Nach dem Unwetter in Dallau - "Einen Vollausbau will hier keiner"
Sieben Monate nach den verheerenden Unwettern im Kreis: Anwohner des Talwegs in Dallau wollen Klarheit über Erschließungsbeiträge

Die Gemeinde Elztal plant einen Vollausbau im Dallauer Talweg. Dafür müssen Beiträge von den Anwohnern erhoben werden - doch dagegen formiert sich auch Widerstand.
Von Stephanie Kern
Dallau. Kathrin Thalwieser stand erst mal da, in nassen Socken, und hatte "das Gefühl, dass das nicht real sein kann." Lars Thalwieser verfiel in Arbeitsmodus, schippte schon Wasser aus dem Keller, als es von oben noch nachlief. Sven Tremmel hatte das Gefühl, sieben Jahre "umsonst" an seinem Haus gearbeitet zu haben. An die Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2016 erinnern sie sich noch ganz genau. Als der Talweg beim Unwetter vom Wasser getroffen wurde, schliefen sie. Danach reagierte jeder anders.
Genau dieses Gefühl, dass es "nicht real sein kann", hatten die Thalwiesers sowie die Familie Tremmel/Gröhl auch Ende Juni, als ein Schreiben von der Gemeindeverwaltung Elztal eintraf: "Nachdem die Straße fast auf ihrer gesamten Länge vollständig zerstört wurde, wird zur Wiederherstellung ein Vollausbau unumgänglich sein. Mit diesem Ausbau würde der Talweg erstmalig endgültig hergestellt. Dies hat voraussichtlich zur Folge, dass die Gemeinde verpflichtet wäre, nach dem Kommunalabgabengesetz und der gemeindlichen Erschließungsbeitragssatzung für den jetzigen Ausbau von allen Anliegern des Talwegs Erschließungsbeiträge zu erheben." Das war für die Familie Thalwieser so, als hätte man ihnen "einen Prügel zwischen die Füße geworfen", wie Kathrin Thalwieser sagt.
Denn die junge Familie hat natürlich auch private Schäden zu beklagen. Das Wasser stand im Haus, 60.000 Euro gab es von der Versicherung. "Ja, die Schäden sind vergütet. Aber man kann nicht alles ersetzen", meint die junge Mutter. "Es ist einfach unfair", pflichtet Lars Thalwieser ihr bei. Erst vor sechs Jahren haben sie das Haus (Baujahr: 1973) gekauft. Der Umbau ist noch nicht beendet. "Es geht auch um die Existenz", sagt Lars Thalwieser.
Auch Sven Tremmel und Sabine Gröhl hatten private Schäden zu beklagen. Auch für sie ist der geplante Vollausbau "ein Riesenhammer" (Sabine Gröhl). Zwei Tage nach dem Unwetter habe er einen Mitarbeiter der Gemeinde auf einen eventuellen Vollausbau angesprochen, erzählt Sven Tremmel. "Nein, das können wir nicht machen, das würde die Anwohner ja noch mehr belasten", habe er damals zur Antwort bekommen. Ein paar Wochen später lag oben zitiertes Schreiben im Briefkasten. "Es wird immer von hohen fünfstelligen Beträgen geredet. Ich habe Angst wegen der finanziellen Ungewissheit, ich kann nicht planen", so Tremmel.
Denn bis heute - sieben Monate nach den schweren Unwettern - äußere sich niemand zu den etwaigen Kosten. "Wir kennen nicht einmal die Größenordnung", sagt Lars Thalwieser. "Ich weiß nicht, ob es eine Gesetzeslücke gibt, eine Möglichkeit, diese Beiträge nicht zahlen zu müssen. Aber es gibt noch einen weiteren Aspekt, einen moralischen", sagt Kathrin Thalwieser.
Die Straße sei schon vorher nicht voll ausgebaut gewesen - "und damit waren alle zufrieden", lautet die Meinung der vier Anwohner. "Das ist ein ausgebauter Feldweg, und das soll es auch bleiben", so Sven Tremmel. Er habe nichts gegen einen neuen Belag. Aber ihm stellten sich - selbst nach der Informationsveranstaltung der Gemeinde - viele Fragen: "Wie soll das aussehen? Wo soll ein Gehweg hin? Warum so viele Straßenlampen?" Er will Klarheit. "Die Infoveranstaltung war ein Witz", sagt Tremmel. Sie habe die Betroffenen mit vielen Fragen zurückgelassen, meint Sabine Gröhl. Unter anderem auch die, warum man die Reparatur nicht einfach "Straßensanierung" nenne. "Dann könnte es die Gemeinde bezahlen", ist Tremmel überzeugt.
"Ein bisschen herrichten geht nicht", meinte Elztals Bürgermeister Marco Eckl beim Vor-Ort-Termin im November. Ein Provisorium funktioniere im Talweg nicht. "Verlässliche Zahlen" könne die Gemeinde aber erst nennen, wenn die Ergebnisse der Flussgebietsuntersuchung vorlägen. Laut Zeitplan, der bei der Informationsveranstaltung bekannt gegeben wurde, ist das im März der Fall. Abhängig seien die Beiträge der Anwohner davon, was von Gemeindeseite alles gemacht werden müsse. Ob die Verdolung, der Kanal und die Wasserleitung erneuert werden müssen. Je mehr öffentliche Aufgaben im Untergrund zu erledigen seien, desto weniger Prozent der Kosten entfallen auf die Anwohner. Zahlen gibt es dennoch nicht, betonte Eckl.
"Für uns als Laien steht einfach fest: Die Straße muss repariert werden. Einen Vollausbau will hier keiner", sagt Lars Thalwieser. In den Wochen nach dem Unwetter, als endlich alles vorbei war, wollte man ein gemeinsames Straßenfest feiern. Denn neben den materiellen Schäden hat es auch das Innerste der Anwohner "tief getroffen", was in der Unwetternacht passiert ist.
Sven Tremmel hat noch wochenlang Sandsäcke an seinem Haus aufgestellt. Kathrin Thalwieser konnte fünf Monate lang kaum schlafen, wenn es geregnet hat. Zu diesen Sorgen seien dann noch die finanziellen dazu gekommen. "Andere planen über unsere Köpfe hinweg", sagt Kathrin Thalwieser, was sie stört. Und ein bisschen ist es wieder wie im Mai. Als das Wasser kam. Auch da konnte sie erst mal nur zuschauen. Und dachte: "Das kann nicht real sein."



