Die Landwirtschaft im Anpassungsstress
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner tauschte sich beim virtuellen "Bauernhoffrühstück" mit Ministerkollege Peter Hauk aus.

Von Ursula Brinkmann
Neckar-Odenwald-Kreis. Die Bedeutung der Landwirtschaft im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger ist groß; durch die Coronakrise hat sie sogar noch zugenommen, ganz besonders unter jungen Leuten. Julia Klöckner nahm diese Aussagen einer aktuellen Untersuchung aus ihrem Hause zum Anlass, in eine Diskussion einzusteigen, zu der CDU-Kollege Peter Hauk in den virtuellen Raum geladen hatte – "Bauernhoffrühstück" mit dem Kreisbauernverband NOK. Beide Landwirtschaftsminister – die eine in Berlin, der andere in Stuttgart – stellten sich der Kritik und den Fragen eines fast 40-köpfigen Symposiums. In den vergangenen Wochen hatten Landwirte in Berlin für eine Kursänderung in der Landwirtschaftspolitik, für kostendeckende Preise für ihre Erzeugnisse und mehr heimische Nahrungsmittel im Handel demonstriert. Klöckner ging darauf ein.
An den Anfang rückte sie jedoch die Verbraucherseite, für die ihr Ministerium ebenfalls verantwortlich ist. Wunsch (nach nachhaltig und regional produzierten Nahrungsmitteln) und Verhalten (an der Theke) klafften häufig auseinander. "Wenn wir Nachhaltigkeit wollen, muss das auch bezahlt werden." Subventionen will sie das nicht nennen, sondern als eine Gegenleistung für die Leistung der Landwirte verstanden wissen. Dazu: Anreize schaffen und Hilfestellung finanzieller wie wissensbezogener Art. Dass der Landwirtschaft "einiges zugemutet wird und sie unter einem enormen Anpassungsdruck steht", machte sie unter anderem am Insektenschutz deutlich. Baden-Württemberg sei da vorbildlich, in der Kooperation von Naturschützern und Bauern, mit Förderung und Begleitforschung, mit alternativem Pflanzenschutz und neuer Technik habe man viel erreicht.
Zur Versachlichung der Debatten trägt nach Auffassung der Ministerin bei, die Schulen mit ins Boot zu holen, denn in den Schulbüchern stünden mitunter "grauselige Dinge" über die Landwirtschaft. Was ihr eine Konferenzteilnehmerin aus eigenem Erleben bestätigte: "Wenn Schulklassen raus auf die Höfe kommen, sehen die es hinterher mit ganz anderen Augen." Doris Härle hatte aber noch ein anderes Anliegen: Bürokratieabbau. Das war auch Burkhard Trabold wichtig, der die Initiative "Heimische Landwirtschaft" vertritt. "Die Antragstellung ist eine Katastrophe." Die Bundeslandwirtschaftsministerin entgegnete dem Landwirt aus Walldürn, dass die Verteilung öffentlicher Gelder nun mal nicht ungeprüft erfolgen könne. Dass die 72,5 Mio. Euro aus dem Investitionsprogramm für den Kauf von Maschinen und Geräten binnen weniger Stunden nach der Freischaltung beantragt und damit weg waren, habe auch damit zu tun, dass sich manche Betriebe mit acht, neun Rechnern in das Programm geschaltet hätten. "Andererseits gibt es Förderprogramme, die will kein Mensch", wies sie darauf hin, dass nicht immer alles ganz passgenau laufe.
Peter Hauk war es ein besonderes Bedürfnis, auf die Kleinstrukturiertheit der baden-württembergischen Betriebe hinzuweisen, was auch Trabolds Anliegen war. "Für die Maschinenringe hätten wir uns mehr Unterstützung aus deinem Haus gewünscht, Julia." In dieser wie auch in anderen Detailfragen erwies sich Klöckner als sattelfest: "Die landwirtschaftlichen Strukturen in Deutschland sind sehr unterschiedlich", doch gerade die Bundesländer mit den kleineren Strukturen, Baden-Württemberg und Bayern, hätten 40 Prozent des Antragsvolumens der ersten Tranche jenes Investitionsprogramms abgeschöpft. Und: "Ich bin froh, dass wir die Maschinenringe erstmals in die Förderung bekommen haben."
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Anerkennung für ihr Engagement erhielt Klöckner von Albert Gramling, dem Vorsitzenden des Kreisbauernverbandes in puncto Insektenschutzgesetz: "Ich habe erlebt, wie sie bei Eiseskälte in Berlin diskutiert haben. Sie haben sich enorm ein- und manchmal auch in die Nesseln gesetzt." Im Neckar-Odenwald-Kreis sieht der Verbandsvertreter Landwirtschaft und Umweltschutz in einem guten Verhältnis. Udo Holder, Schweinehalter im Bergfeld in Mosbach, registrierte, was schon in Klöckners Präsentation anklang: "Die Leute sind bereit, mehr für regional erzeugte Lebensmittel auszugeben, und trotzdem wird noch mit Billigfleisch bei den Discountern geworben." Damit lag er ganz auf Klöckners Linie. Das ärgere sie zutiefst und sie wolle derartige Angebote am liebsten verbieten.
Nicht verbieten, sondern anfeuern möchte sie die "junge Generation", die sich der Landwirtschaft zuwenden möchte, wie die 20-jährige Landwirtschaftsstudentin Johanna Werr, die die Frage stellte: "Was soll ich als junge Landwirtin machen?" Klöckner empfahl ihr das Internet – als Informationsplattform wie als Diskussionsforum, um auch da den großen Spalt zu überwinden zwischen denen, die als Agrarblogger ihre Meinung hinausposaunten und jenen, die wissen, wie es auf dem Land wirklich läuft.



