Die Sorge um die Patienten überwiegt
Die Therapeuten bewerten Hilfen der Regierung als positiv. Dennoch müssen "weiter Türen geöffnet" werden.

Von Noemi Girgla
Mosbach. In den ersten Tagen der Corona-Maßnahmen kursierten zahlreiche widersprüchliche und falsche Meldungen in Bezug auf die Öffnung von physiotherapeutischen Praxen. Daniel Gatzka, der Praxen in Mosbach, Buchen und Neckarsulm hat, wurde die Neckarsulmer Praxis nach eigener Aussage sogar aufgrund einer Fehlinformation für zwei Tage geschlossen. Fakt ist: Die Praxen sind nach wie vor geöffnet und die Therapien werden (unter verschärften Hygienestandards) fortgeführt.
Schon vor Corona habe man darauf geachtet, dass die hygienischen Standards eingehalten werden, berichtet Dirk Lederer ("triamedica" Mosbach). Schließlich habe man schon seit Jahren mit "Risikopatienten", deren Immunsystem beispielsweise durch eine Krebserkrankung geschwächt sei, zu tun. Nun stehe zusätzlich zu den Desinfektionsmittelspendern, die man in den Behandlungsräumen habe, ein weiterer für die Patienten an der Anmeldung. Auch die Therapiegeräte müssten vor und nach dem Training desinfiziert werden, Mund-Nasen-Schutz sei verpflichtend.
Iris Bernauer-Wutsch von der gleichnamigen Mosbacher Praxis für Physiotherapie und Osteopathie bestätigt dies. Schon seit dem 16. März, also noch vor der Verordnung, hätten alle bei ihr in der Praxis mit Masken gearbeitet. "Bei erhöhtem Risiko, wenn wir zum Beispiel in Gesichtsnähe arbeiten, verwenden wir auch Handschuhe", fügt sie hinzu. Die Hilfsmaßnahmen, die Physiotherapeuten erhalten haben, bewerten beide als positiv. "Die Regierung hat gut gearbeitet", meint Lederer und auch Bernauer-Wutsch findet es "schön, dass an uns gedacht wird". "Uns im Gesundheitswesen wurde spezifisch geholfen", führt Dirk Lederer aus.
Sowohl in seiner als auch in der Praxis von Bernauer-Wutsch hatte man von sich aus Risikopatienten abgesagt. Nachdem somit in kürzester Zeit etwa die Hälfte der Termine weggebrochen sei, "habe man zunächst einmal dagestanden", so Lederer. "Vom Bund kamen Soforthilfen sowie Kurzarbeitergeld, und nun kommt auch der ,Schutzschirm’ vom Gesundheitsministerium", erzählt Bernauer-Wutsch. Ein Teil der fehlenden Einnahmen werde ausgeglichen.
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Nicht ganz so gut aufgehoben, fühlt sich Daniel Gatzka. Wie viel Ausfall man wirklich habe, werde man erst nächsten Monat sehen. Derzeit geht er von Einbußen um die 50 Prozent aus. Von den Verbänden seien keine Vorgaben, sondern nur Empfehlungen gekommen. Als Physiotherapeut "hängt man derzeit in der Luft".
Nach und nach – wenn auch langsam – scheinen die Patientenzahlen aber wieder zuzunehmen, berichten Dirk Lederer und Bernd Spohrer (Rehazentrum Spohrer). Letzterer schildert noch ein anderes Problem: "Wenn man die Therapie zu lange aussetzt, müssen wir mit Rückschritten rechnen. Viele Risikopatienten haben ihre Therapie unterbrochen." Spohrer weiß auch von Patienten, die nach ihrer Therapie das zur Praxis gehörige Fitnessstudio (Centro Vital) nun nicht mehr nutzen könnten. "Viele klagen darüber, dass alte Beschwerden wieder auftauchen", erzählt er weiter.
Christoph Baar, einer der Betreiber der Elzpraxis in Mosbach, macht sich Sorgen um seine Patienten: "Wir dürfen derzeit weder in die Pflegeheime noch in die Krankenhäuser", erläutert Baar. "Wenn die Behandlung an Schwerstkranken nicht vorgenommen werden kann, kann das lebensbedrohlich werden. Da muss etwas geschehen – aber wir kommen nicht an die Patienten ran. Und das geht schon seit Wochen so." Auch Hausbesuche würden vermehrt wegbrechen. Diese müssten vom behandelnden Arzt separat verordnet werden.
Aus dem Vital Zentrum für Physiotherapie Früh und Gottwald in Aglasterhausen ist zu vernehmen, dass sie unter strengsten Auflagen Wachkoma- und MS-Patienten in Pflegeheimen behandeln durften. Dies gehe aber nur mit Einzelgenehmigungen, und es dürfe auch nur ein Therapeut pro Station arbeiten, erklären David Früh und Torben Gottwald. Vom Verband Physikalische Therapie (VPT) heißt es, dass die letzte Entscheidung, ob Physiotherapeuten oder Fußpfleger zu den Patienten dürften, bei den Heimen selbst liege.
Laut dem Physiotherapeuten Martin Tilsner (MT – Physiowelt) sind Kommunikation und Kooperation derzeit das A und O. "Das Robert-Koch-Institut gibt etwas vor, und die Verbände leiten uns an und geben uns eine Orientierung." Ob das Risiko einer Infektion für den einzelnen Patienten höher sei als das des Aussetzens der Behandlung, könne nur individuell und nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt entschieden werden.
Zwar sei sein Gefühl gegenüber dem Weg, den die Politik eingeschlagen habe, ein gutes, aber: "Auch die Politiker können nicht alles wissen. Deshalb müssen wir an sie herantreten, damit manche Tür wieder geöffnet werden kann", konstatiert Tilsner. Man müsse als geschlossene Kette agieren. Auch sei derzeit Selbstinitiative gefragt. Er selbst habe an mehreren Webinaren teilgenommen, um zu verschiedenen Themenbereichen "Infos aus erster Hand" zu erhalten.
"Natürlich kann man sich immer mehr wünschen", meint Tilsner. Auch er würde sich wünschen, dass die Krankenkassen sehen, dass man trotz weniger Patienten mehr Aufwand habe und derzeit sehr viel mehr in Hygieneartikel investieren müsse. "Aber man muss auch Danke sagen können, allen gegenüber, die uns unterstützen. Überall wird was getan – aber Menschen können eben auch nicht zaubern."



