Offene Praxen und doch keine Patienten
Existenzangst bei Physiotherapeuten und anderen Heilmittelberufen - Ausgleichszahlungen gefordert

Von Maria Stumpf
Heidelberg. Sozialkontakte vermeiden, wo es geht. Das gilt in diesen Tagen für alle – und bringt Heilmittelpraxen von Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden oder Podologen in eine schwierige Situation. Denn obwohl sie zum Erhalt der ambulanten Versorgungsstrukturen angehalten sind, ihre Praxen in Corona-Zeiten offen zu lassen, kommen keine Patienten mehr.
"Viele unserer Patienten gehören zur Risikogruppe und bleiben nun lieber zuhause. Viele glauben aber auch, dass die Praxen wegen der Kontaktverbote geschlossen sind. Von heute auf morgen war mein Wochenkalender leer gefegt", sagt Ergotherapeutin Annette Nick. Sie wandte sich in einem offenen Brief an Politiker und Gesundheitsamt, um weiterhin ein wohnortnahes und flächendeckendes Therapieangebot bieten zu können. Denn im Wartezimmer ihrer Heidelberger Praxis herrscht zurzeit gähnende Leere. "Es braucht jetzt die Rückendeckung durch die Politik", fordert sie. "Therapieberufe brauchen öffentliche Unterstützung. Ohne Rettungsschirm bleibt die Patientenversorgung auf der Strecke. Die Leute kommen ja nicht zum Spaß zu uns", weiß sie. Entweder sei man systemrelevant oder nicht: "Ich wünsche mir klare Bedingungen. Aber die Praxen offen lassen müssen und gleichzeitig wenig oder keine Kunden haben, das geht nicht gut. Da muss man sich mal entscheiden in der Politik." Rückendeckung bekommt die Ergotherapeutin auch von dem Heidelberger Osteopathen Bodo Zintel. "Wir haben nicht geschlossen", schreibt er an die RNZ. Kein Mensch müsse sich zu Hause mit seinen Beschwerden herumquälen.
Mit ihrem Anliegen stehen die Heidelberger nicht alleine. "Nur mithilfe von angemessenen Ausgleichszahlungen lässt sich der Fortbestand der ambulanten therapeutischen Versorgung erhalten", heißt es beim Spitzenverband der Heilmittelverbände (SHV). "Wir reden ja auch von Nachsorge für Schmerzpatienten, Patienten mit neurologischen Erkrankungen, nach Operationen oder nach Krebsdiagnosen." Im SHV sind mehr als 75.000 Therapeuten organisiert. Der Verband fordert Soforthilfen von den Krankenversicherungen in Form von Ausgleichszahlungen. Die Kosten für Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie oder Podologie seien im Haushaltsplan der Krankenkassen ja bereits eingeplant. "Es bringt sie also nicht in finanzielle Schwierigkeiten, den Heilmittelerbringern eine Soforthilfe auszuzahlen, um deren Umsatzeinbußen auszugleichen."
Grundsätzlich zeigen Nick und auch der Osteopath Zintel Verständnis für Ansteckungsängste. Aber: "Unter bestimmten Voraussetzungen und Organisationsformen sind je nach Praxisausstattung und Behandlungsarten auch Therapien mit Abstandhalten vereinbar", meint Anette Nick: "Einfach mal nachfragen bei uns."



