Nachhaltigkeit geht auch ohne Klischees
Solidarische Landwirtschaft Heilbronn-Mosbach hat langlebiges Wirtschaften zum Ziel - Noch ist es ein Experiment

Noch ist es ein Experiment, dessen Nachhaltigkeit man gemeinsam erprobt: Michael Scheurig erntet Tomaten für die Solidarische Landwirtschaft. Foto: Stephanie Kern
Von Stephanie Kern
Neckar-Odenwald-Kreis. Das Thema Nachhaltigkeit bezeichnet Stefan Klein als Ausgangspunkt, als Grundlage. Und zwar für die "Solidarische Landwirtschaft" (Solawi) Heilbronn-Mosbach.
"Die Landwirtschaft so zu strukturieren, dass es auf Dauer funktionieren kann, in einer Art zu wirtschaften, dass es noch lange gut geht", benennt das Mitglied des Verwaltungsteams den Kern des Anliegens der Solawi-Mitglieder. Etwas mehr als 90 Mitstreiter zählt die Solawi derzeit.
Versorgt werden sie von Landwirt Michael Scheurig, der in Robern wirkt. Verbraucher und Landwirt gehen bei der solidarischen Landwirtschaft auf lokaler Ebene eine Kooperation ein, vereinfacht dargestellt liefert der Landwirt als Gegenleistung für finanzielle Unterstützung Gemüse, Obst, Transparenz und Teilnahme.
Scheurig ist Biologe und hat sich im Rahmen von EU-Projekten mit der Risikoanalyse von Pestizid-Anwendungen befasst. Was er beobachtet hat, war für ihn "Krieg gegen die Natur". Angesichts solcher Erfahrungen reifte in dem Biologen die Überzeugung, dass das auch anders gehen müsse.
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Mit der Solawi habe er eine Möglichkeit dazu gefunden, nachhaltig und ganzheitlich zu wirtschaften. "Es geht darum, die Landschaft zu erhalten und gesunde Lebensmittel zu produzieren", sagt Scheurig. Dafür wird zum Beispiel mit Gründünger statt Kunstdünger gearbeitet.
Außerdem wird der Schnitt von Streuobstwiesen zum Mulchen verwendet. Das bringe dem Landwirt Vorteile, sei aber auch für die Biodiversität der Wiesen gut. Das bedeutet für Scheurig Nachhaltigkeit: Naturschutz ganzheitlich zu sehen. Die Solawi ist für Scheurig aber auch eine "tolle Gemeinschaft". Scheurig: "Es ist eine schöne Erfahrung, die Verbraucher zu kennen und zu sehen, wie sie die Produkte wertschätzen."
Seit 2013 gibt es die Solawi Heilbronn-Mosbach. "Unser nachhaltigstes Erfolgserlebnis ist, dass die Organisation ständig wächst", erklärt Stefan Klein. Am Anfang waren es 20 Mitglieder.
Mittlerweile haben die Verantwortlichen ein neues Ziel ins Auge gefasst: "Die Hoffnung besteht, dass wir in ein bis zwei Jahren die Kapazitätsgrenze von 120 Mitgliedern erreichen", so Klein. "Die Nachfrage ist da." Die Zahl der Depots habe sich konstant erhöht, die der Mitglieder auch.
Was diese Mitglieder auszeichne, sei vor allem ein gewisses Nachdenken und eine Offenheit gegenüber Neuem. Ansonsten seien alle Bevölkerungsgruppen vertreten: Eine Auszubildende genauso wie ein Rentnerehepaar, Menschen, die in der freien Wirtschaft tätig sind, und solche, die soziale Berufe ausüben.
"Klischees werden nicht erfüllt", sagt Klein. Nur eines, nämlich dass sich alle mit den aktuellen Gegebenheiten auf dem Lebensmittelmarkt auseinandersetzen.
"Die solidarische Landwirtschaft ist für mich eine super Sache. Ich kenne Landwirt und Hof persönlich und weiß, dass das Gemüse genauso angebaut wird, wie bei mir im Garten." Das bedeute Nachhaltigkeit für den Boden, aber auch für diejenigen, die ihn bearbeiten.
Es bedeute aber auch Nachhaltigkeit für den Landwirt, der sich so auf den Gemüseanbau konzentrieren kann und sich nicht mit dem täglichen Preiskampf auseinandersetzen muss.
Dabei sei die solidarische Landwirtschaft natürlich ein Experiment. "Ob es tatsächlich nachhaltig ist, müssen wir herausfinden", so Klein. So habe sich in den ersten Jahren doch schon einiges gezeigt.
Etwa, dass eine gewisse Betriebsgröße nötig ist, um auch ein paar Mitarbeiter beschäftigen und die Arbeit auf mehr Schultern verteilen zu können. Denn, das ist klar: Die Erzeugung von Bio-Gemüse ist zeitintensiv. Alle zwei Wochen sind auch die Mitglieder zu einem Arbeitseinsatz aufgerufen - auf freiwilliger Basis.
Wegen der Trockenheit stand in diesem Jahr nicht die Unkrautentfernung, sondern die Bewässerung an erster Stelle. Auch solche Extra-Kosten müssen solidarisch aufgefangen werden. Bei der Solawi bezahlt übrigens nicht jeder das Gleiche, sondern jeder das, was er (nachhaltig) zahlen kann. Damit wäre man dann auch wieder beim Ausgangspunkt …
Info: Weiterführende Informationen finden Interessierte unter www.solawi-erleben.de oder unter Telefon 06271/9466936.