Neckar-Odenwald-Kreis

Viele Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt

Die Neueintragungen von Ausbildungsverhältnissen sind im Kreis drastisch zurückgegangen. Die regionalen Betriebe merken das am eigenen Leib.

26.04.2021 UPDATE: 27.04.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 29 Sekunden
Immer weniger Schulabsolventen entscheiden sich dafür, eine Ausbildung zu machen. Demzufolge sind auch im Neckar-Odenwald-Kreis jedes Jahr viele Lehrstellen vakant. Dabei werden Fachkräfte (wie hier bei der Eisengießerei Röth in Mosbach) dringend gesucht. Foto: zg

Von Noemi Girgla

Neckar-Odenwald-Kreis. Die Zeit der Schulabschlussprüfungen rückt wieder näher – und für viele junge Menschen stellt sich die Frage, welche berufliche Laufbahn sie danach einschlagen wollen. "Eigentlich befinden sich die Absolventen gerade in einer aussichtsreichen Situation. Jeder der bereit wäre, in die Werkstatt zu gehen, hätte beste Chancen", meint Dr. Andreas Hildenbrand, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar am Standort Mosbach. Konnten sich die Betriebe vor einigen Jahren noch die Bewerber mit den besten Noten herauspicken, sei die schulische Leistung heute nur noch zweitrangig, sagt Hildenbrand. Der Grund: Immer mehr Ausbildungsplätze bleiben vakant, es fehlt der Nachwuchs.

"In den Metall- und Elektroberufen gibt es zu wenig Bewerberinnen und Bewerber auf die zahlreichen Ausbildungsplätze", teilt der IHK-Geschäftsführer mit. Aber auch im gewerblich-technischen Bereich seien die Neueintragungen von Ausbildungsverhältnissen im Kreis im Vergleich zum Vorjahr drastisch zurückgegangen. "Bei den kaufmännischen Berufen ist das Minus etwas kleiner, aber deutlich", fasst Hildenbrand zusammen. Eine Entwicklung, die zahlreiche Betriebe im Neckar-Odenwald-Kreis am eigenen Leib zu spüren kriegen.

Bei der Georg Röth Eisengießerei in Mosbach gingen in den Jahren 2003 bis 2013 zwischen 30 und 50 Bewerbungen pro Jahr ein. "Ab dann ging es stetig bergab. Seit etwa fünf Jahren sind die Zahlen der einigermaßen interessanten Bewerber im einstelligen Bereich", resümiert Bernhard Pfeiffer, der bei Röth seit 25 Jahren für die Ausbildung zuständig ist. "Wir haben pro Jahr vier Ausbildungsplätze (Gießereimechaniker/Maschinen- und Anlagenführer), alle drei bis vier Jahre kommt noch ein fünfter zum Technischen Modellbauer hinzu. Im September wollen wir erstmals einen Ausbildungsplatz zum Mechatroniker anbieten. Allerdings können wir schon seit vielen Jahren nicht mehr alle Plätze besetzen. Aktuell sind vier Azubis in Ausbildung bei uns", beschreibt Pfeiffer die Lage.

Dabei habe man die Ansprüche in den letzten fünf Jahren schon stark heruntergefahren, meint Pfeiffer. Dennoch blieben die Bewerbungen aus. "Corona macht es auch nicht leichter", erzählt er. Vor der Pandemie habe man einen Großteil der angehenden Azubis durch Praktika gewinnen können. Aufgrund der Pandemie mussten diese aber genau wie Betriebsbegehungen eingestellt werden. Von Lehrstellenbörsen habe die Gießerei nur wenig Nutzen. "Die Jugendlichen nutzen sie zwar, aber finden uns dabei nicht. Wir müssen direkt an sie ran, um ihnen einen Beruf im Gießereifach näherzubringen. Wir sind ein Nischenbetrieb. Die meisten kennen die angebotenen Berufe gar nicht und suchen daher auch nicht danach."

Auch interessant
Bildung: Corona drückt Ausbildungsmarkt auf historisches Tief
Rhein-Neckar-Odenwald: Wie die Handwerkskammer um Auszubildende kämpfen will
Rhein-Neckar: So will die Region dem Mangel an Fachkräften bekämpfen

Der Beruf des Schreiners ist zwar weitläufig bekannt, dennoch beobachtet auch Klaus Hofmann, Inhaber der Schreinerei Faustmann in Neckarelz und Präsident der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald, einen Rückgang des Interesses an Ausbildungsplätzen. Hatte er früher noch ganze Stapel an Bewerbungen auf dem Schreibtisch liegen, gehen jetzt im Jahr vielleicht noch vier bis sechs ein. In seinen Augen hat das viel mit dem Image von Ausbildungsberufen in der Gesellschaft zu tun. "Das geht schon damit los, dass Eltern ihren Kindern von klein auf sagen ,Du sollst es mal besser haben, sollst Arzt oder Rechtsanwalt werden, eine akademische Ausbildung anstreben’. In der Gesellschaft zählt nur die monetäre Seite – und das läuft falsch. Ein Beruf, den man dann 40 oder 45 Jahre ausübt, muss einen doch erfüllen. Wenn man seine Fertigkeiten ausleben darf, etwas mit seinen Händen (er)schafft, und einen seine Tätigkeit glücklich und zufrieden macht, kommt der Erfolg (auch in finanzieller Hinsicht) meist von alleine", sagt Hofmann.

Gegen die gängigen Klischees, die mit Ausbildungsberufen einhergehen, wehrt er sich vehement. "Es gibt so viele Weiterbildungsmöglichkeiten, so viele Chancen, aufzusteigen. Das Niveau von Ausbildungen steigt, und die fachliche Kompetenz wird dringend gebraucht. Wir müssen dringend Fachkräfte sichern. Das gelingt aber nur, wenn die jungen Leute die Berufe auch kennen. Und dafür müssen wir an sie herantreten. Am Schreibtisch auf Bewerbungen zu warten, reicht längst nicht mehr – und im digitalen Raum ist alles sehr anonym", ist er überzeugt.

Laut IHK sind Ausbildungen in den Bereichen Büromanagement und Industriekaufleute gerade besonders gefragt. Doch auch hier gibt es Probleme bei der Besetzung von freien Stellen. Schon das zweite Jahr in Folge ist der Ausbildungsplatz im Groß- und Außenhandelsmanagement bei der Firma Kamatec in Aglasterhausen vakant. 2011 wurde die Stelle erstmals ausgeschrieben, damals gab es noch ungefähr 20 Interessenten. "Es wird immer schwieriger, geeignete Kandidaten zu finden", sagt Elena Schnitzhofer, die bei Kamatec die Azubis betreut.

Dabei habe man die Erwartungshaltung schon stark gesenkt, schaue kaum auf die Schulnoten, erwarte aber gute Sprachkenntnisse. "Entscheidend für uns ist die Motivation der Bewerberinnen und Bewerber", erklärt Schnitzhofer – doch die sei nur selten ausgeprägt. "Immer weniger junge Leute wollen eine Ausbildung machen. Der Trend geht zum Studium", hält auch sie fest. Hinzu komme, dass man ein kleiner Betrieb in ländlicher Umgebung sei. Die meisten ziehe es dann aber doch zu größeren Unternehmen in den städtischen Raum.

Dabei sei man nach einer Ausbildung im Groß- und Außenhandelsmanagement universell gut aufgestellt, könne quasi in jedem Büro arbeiten, meint Schnitzhofer. "Sogar einen Betriebswirt kann man noch obendrauf setzen." Was Kamatec macht, wenn die Stelle zum zweiten Mal nicht besetzt wird, ist noch nicht entschieden. "Derzeit hoffen wir noch auf ,Nachzügler’", meint Schnitzhofer. Bis September könnte man mit diesen erfahrungsgemäß noch rechnen.

Das Bild, das sich im Kreis abzeichnet, ist überall gleich. Der gemeinsame Tenor: An die Jugendlichen herantreten, auf die Chancen, die eine Ausbildung bietet, aufmerksam machen und ein möglichst breit gefächertes Portfolio aufstellen. Denn nur, wenn die künftigen Azubinen und Azubis wissen, welche Berufe es überhaupt gibt, können sie diese auch anstreben.

Info: rhein-neckar.ihk-ausbildungsmesse.de; www.ihk-lehrstellenboerse.de/; https://www.hwk-mannheim.de/

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.