Mosbach

Altes Schlachthaus ist ein Ort mit besonderer Ausstrahlung

Das Alte Schlachthaus in Mosbach hat sich inzwischen als Kulturstätte etabliert.

07.02.2022 UPDATE: 08.02.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 24 Sekunden
Ein Blick in das Alte Schlachthaus, das seit 1998 dem Kunstverein Neckar-Odenwald als Ausstellungsstätte dient. Foto: Peter Lahr

Von Peter Lahr

Mosbach. Über das erste Leben des Alten Schlachthauses in Mosbach berichteten wir am Montag. Bis in die späten 1960er-Jahre wurde der Schlachthausbetrieb fortgeführt, dann übernahm der neue Schlachthof. In den 1970er-Jahren nutzte man das Gebäude vorübergehend als Teestube und Jugendtreff, danach diente es als Lager für den städtischen Bauhof. Mehrere Anbauten, Nebengebäude und Ställe wurden abgerissen, die neue Bundesstraße und die Fußgängerbrücke im Kontext der Landesgartenschau 1996 veränderten die Topografie des Quartiers nachhaltig. Für das Schlachthaus begann ein zweites Leben.

Ein neuer Akteur betrat die Bühne. Bereits 1977 entstand der Kunstverein Neckar-Odenwald, der über Jahrzehnte ein "Wanderdasein" fristete. Man stellte mal hier, mal dort aus, im Rathaussaal oder in Institutionen wie der AOK. Sein erstes festes Domizil in Mosbach fand der Kunstverein 1998 im Alten Schlachthaus. Auch wenn nicht alle begeistert davon waren, die Mehrheit war dafür. Nur ein Mitglied verließ den Verein, weil das Vorleben des Gebäudes noch "nachhalle" – Stichwort: quiekende Schweine.

Mit vereinten Kräften renovierten die Kunstfreunde, nahmen die Herausforderungen an. Denn mit dem festen Spielort kam es zu einer Art Quantensprung. Statt ein- bis zweimal im Jahr eine Ausstellung zu organisieren, galt es nun, über das ganze Jahr kontinuierlich zu agieren – von der Programmgestaltung über den Aufbau bis zum Stellen der Aufsichten. Und das alles ehrenamtlich! Zuschüsse halfen zwar bei der Renovierung, dennoch ist bis heute reichlich Eigeninitiative gefragt.

"Hängenlassen oder nicht?", lautete zunächst eine wichtige Frage. Im Fokus standen die Fleischerhaken an den Wänden. "Sie waren schon charakteristisch für den Raum und seine alte Funktion. Aber um den Raum als Galerie zu nutzen, war es die einzig praktikable Lösung, sie zu entfernen", erinnert sich Birgit Sommer, langjährige stellvertretende Vorsitzende des Kunstvereins. 2001 fand die erste dokumentierte Kunstausstellung im Alten Schlachthaus statt, im Folgejahr gelang Werner Zeh, dem damaligen Vorsitzenden, ein kleiner Paukenschlag. Mit "Jakobs Traum" präsentierte er drei Arbeiten von Anselm Kiefer, die aus einer Privatsammlung stammten. Damit machte der neue Kunststandort gleich überregional auf sich aufmerksam. Kiefer war kein Zufall. Denn der Künstler, der mittlerweile in Frankreich lebt, hatte bis zum Wegzug 1991 ein Atelier in Buchen und wollte sich eigentlich "im großen Stil" im Odenwald niederlassen.

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"Erstes Ziel des Vereins ist es, das Verständnis für Gegenwartskunst und die Beschäftigung mit dieser zu fördern", beschreibt Harald Kielmann, aktueller Kunstvereinsvorsitzender, die bis heute geltende Hauptaufgabe der ehrenamtlich Engagierten. Jedes Jahr organisiert der Verein bis zu zehn Ausstellungen. Während das Alte Schlachthaus nur über das Sommerhalbjahr bespielt werden kann – die später eingebauten Heizstrahler sind nur für moderate Temperaturen ausgelegt – kann im Buchener Kulturforum Vis-à-Vis ganzjährig ausgestellt werden. Die Unterschiede zwischen den beiden Standorten sind groß. Während in Buchen ein "White Cube" (weißer Würfel) eine ziemlich sterile Raumsituation bietet, sich im Gegenzug aber auch für sensible Papierarbeiten anbietet, ist das Alte Schlachthaus bis heute ein Ort mit einer ganz besonderen Ausstrahlung. Viele Künstler fühlen sich gerade von dieser nicht alltäglichen Raumsituation besonders angesprochen. Manche setzten sich auch schon mit der Vorgeschichte auseinander – bis heute verweisen einige Einbauten auf die ursprüngliche Funktion des Raums. Dennoch haftet der großen Halle mit ihren beiden Stützsäulen, dem großen Eingangstor und den hochgesetzten Fenstern etwas Sakrales an. Das indirekte Licht und das Murmeln des Bachs nebenan unterstützen die Atmosphäre. Gemälde und raumgreifende Installationen kommen hier ebenso gut zur Geltung wie Skulpturen. Durch den freien Eintritt und den Park im direkten Umfeld kommt manch ein Gast aus purer Neugierde. Mehrere Jahre lockte im hinteren Teil des Gebäudes zudem ein kleines Café. "Wir haben hier im Lauf der letzten 23 Jahre eine dreistellige Anzahl von Ausstellungen gezeigt, das allein belegt, wie attraktiv der Raum ist", bringt es Kielmann auf den Punkt – und hofft auf möglichst viele weitere Begegnungen an der unverwechselbaren Kultur-Spielstätte.

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