Region Mosbach

Weniger Bürokratie, mehr Vertrauen

Handwerkskammer-Präsident Klaus Hofmann spricht im RNZ-Interview über die Herausforderungen, Chancen und Aussichten.

23.08.2023 UPDATE: 23.08.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 12 Sekunden
Fachkräfte sind in Handwerksbetrieben immer gesucht. Symbolfoto: Spitzer
Interview
Interview
Klaus Hofmann, Präsident der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald

Von Heiko Schattauer

Region Mosbach. Es hat ja bekanntlich goldenen Boden, das Handwerk. Mitunter hat es aber auch ein paar Probleme, etwa den Fachkräftemangel und Nachwuchssorgen oder aber die Lieferengpässe oder Materialverteuerung. Auf der anderen Seite ist die Auftragslage bei vielen Handwerksbetrieben richtig gut.

Wie schätzt man die Lage und die Zukunft bei der Handwerkskammer ein? Die RNZ hat das Gespräch mit dem Mosbacher Präsident der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald, Klaus Hofmann, gesucht – und den erwartet profunden Gesprächspartner gefunden.

Jetzt bewerben – das ist das Erste, was man liest, wenn man auf die Webseite der Handwerkskammer geht. Dabei geht es zwar um den Existenzgründerwettbewerb, aber dennoch: Betriebe suchen landauf, landab nach Nachwuchs, nach Fachkräften. Ganz ehrlich: Wie kritisch ist die Lage?

Je nach Handwerk unterschiedlich, es gibt Betriebe, die finden noch sehr viele junge Leute, die eine handwerkliche Ausbildung machen möchten. Es gibt aber, und da muss man ganz ehrlich sein, auch Betriebe, die maximal nur noch ein bis zwei Bewerbungen oder gar keine Bewerbungen mehr erhalten. Insgesamt ist es im Handwerk so wie in anderen Branchen auch, es fehlen die Arbeitskräfte und somit auch die zukünftigen Fachkräfte.

Auch interessant
Dramatischer Fachkräftemangel: Ein Drittel der Elektriker könnte in wenigen Jahren aufgeben
Statistik: Trotz Fachkräftemangels hält die Ausbildungsflaute an
Eschelbronn: Schreiner sorgt sich wegen Fachkräftemangel ums Handwerk

Werden bei all dem (begründbaren) Wehklagen manchmal die Positivbeispiele vergessen? Die gibt es doch, oder?

Selbstverständlich gibt es Positivbeispiele. Das Handwerk war immer kreativ, auch beim Rekrutieren des Nachwuchses. Aber es ist wie so oft im Leben: Über die positiven Dinge wird weniger berichtet und gesprochen als über die negativen. Ich bin mir sicher, dass das Handwerk, wenn auch mit anderen Mitteln und Bedingungen, auch künftig Nachwuchs ausbilden und damit Fachkräfte generieren wird.

Was kann die Handwerkskammer denn tun, um ihren Betrieben und der Branche zu helfen?

Wir bieten vielfältige Unterstützungen für unsere Betriebe an. Unsere Kampagne "Das isses!" beispielsweise verwendet Informationen für alle, die an der Ausbildung beteiligt sind. So haben alle Betriebe die Möglichkeit, beispielsweise über Testimonials, ihre Auszubildenden dort zu präsentieren, um auf die Ausbildungsberufe aufmerksam zu machen. Wir haben Ausbildungsbotschafter, also junge Leute, die die Sprache sprechen von den Jugendlichen, die wir für das Handwerk begeistern wollen. Selbstverständlich sind wir auch an allen bekannten Ausbildungsmessen und -börsen beteiligt und können so auch vor Ort die Eltern und die jungen Menschen auf die vielfältigen Möglichkeiten des Handwerks aufmerksam machen.

Und zeigen diese Bemühungen denn messbare Wirkung?

Ja, wir haben erste Erfolge nach den Corona-Jahren 2020/21, in denen wir uns gefragt haben, wo die ganzen Jugendlichen denn geblieben sind. Mittlerweile gibt es auch eine wachsende Anzahl an Abiturienten sowie jungen Menschen, die ein Studium beendet haben oder aber ein Studium vorzeitig beenden mussten, die sich für einen handwerklichen Beruf entscheiden und feststellen, dass sie am Abend ein greifbares Ergebnis haben statt einer nüchternen Exceltabelle.

Die Handwerkskammer betreut ja ein sehr großes Gebiet, in dem sich Metropolen ebenso finden wie ländlich geprägte Räume. Sind die Bedürfnisse und Probleme da nicht höchst unterschiedlich?

Die Nachfrage nach handwerklichem Nachwuchs ist sowohl im ländlichen Raum als auch in den Metropolen gleich, wenn auch in unterschiedlichen Dimensionen. Das Angebot von Ausbildungsplätzen ist natürlich in größeren Ballungszentren ein anderes als in einer kleinen Kommune. Dennoch sind die Bedürfnisse sowohl der Betriebe als auch der Jugendlichen gleich.

Sie führen ja selbst erfolgreich eine Bau- und Möbelschreinerei in Diedesheim. Wie ist in Ihrem Betrieb die Personalsituation und -planung?

Unser Mitarbeiterstamm hält sich seit Jahren stabil. Wir arbeiten oft auch an der Kapazitätsgrenze und würden gerne noch weitere Fachkräfte einstellen. Um dieser Situation entgegenzuwirken, bilden wir ständig junge Menschen in unserem Betrieb selbst aus. So wirken wir in unserem Betrieb dem Fachkräftemangel entgegen und bieten gleichzeitig unseren Auszubildenden auch recht früh eine Zukunftschance.

Und was berichten die Handwerkskollegen aus der näheren Umgebung? Wie ist die Lage bei denen?

Denen geht es ähnlich wie uns. Die Nachfrage an handwerklicher Leistung ist groß. Die Arbeits- bzw. Fachkräfte jedoch fehlen. Ob es im Nahrungsmittel-Gesundheitshandwerk oder in den Handwerken ist, die bei der Umsetzung der Klimaziele beteiligt sind.

Sie sagten es ja bereits: Die Nachfrage an handwerklicher Leistung ist groß. Handwerkertermine zu bekommen ist dementsprechend mitunter auch eine echte Herausforderung …

Man kann die Aussage nicht pauschalieren. Je nach Gewerk ist die Situation unterschiedlich: Ob es im Hochbau der Einbruch durch die geringe Bautätigkeit ist oder im Heizungsbereich die Nachfrage an Heizsystemen – um zwei Beispiele zu nennen. Immer noch haben viele Betriebe mit Materialknappheit, hohen Energiekosten und mit einem hohen Krankheitsstand der Mitarbeiter zu kämpfen.

Zusammenfassend, und um im Branchen-Bild zu bleiben: Wo sieht der Praktiker und Präsident in Personalunion die (weiteren) dicken Bretter, die aktuell beziehungsweise zeitnah zu bohren sind?

Die Handwerksbetriebe benötigen Planungssicherheit, was die Unternehmensführung angeht. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, beispielsweise durch Inflation, hohe Energiekosten und Zinsen, machen uns das unternehmerische Handeln genauso schwer wie in vielen anderen Wirtschaftsbereichen. Weniger Bürokratie und Regulatorik und dafür mehr Vertrauen in das Handeln vieler innovativer Unternehmen wäre ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Ich bin mir aber auch sicher, dass wir im Handwerk die Herausforderungen buchstäblich meistern werden und wir viele Grundbedürfnisse unserer Gesellschaft weiterhin abdecken.

Dieser Artikel wurde geschrieben von:
(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.