Die Tücken des neuen Haushaltsrechts
Neunkirchen steht finanziell solide da - Dennoch ergibt sich für 2020 ein rechnerischer Fehlbetrag - Schnelles Internet kommt

Von Gabriele Eisner-Just
Neunkirchen. Am Anfang der Februarsitzung des Neunkircher Gemeinderats forderte Bürgermeister Bernhard Körzer die Gemeinderäte und Besucher auf, sich zu einer Schweigeminute für die Opfer des rassistisch motivierten Anschlags in Hanau zu erheben. Danach waren zwei Schwerpunktthemen zu behandeln: der Haushalt 2020 und der Breitbandausbau.
Die allgemeine Finanzsituation in Neunkirchen ist solide: Kreditaufnahmen sind nicht nötig, die Verschuldung wurde leicht auf 1009 Euro pro Einwohner gesenkt. Dennoch ergibt sich beim Ergebnishaushalt für 2020 ein Jahresfehlbetrag von 106.122 Euro. Um dieses Minus-Ergebnis zu erklären, tauchte Kämmerin Judith Kuhn in die Materie des Neuen Kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens ein.
Die neue Systematik fordert von den Gemeinden, ihre Abschreibungen zu erwirtschaften. Wenn beispielsweise ein Feuerwehrgerätehaus im Wert von einer Million Euro gebaut werde, müsse die Gemeinde 50 Jahre lang 20.000 Euro erwirtschaften, um nach dieser Zeit ein neues Gerätehaus finanzieren zu können, erläuterte die Kämmerin. Für Neunkirchen errechnete sie 2020 (geschätzte) knapp 329.000 Euro Abschreibungen, die durch die Einnahmen nicht ganz erwirtschaftet werden können. Gleichzeitig dürfen im ersten Jahr des neuen Haushaltsrechts auch keine Rücklagen verwendet werden. Somit ist das Minus von gut 100.000 Euro ein eher rechnerisches.
Allerdings gibt es auch weitere Mindereinnahmen: Die Einnahmen aus Steuern und Zuweisungen des Finanzausgleichs reduzieren sich gegenüber 2019 um 30.000 Euro. Konnte die Gemeinde 2019 noch 45.000 Euro aus der Holzvermarktung erwirtschaften, werden 2020 keine Mehrerlöse erwartet – also eine "Nullrunde". Die Kreisumlage erhöht sich für Neunkirchen wegen der finanziellen Schieflage der Neckar-Odenwald-Kliniken um 82.000 Euro, dazu kommt die Finanzausgleichsumlage von 12.000 Euro. Die Personalkosten sind unter anderem wegen Tariferhöhungen um 50.000 Euro gestiegen. Bei den Kindergärten muss die Gemeinde einen Eigenanteil von 300.000 stemmen – knapp 50.000 Euro mehr als im Vorjahr. Als Gemeinde in einem strukturschwachen Gebiet sei der Haushalt vor allem durch Schlüsselzuweisungen von Bund und Ländern finanziert, so Bürgermeister Knörzer.
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Dennoch muss die Gemeinde 2020 und in den Folgejahren Investitionen stemmen; die größten sind die Nahwärmeversorgung in Neunkirchen mit Ausbau der Kirchstraße, der Hochwasserschutz in Neckarkatzenbach und die Anschaffung von Präsentationsmedien in der Schule. Ein Überschuss von ca. 150.000 Euro wird aus Grundstücksverkäufen erwartet.
Die Liquidität sei im gesamten Planungszeitraum gegeben; der Jahresfehlbetrag von gut 100.000 Euro werde regelkonform auf die Haushalte 2020 bis 2022 verteilt. Für die nächsten Haushalte prognostizierte die Kämmerin ein leichtes Plus. Der Gemeinderat nahm den Haushalt 2020 einstimmig an.
Das zweite Hauptthema war der Breitbandausbau. Johannes Biste, Wirtschaftsförderer des Neckar-Odenwald-Kreises, empfahl das Unternehmen BBV Deutschland mit Sitz in Dreieich, das einen eigenwirtschaftlichen Bau und Betrieb eines neuen Glasfasernetzes anbietet. Vertreter der BVV erläuterten die Rahmendaten: Die BBV möchte den ganzen Landkreis mit einem Glasfaser-Breitbandnetz bis an jedes Haus versorgen. Die Investitionslast liegt dabei ganz auf dem Unternehmen. Voraussetzung für einen wirtschaftlichen Ausbau ist eine Kundenquote von 40 Prozent – das sind etwa 350 Gebäude in Neunkirchen. Nach einer intensiven Fragerunde, zu der auch die anwesenden Bürger zugelassen waren, stimmte der Gemeinderat dem Vorhaben einstimmig zu. Die Verwaltung stellt die Flächen für das Einbringen der Kabel zur Verfügung und unterstützt die Vermarktung. Somit kann die Vermarktungsphase demnächst beginnen. Neunkirchen wird mit Aglasterhausen eine der ersten Gemeinden im Neckar-Odenwald-Kreis sein, deren Breitbandausbau die BBV GmbH in Angriff nimmt.
Zum Schluss der Sitzung erhielt noch eine Bewohnerin des Weilers Leidenharterhof ausführlich Gelegenheit, die Argumente gegen eine weitere Bebauung zu erläutern. Nach der Aufhebung des Beschlusses für die Fortschreibungsflächen des Flächennutzungsplans im Bereich Leidenharterhof (die RNZ berichtete) steht in einer der nächsten Ratssitzungen eine ausführliche Behandlung des Gebietes an. Dann wird über die weitere bauliche Nutzung entschieden.
Nachdem der Rat noch einige Bauvorhaben einstimmig befürwortet hatte, wurden abschließend die geänderten Betriebszeiten für die geplante Wanderhütte mit Gästebewirtung im Zeilweg 16 bekannt gegeben: an vier Tagen von 10 bis 24 Uhr, sonntags 10 bis 21 Uhr.



