Nach 100 Jahren schließt das Gipswerk in Neckarzimmern
Am heutigen Freitag ist der letzte Arbeitstag im Gipswerk Neckarzimmern - Berufliche Zukunft aller Beschäftigten gesichert

Über ein Jahrhundert lang wurde in Neckarzimmern Gips produziert. Heute gehen in dem Traditionsbetrieb an der B 27, in dem zuletzt 15 Mitarbeiter beschäftigt waren, für immer die Lichter aus. Foto: Jörn Ludwig
Von Jörn Ludwig
Neckarzimmern. Vor den Toren des Gipswerks in Neckarzimmern prangt der Werbeslogan der Betreibergesellschaft Casea/Remondis: "Im Auftrag der Zukunft". Eine Zukunft für den Traditionsstandort am Neckar sieht das Unternehmen allerdings nicht mehr: Am heutigen Freitag geht nach über 100 Jahren die Geschichte der Gipsproduktion in Neckarzimmern zu Ende. Das Werk wird geschlossen, die Produktion auf andere Standorte verteilt.
Während wenige Kilometer flussabwärts die Belegschaft eines weiteren Traditionsbetriebs, der FFG-Werke (ehemals Maschinenfabrik Diedesheim / Hüller Hille), noch hofft, die geplante Werksschließung abwenden zu können, gibt es in Neckarzimmern kein Zurück mehr: 15 Beschäftigte - von der Putzfrau bis zum Facharbeiter - haben heute den letzten offiziellen Arbeitstag in ihrem bisherigen Betrieb. Doch anders als in Diedesheim, wurde im Gipswerk offenbar eine für alle Beteiligten tragbare Lösung gefunden.
"Wir haben den Sozialplan und die Abfindungsregelungen in enger Zusammenarbeit und im Einvernehmen mit der Arbeitnehmervertretung ausgearbeitet. Den Mitarbeitern wurden Arbeitsplätze in unserer Schwestergesellschaft Remondis in Mannheim angeboten", erklärte Casea-Geschäftsführer Dr. Alfred Schiffer im Gespräch mit der RNZ. Von dem Angebot Gebrauch gemacht habe allerdings keiner der Beschäftigten. "Da niemand auf uns zugekommen ist und um Unterstützung bei der Suche nach einer alternativen Stelle gebeten hat, gehe ich davon aus, dass alle einen näher gelegenen Arbeitsplatz gefunden haben", so Schiffer.
Werksleiter Swen Kramer bestätigt diese Vermutung: "Zwei Kollegen sind regulär in Rente gegangen, zwei weitere machen von Vorruhestandsregelungen Gebrauch, und bis auf einen haben alle anderen einen neuen Job - zum Teil bei Kommunen, zum Teil in der Industrie." Kramer ist überzeugt, dass auch der letzte Kollege, der erst vor einem Jahr von einer Leihfirma übernommen worden war, bald in ein neues Arbeitsverhältnis vermittelt werden kann: "Er ist ein guter Mann, deshalb haben wir ihn seinerzeit auch fest angestellt. Gespräche laufen, wir werden ihn unterbringen." Dem einzigen Auszubildenden habe man ebenfalls eine neue Stelle beschaffen können - "dank des großen persönlichen Engagements des Werksleiters", wie Alfred Schiffer anerkennend betont.
Kramer wiederum spart auch nicht mit Lob für seinen Arbeitgeber: "Man hat sich sehr gut um uns gekümmert. Die ausscheidenden Kollegen haben überdurchschnittliche Abfindungen erhalten, zusätzlich wurden Sonderzahlungen, z.B. für Beschäftigte mit Kindern, geleistet."
Nach den Gründen für die Werksschließung befragt, nannte Geschäftsführer Schiffer die "für einen wirtschaftlichen Betrieb nicht mehr ausreichende Rohstoffbasis" sowie das Alter des Gipswerks: "Eine Modernisierung wäre einfach zu teuer geworden." Das sieht auch der Werksleiter ein: "Zwar wurde nach der Übernahme durch die zur Remondis-Gruppe gehörende Casea GmbH im Jahr 2008 einiges in den Standort investiert, aber die Grundtechnik stammt noch aus den 1950er-Jahren. Das alles auf einen modernen Standard zu bringen, wäre in Anbetracht der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht bezahlbar."
Nach Schließung des Gipswerks hofft man nun - und ist zuversichtlich -, möglichst bald einen Käufer für die logistisch günstig an der Bundesstraße gelegene Immobilie zu finden. Nach Auskunft Schiffers haben sich bereits einige Interessenten aus der Steine-Erde-Industrie gemeldet, konkrete Verkaufsverhandlungen gebe es aber noch nicht.
Swen Kramer ist der einzige der Beschäftigten, der weiterhin im Remondis-Konzern tätig sein wird. Seine nächste Aufgabe ist nun die Abwicklung des Neckarzimmerner Werks, danach wechselt er an einen anderen Standort.