Darum hat die Gastronomie seit Jahren Nachwuchsprobleme
Der Ruf ist schlechter als verdient - Kampagne klärt über Berufe und Möglichkeiten auf

Das "Gastromobil" ist das Herzstück der Kampagne "Wir Gastfreunde". Foto: Girgla
Von Noemi Girgla
Neckar-Odenwald-Kreis. Ausbildung oder Studium? Eine Frage, die zahlreiche junge Menschen umtreibt. Viele Eltern sehen ihre Kinder lieber an den Universitäten als an der Berufsschule. Doch was, wenn das eine das andere gar nicht ausschließen würde...?
"Oft wird man schräg angeschaut, wenn man nach dem Abitur eine Ausbildung beginnt", wissen sowohl Marius Thielecke vom "Mosbacher Brauhaus" als auch Bernadette Martini vom Hotel und Restaurant "Lamm" in Mosbach zu berichten. Beide entschieden sich nach dem Abitur für eine Karriere in der Gastronomie.
Ein Bereich, der schon seit Jahren mit großen Nachwuchsschwierigkeiten zu kämpfen hat. Woran das liegt? "In erster Linie ist das Problem, dass der Beruf einen schlechten Ruf hat", darin sind sich Martini und Thielecke einig. Dabei hat sich nach ihrer Aussage in den letzten Jahren viel verändert. "Bei den meisten Arbeitgebern ist inzwischen der Groschen gefallen, dass sie sich mit den Auszubildenden ihre Top-Arbeitskräfte für die Zukunft heranziehen.
Der Azubi ist nicht mehr nur die ,billige Arbeitskraft’, als die er einst galt", beschreibt Hans-Georg Thielecke den Wandel. Er ist nicht nur der Chef des Mosbacher Brauhauses, sondern auch stellvertretender Vorsitzender der FG Berufsbildung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Baden-Württemberg.
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"Der Beruf ist bei Weitem nicht so schlimm, wie gesagt wird", erklärt Thielecke senior, und sein Sohn fügt hinzu: "Es ist wirklich ein Kampf, den Leuten die Branche zu präsentieren, wie sie wirklich ist. Auch bei uns hält man sich an die vorgegebenen Stundenzahlen (39 Stunden/Woche), und auch bei uns bekommt jeder seine zwei freien Tage. Nur eben nicht immer samstags und sonntags. Aber auch das hat Vorteile."
Auch Bernadette Martini bestätigt diese Aussage: "In der Gastronomie besteht inzwischen eine Zeiterfassungspflicht. Unbezahlte Überstunden gibt es nicht mehr. Die Branche steht in der Öffentlichkeit in einem wesentlich schlechteren Ruf, als sie es verdient hätte." Doch was kann dagegen getan werden?
"Die Schüler, die sich überlegen, welche Ausbildung sie anstreben, wissen oft nicht, was Gastronomie wirklich ist", meint Marius Thielecke. Eine Kampagne des Dehoga trägt den Titel "Wir Gastfreunde" und bemüht sich darum, sowohl im Internet als auch im direkten Kontakt, über die Karrierechancen in der Gastronomie aufzuklären.
Diese stehen nämlich nicht nur Leuten mit höheren Schulabschlüssen offen. "Auch ohne ein Studium hat jeder, der sich anstrengt, in der Gastronomie große Aufstiegschancen", erklärt Bernadette Martini. Viele ihrer ehemaligen Azubis sind heute in leitenden Positionen großer Häuser.
Das Herzstück von "Wir Gastfreunde" ist das "Gastromobil". Ein Bus, der sowohl Berufsinformationsveranstaltungen als auch Schulen ansteuert und den künftigen Azubis spielerisch die verschiedenen Ausbildungsmöglichkeiten in der Gastronomie näherbringt. An verschiedenen Stationen im und vor dem Bus können sie testen, was sie schon an Wissen mitbringen oder welcher konkrete Beruf innerhalb des weiten Feldes der Gastronomie sich für sie eignen würde. "Eine tolle und sehr wichtige Nachwuchskampagne", befindet man sowohl im "Lamm" wie im "Brauhaus".

Im "Gastromobil" können Jugendliche sich spielerisch an der Rezeption oder in der Küche ausprobieren und ihre Kenntnisse über das Gastgewerbe austesten. Foto: Noemi Girgla
Aber auch sonst ist der Dehoga bemüht, das Nachwuchsproblem in den Griff zu bekommen. So berichtet Martini, dass in den letzten Jahren das Azubi-Gehalt stetig angehoben und so um einiges attraktiver wurde. Und Hans-Georg Thielecke weiß, dass die Azubi-Zahlen zwar noch nicht wieder gestiegen sind, aber wenigstens der stetige Abwärts-Trend gestoppt werden konnte.
Dass die Zahlen jedoch wieder ansteigen könnten, ist noch lange nicht in Sicht. Dabei bieten sich gerade für junge, flexible Leute zahlreiche Möglichkeiten. "In welchem Beruf hat man schon die Möglichkeit, ohne Abitur nach der Ausbildung studieren zu gehen", wirft Martin Eberhard, Betreuer und Fahrer des Gastromobils die Frage auf. Diese Möglichkeit besteht nach nur wenigen Jahren Berufspraxis (je nach Schulabschluss ein bis drei Jahre) beispielsweise an der Hotelfachschule in Heidelberg.
So schließen sich Ausbildung und Studium nicht nur gegenseitig nicht aus - sie bauen aufeinander auf. Aber auch für diejenigen, die ein Studium nicht reizt, hat das Berufsfeld ein besonderes Schmankerl zu bieten: "Es stehen einem alle Wege offen", so Eberhard, "man kann ins Ausland oder aufs Schiff gehen und dort Erfahrungen sammeln. In welchem anderen Beruf kann man so viel von der Welt sehen?"



