Parken fürs Radfahren verbieten?
"Ausruhen geht nicht": Es gab rege Diskussionen bei der Infoveranstaltung zum Radverkehrskonzept der Stadt.

Mosbach. (sun) Wo ist die optimale Trasse für einen Radweg in die Waldstadt? Kann die Pfalzgraf-Otto-Straße zur Fahrradstraße werden? Diese und andere Fragen waren Thema einer Informationsveranstaltung am Samstagvormittag. Hintergrund ist das Radverkehrskonzept für die Stadt Mosbach, das aktuell vom Büro "PGV Alrutz" aus Hannover fortgeschrieben wird.
Oberbürgermeister Julian Stipp freute sich, dass rund 60 Interessierte in den Unteren Rathaussaal gekommen waren. "Schön, dass Sie Lust darauf haben, mit uns gemeinsam über den Radverkehr zu diskutieren. Das Thema brennt uns unter den Nägeln." Man wolle Schritt für Schritt vorankommen. Das brauche aber Zeit, denn die Städte seien über Jahrzehnte autogerecht umgebaut worden, warb er um Geduld.
Die Planer begleiten Mosbach schon länger: 2009 legte PGV das erste Konzept vor, berichtete Geschäftsführerin Heike Prahlow. Seitdem habe sich bei den Rahmenbedingungen viel geändert, in rechtlicher und politischer Hinsicht. Besonders die Pedelecs, also die Räder mit elektrischer Unterstützung, veränderten die Situation: Radler können größere Steigungen und längere Strecken bewältigen.
So könne man auch Steilstrecken und Umwege in den Blick nehmen, die bisher ungeeignet erschienen. Wesentlich sei es, den Radverkehr bei allen städtischen Maßnahmen "mitzudenken". Öffentlichkeitsarbeit, sicheres und praktisches Fahrradparken, die nötigen Finanzen und Kapazitäten in der Verwaltung – alles das gehöre zu einem guten Fahrradklima dazu. Ein umfassendes Radverkehrskonzept ist dabei kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung für mögliche Förderungen.
Es folgte eine Bestandsaufnahme dessen, was sich seit etwa 15 Jahren beim Radverkehr in Mosbach getan hat: Im Schnelldurchlauf nannte Leander Fricke von PGV den Bau beziehungsweise Ausbau der beiden Unterführungen am Elzuferweg, die Radwegführung an der B27 (Neckarelzer Straße), die Anlage von Schutzstreifen unter anderem in der Hauptstraße, die neue "Trasse" über die Hermann-Schulze-Delitzsch-Straße, die Entschärfung von Gefahrenstellen durch die Aufweitung von Kurvenbereichen, das Aufstellen von Fahrradabstellanlagen und vieles mehr.
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In 276 Abschnitte untergliederte und analysierte PGV das etwa 100 Kilometer umfassende Mosbacher Radnetz. Bei 156 Abschnitten oder 60 Kilometern Strecke sieht man Verbesserungsbedarf. Beispielsweise nannte Fricke die Diedesheimer Steige, die bergauf einen 1,5 Meter breiten Schutzstreifen erhalten könnte. Für die Waldstadt werden mehrere Trassen geprüft. Aktuell werde eine "umwegige" Variante favorisiert, weil die direkte Route einfach zu steil sei.
Auch die Solbergallee selbst sei wieder im Spiel, da Schutzstreifen rechtlich nun auch außerorts möglich seien. Sicher werde das Büro empfehlen, den "Fahrradfangkorb" vor der Grundschule in Neckarelz zu entfernen – hier gab es spontanen Beifall aus dem Publikum. Als kleine, schnelle Maßnahme wurde eine bessere Kennzeichnung von Pollern empfohlen. Mehr, besser, größer und zentraler sollen die Rad-Abstellanlagen werden. Vorderradklemmen sollen ganz verschwinden.

Kurz stellte Klaus Kühnel von der Stadt Mosbach vor, was aktuell geplant wird: Wo die Stadt im Besitz der nötigen Grundstücke ist, so beim NKG, soll der Elzuferradweg aufgeweitet und auch gleich beleuchtet werden – wofür es wieder Applaus gab. Der Schutzstreifen auf der Hauptstraße soll zwischen Polizei und Apotheke fortgesetzt werden, der 30er-Bereich der Straße "Am Henschelberg" könnte ebenso wie die "Hubbelstrecke" der Pfalzgraf-Otto-Straße eine Fahrradstraße werden.
Da jeweils auch im Untergrund viel zu tun wäre, sind das teure Maßnahmen, die entsprechend Zeit brauchen. Das Büro ermittelte für alle 156 vorgeschlagenen Maßnahmen Gesamtkosten von Millionen Euro, allein in der Priorität 1 Projekte für mehr als 2,3 Millionen Euro.
Unter anderem Ampelschaltungen, die den Rad- und Fußverkehr begünstigen, wurden in der Diskussion von Zuhörern gefordert, gefährlich grobe Schotterungen auf Waldwegen kritisiert. Eine Bürgerin regte einen Schutzstreifen auch in der Pfalzgraf-Otto-Straße im Bereich der Einkaufszentren an. Da sei Radfahren lebensgefährlich. Das sei geplant, doch die benötigte Fläche werde aktuell noch zum Parken genutzt, so Kühnel. Es fordere den Mut der Politik, das zu verbieten.
"Lebensgefährlich" waren für einen anderen Zuhörer die Schutzstreifen selbst. Autofahrer nähmen irrtümlich an, sie könnten direkt an der Linie an den Radlern vorbeifahren – gefordert seien aber beim Überholen generell 1,5 Meter Abstand. Heike Prahlow bestätigte, dass hier mehr Öffentlichkeitsarbeit nötig sei. Sie warnte aber vor einem Freund-Feind-Denken.
Nicht richtig sei es, zu sagen, dass in der beengten Tallage zu wenig Platz für Radwege sei, stellte eine andere Zuhörerin fest: "Wir geben den Autos zu viel Raum", ärgerte sie sich. Da sei ein Gedankenschwenk nötig. "Es sind noch dicke Bretter zu bohren", bestätigte die PGV-Planerin.
Einen Dank einer Bürgerin an die Stadt für das bisher Geleistete nahm Prahlow nach knapp zwei Stunden als Schlusswort und lud zum Ausstellungsrundgang und Einzelgesprächen ein. Ihr Fazit: "In Mosbach bewegt sich was. Aber ausruhen geht nicht." Die eingegangenen Anregungen und Kritikpunkte werden vom Büro dokumentiert.