"Neuer Wasen" Walldürn

Baugebiet bekommt kaltes Nahwärme-Netz

Wärme ohne fossile Brennstoffe: Der Gemeinderat stimmt dem Bau zu.

19.07.2023 UPDATE: 19.07.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 16 Sekunden
Im zukünftigen Baugebiet „Neuer Wasen“ soll die Wärmeversorgung der Gebäude über ein kaltes Nahwärmenetz realisiert werden. Nachdem eine Machbarkeitsstudie positiv ausgefallen war, stimmte am Montag der Gemeinderat dem Projekt zu. Foto: Ralf Scherer

Von Ralf Scherer

Walldürn. Häuslebauer im zukünftigen Baugebiet "Neuer Wasen" sollen Wärmeenergie für ihre Gebäude emissionsfrei aus einem kalten Nahwärmenetz beziehen können. Einen entsprechenden Grundsatzbeschluss hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am Montag in der Nibelungenhalle gefasst. Wer das Netz, das mit niedrigen Übertragungstemperaturen in der Nähe der Umgebungstemperatur arbeitet, bauen und betreiben wird, ist noch unklar.

"Damit sind wir anderen Kommunen weit voraus", freute sich Bürgermeister Markus Günther über die Entscheidung. "Erste Bauwillige sind da. Die wissen jetzt, wo sie dran sind." Plakativer formulierte es Arnold Schmid vom Ingenieurbüro "innovativSchmid" (Haslach): "Das Baugebiet wird sexy durch solch ein Wärmenetz. Walldürn hat jetzt die Chance, vorne auf den Zug aufzuspringen."

Gemeinsam mit den Stadtwerken Brühl und der Hochschule Karlsruhe hatte das Team von Arnold Schmid im Vorfeld geprüft, ob der Bau eines kalten Nahwärmenetzes im Baugebiet "Neuer Wasen" nicht nur technisch realisierbar, sondern auch wirtschaftlich ist. Das Ergebnis der Studie fiel eindeutig aus: "Wir bestätigen, dass die Machbarkeit gegeben ist."

Im Detail haben die Berechnungen ergeben, dass für 49 Häuser (KfW-Standard 55) 400 Megawattstunden Energie pro Jahr notwendig sind. Für die geplanten sechs Mehrfamilienhäuser auf dem Gelände des früheren Edeka-Marktes kommen 182 Megawattstunden pro Jahr hinzu. Die Jahresarbeitszahlen der benötigten Wärmepumpen bewegen sich in warmen Jahren zwischen 3,9 (Mehrfamilienhaus) und 4,2 (Einfamilienhaus). In kalten Jahren liegt die Spanne rechnerisch zwischen 3,8 und 4,1.

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Für den Bau des kalten Nahwärmenetzes gehen die Ingenieure von Kosten in Höhe von 1.105.035 Euro aus. Für jede Hausanlage (Wärmepumpe plus Kollektoren) fallen rund 38.500 Euro an. Unter dem Strich ergibt sich daraus ein Preis von 36 Cent je Kilowattstunde Wärmeenergie. Im Vergleich dazu ist bei klassischen Nahwärmenetzen mit circa 55 Cent je Kilowattstunde zu rechnen. Den Anteil erneuerbarer Energie an der bereitgestellten Wärme beziffern die Ingenieure auf 85 Prozent.

Die Vorteile eines kalten Nahwärmenetzes liegen für Arnold Schmid auf der Hand: geringe Abhängigkeit, hohe Versorgungssicherheit, große Effizienz und transparente Kosten. Erreicht wird dies mit dem Einsatz vergleichsweise einfacher Mittel: Die Gebäude werden über ein nicht gedämmtes Leitungsnetz an einen großen Wasserbehälter angeschlossen. Über Solarthermie-Kollektoren wird im Sommer das Wasser in dem zentralen Speicher erwärmt.

Während der Heizperiode gibt der Speicher die Wärme wieder ab, bis das Wasser gefriert. Deshalb wird ein solches System auch als "Eisspeicher" bezeichnet. In den Gebäuden steht auf diese Weise eine konstante Temperatur im Bereich von 15 Grad Celsius zur Verfügung, die von Wasser-Wärmepumpen auf die individuell gewünschte Raumtemperatur erhöht wird.

"Erfahrung ist genug da. Wir arbeiten mit dem aktuellen Stand der Technik", sagte Martin Dreier, Projektleiter bei "innovativSchmid", nachdem sich mehrere Gemeinderäte nach der Funktionsweise und Zuverlässigkeit eines solchen Systems erkundigt hatten. Deutschlandweit seien inzwischen rund 60 vergleichbare Projekte realisiert worden.

Dass kalte Nahwärmenetze eine zentrale Rolle bei der Wärmewende spielen werden, prognostizierte Arnold Schmid: "Ich sehe Walldürn in diesem Bereich sehr weit vorne." Er betonte, dass es grundsätzlich von Vorteil sei, wenn sich alle Hauseigentümer im neuen Baugebiet an dem Wärmenetz beteiligen. "Je mehr dranhängen, desto effizienter arbeitet das System. Wenn jeder selbst etwas macht, ist es in der Regel teurer."

Bewährt habe sich, wenn die Hausanlagen im Eigentum der Bewohner bleiben. Für den Betrieb des Netzes seien dagegen verschiedene Varianten vorstellbar – von einem neuen Geschäftsmodell für die Stadtwerke bis hin zu einem genossenschaftlichen Zusammenschluss interessierter Bürger. Förderfähig seien sämtliche Komponenten des kalten Nahwärmenetzes.

Besondere technische Risiken seien mit einem solchen System nicht verbunden, versicherte Professor Marco Braun von der Hochschule Karlsruhe: "Das funktioniert. Das ist auch nicht so schwer, dass es funktioniert."

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