Neckar-Odenwald-Kliniken erwarten rund 12 Millionen Euro Defizit für 2019
Im Kreistag stellte die Klinik-Leitung Zahlen und mögliche Maßnahmen gegen das "katastrophale Ergebnis" vor.

Von Heiko Schattauer
Neckar-Odenwald-Kreis. Schon bei der Begrüßung zur letzten Kreistagssitzung in Aglasterhausen waren sie wieder präsent, die Neckar-Odenwald-Kliniken. "Es wird auch eine Frage des Stils, wie wir mit den Kliniken umgehen", führte Gastgeberin, Bürgermeisterin und Kreisrätin Sabine Schweiger gleich zu Beginn der finalen Marathonsitzung zum thematischen Dauerbrenner hin. Wenngleich die NO-Kliniken respektive der Zustandsbericht der Leitung nur ein Punkt der umfangreichen wie inhaltsschweren Tagesordnung war.
Kliniken-Geschäftsführer Frank Hehn und Harald Löffler, seit Kurzem im Controlling der Kliniken in Verantwortung, mühten sich um Darstellung des Ist-Zustands. Ebenso um Erläuterung der Gründe, die zu diesem "katastrophalen" Zustand geführt haben, und um Skizzierung der Handlungsfelder, die man in therapeutischer Absicht künftig bestellen will. "Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, es sind nicht nur Bund, Kassen oder eben die Kliniken selbst schuld", befand Hehn. Hausaufgaben gebe es sowohl auf Klinik- als auch auf politischer Seite.
"9,6 Mio. Euro Verlust sind bis Oktober aufgelaufen", so Hehn zu den konkreten Zahlen. Nachdem es zu Jahresbeginn noch recht gut ausgesehen habe, sei ab April der sogenannte "Case-Mix"-Wert und mit ihm der Ertrag gesunken. Der Case-Mix ist ein Index (CMI) für die Fallschwere, d. h., ab April hat sich der Anteil der eher leichten Fälle mit geringerem Behandlungsaufwand und Vergütungsertrag erhöht. "Kleinste Veränderungen haben da sofort große Auswirkungen", erläuterte der seit Januar 2019 als Geschäftsführer tätige Hehn. Bei 15.000 Patienten seien durch diese Verschiebung rund 1,6 Mio. Euro weniger als geplant in die Klinik-Kassen geflossen.
Parallel haben sich Hehn zufolge auf der Ausgabenseite Steigerungen ergeben: 520.000 Euro mehr (als 2018) habe man für Honorarkräfte ausgeben müssen, fast 630.000 Euro mehr für die Instandhaltung von Gebäuden, rund 210.000 Euro mehr (als im Vorjahr) für Heizung, Strom und Co. Auch die Rückforderungen des Medizinischen Diensts der Krankenversicherungen (MDK) waren zuletzt 1,15 Mio. Euro höher, offenbar aufgrund verschärfter Prüfungen. "Und das, obwohl wir sehr konservativ und vorsichtig abgerechnet haben", so der Kliniken-Geschäftsführer. Auch welche Abteilung wie viel Verlust macht, legte Hehn dar: Besonders defizitär sind die Innere (-1,95 Mio. Euro/2019) und die Gynäkologie (-1,81 Mio. Euro). Beim Jahresergebnis geht man von einem Minus von 12 Mio. Euro aus: "Wohl wissend, dass das ein katastrophales Ergebnis ist."
"Wir haben ein Kostenproblem, aber vor allem haben wir ein Erlösproblem", leitete Harald Löffler vom Ist zum möglichen Soll über. Auf der einen Seite stehe die nicht ausreichende Finanzierung durch Bund/Kassen. Auf der anderen Seite sieht man auch bei den Kliniken dringliche Handlungsfelder. "Die sind nicht neu", räumte Löffler ein, "aber nur, weil man sie bislang nicht in den Griff bekommen hat, heißt das nicht, dass sie nicht richtig sind." Möglichkeiten auf Kosten- und Ertragsseite Verbesserungen zu erzielen sieht er u.a. in einer klareren Dokumentation (nicht alle erbrachten Leistungen werden wohl auch dokumentiert und abgerechnet), einer CMI-Index-Optimierung, einer Reduzierung der Krankheitsquote (sie liegt drei Prozent über dem Branchendurchschnitt) und einer Verringerung der Rückforderungsquote durch den MDK. Um die selbst erarbeiteten Handlungsfelder angehen zu können, brauche man Zuversicht und Unterstützung, appellierte Löffler, manche Maßnahme werde nicht sofort wirken.
Die Reaktion des Kreistags auf die "ungeschminkten, grausamen Wahrheiten" (Landrat Dr. Achim Brötel) zu den Kliniken? Für Rainer Houck und die CDU-Fraktion hat sich die Vorgabe aufgrund der finanziellen Entwicklungen (siehe auch Grafik) verändert: Statt der "bestmöglichen" sei es nun die "angemessene" Versorgung, die der Kreis mit den Kliniken zu leisten habe, oder besser: leisten könne. Dafür werde man Wege finden, zeigte sich Houck zuversichtlich, "Denkverbote" dürfe es für die passenden Lösungswege nicht (mehr) geben.
Hubert Alois Kieser analysierte für die Freien Wähler, dass noch nicht überall durchgedrungen sei, "wie ernst die Lage ist". Die Maßnahmen der Vergangenheit hätten nicht angeschlagen, so Kieser, mit "Abrechnungschinesisch" könne man den Bürgern die Situation nicht verdeutlichen, außerdem werde man auf Hilfe oder Lösungen von außerhalb nicht bauen können. Eine grundlegende Analyse des Ist-Zustands sei notwendig, um sich an die Lösung des "gordischen Knotens" machen zu können.
Auf die vielen, teils nicht beeinflussbaren Stellschrauben in der Krankenhausfinanzierung ging Norbert Bienek (SPD) ein. Er forderte in Richtung Bund und Land eine gesicherte, kostendeckende Finanzierung, gerade für Kliniken der Grund- und Regelversorgung. Als Kreis sei man bereit, seinen Beitrag zu leisten, mit der Kreisumlagenerhöhung (plus drei Prozent) sichere man die Gesundheitsversorgung. Die SPD unterstütze die Maßnahmen zum Wohl der Kliniken.
Das wollen auch die Grünen, Ziel müsse sein, die Kliniken "dauerhaft in kommunaler Hand" zu halten, so Simone Heitz zu möglichen (Teil-)Privatisierungs-Überlegungen. Die Standorte Mosbach und Buchen seien in der Bedarfsplanung des Landes enthalten. Dass sie gebraucht und erhalten werden müssen, stehe also außer Frage. Heitz forderte noch mehr Transparenz in Bezug auf Defizit und Hintergründe ein, lobte aber den offenen Bericht der Klinikleitung.
Diesen Bericht soll es künftig regelmäßig im Kreistag geben, Achim Walter (FDP) wünschte sich auch eine tiefergehende Diskussion zu den Kliniken im gesamten Kreistag, nicht nur im Aufsichtsrat. Noch einen Schritt weiter gehen will die AfD im Kreis: Tobias Eckert, der grundsätzliche Probleme im Krankenhausfinanzierungssystem sieht, regte eine direkte Bürgerbeteiligung zur Zukunft der Kliniken an: "Diese Entscheidung sollte der Kreistag nicht alleine treffen." Man solle nicht "raten, was 140.000 Bürger im Kreis wollen oder nicht".
