt Pauer. Im Vergleich zur Situation bis Mitte Dezember, als die Inzidenz weit höher war und trotzdem alle Klassenstufen noch zur Schule kommen durften, sei das Risiko einer Ansteckung "sowieso viel geringer".

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Andrea Stojan, Leiterin der Gemeinschaftsschule Obrigheim und Jochen Herkert, Rektor am Nicolaus-Kistner-Gymnasium in Mosbach, sehen das ähnlich. "Wir werden die zwei Klassenstufen so aufteilen, dass der Abstand von 1,5 Metern trotzdem gewährleistet ist", verspricht Herkert. "Die Sicherheit hat oberste Priorität", sagt auch Stojan.

Marianne Soult, Leiterin der Waldstadt-Grundschule, erklärt, dass man zwar den Abstand im Unterricht nicht einhalten könne, in den Pausen den Kindern aber wechselnde Gebiete auf dem Schulhof zuweise, um den Kontakt außerhalb der Klassengemeinschaft einzuschränken.

Die Möglichkeit von kostenlosen Schnelltests zweimal pro Woche für Lehrer und Schüler finden alle vier Schulleiter gut. Während sich die Pädagogen der beiden Mosbacher Gymnasien allerdings nur beim Hausarzt, Apotheken oder kommunalen Anlaufstellen testen lassen können, passiert das in der Gemeinschafts- wie Grundschule direkt vor Ort. "Jeden Dienstag und Freitag kommt jemand von einer Praxis vorbei und die Lehrer können sich untersuchen lassen", berichtet Stojan. "Bei uns hat sich eine Kollegin vom DRK schulen lassen und kann uns jetzt testen", erzählt Soult.

Ein solches Angebot auch den Schülern zu machen, halten die Schulleiter für nicht umsetzbar: aus Zeitgründen, dem bürokratischen Aufwand – schließlich bräuchte es für jedes Kind die schriftliche Zustimmung der Eltern –, sowie aufgrund der Verantwortung, falls ein Test doch ein falsches Ergebnis liefern sollte. Mindestens bis zu den Osterferien (beginnend am 1. April) sollen sich laut Landesregierung die Eltern selbst darum kümmern, ihre Kinder regelmäßig auf Corona zu testen.

Erst nach den Ferien soll es in allen Städten und Gemeinden kommunale Angebote – ob an Schulen oder in der Nähe – geben.

Gesamtelternvertreterin Tanja Bayer vermutet, "dass viele Eltern dafür überhaupt nicht die Zeit haben". In der Theorie sei die Teststrategie gut, in der Praxis allerdings mit Vorsicht zu genießen. "Weil ein negatives Ergebnis immer nur eine Momentaufnahme ist und gerade bei geringer Viruslast Infektionen auch übersehen werden können", macht Bayer deutlich. Für sie ist der Streit in der Landesregierung "nichts weiter als lauter, aufgeblasener Wahlkampf". Dabei gebe es viel wichtigere Dinge, um die man sich kümmern müsste. "Vor allem in der Grundschule herrscht Lehrermangel und überall im Land kommt die Digitalisierung nur viel zu langsam voran – um nur zwei Beispiele zu nennen", so die Gesamtelternvertreterin.

Thomas Pauer gibt ihr recht. Aufgrund der mangelhaften digitalen Infrastruktur stelle der parallele Präsenz- und Fernunterricht (ältere Schüler dürfen noch nicht zurück zur Schule) die Lehrkräfte vor große Herausforderungen: "Zwei Stunden in der Schule, dann nach Hause für den Onlineunterricht und später wieder zurück ins Klassenzimmer."

Auch für Jochen Herkert eine "Herkulesaufgabe". Denn für digitalen Unterricht habe man nur "sehr eingeschränkte" Kapazitäten in der Schule, so Pauer. Bis zugesagte Fördermittel auch investiert seien, dauere es noch bis 2024, vermutet er.

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