Innenstadtentwicklung

Mosbach soll "auch neue Entwicklungen zulassen können"

Oberbürgermeister Michael Jann spricht im Interview über die Entwicklung der Innenstadt.

20.07.2021 UPDATE: 21.07.2021 06:00 Uhr 4 Minuten, 58 Sekunden
Foto: Alexander Rechner

Mosbach. (stk) Die Innenstädte wurden durch die Coronapandemie einem Stresstest unterzogen. Noch ist nicht klar, wie die Städte und Fußgängerzonen nach Corona dastehen werden. Oberbürgermeister Michael Jann berichtet im RNZ-Interview von den Maßnahmen, mit denen man in Mosbach die Innenstadt stärken will.

Warum ist Innenstadtentwicklung so wichtig?

Die Förderung der Innenstadt ist zwar per se keine kommunale Kernaufgabe, aber Gemeinderat und Stadtverwaltung haben dies frühzeitig als zwar freiwillige, aber äußerst wichtige Aufgabe erkannt, um eine lebendige Innenstadt für unsere Bürgerinnen und Bürger zu erhalten und mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln weiter zu fördern.

Onlineshopping ist doch aber viel einfacher, oder?

Oberbürgermeister Michael Jann. Foto: RNZ

Der Trend zum Online-Einkauf ist nicht erst seit Corona eine Bedrohung der ansässigen Einzelhandelsgeschäfte und in Folge der Gastronomie und aller anderen Einrichtungen vor Ort. Aufhalten können wir diesen Trend nicht, aber wir können versuchen, dem gemeinsam mit allen Akteuren entgegenzusteuern! Der reine Versorgungseinkauf in den Innenstädten ist out, die Nachfrage nach "Events" und Kulturveranstaltungen nimmt zu, und die Städte – und damit meine ich uns alle – müssen ein hochwertiges Kontrastprogramm bieten und das Einkaufen zum Erlebnis machen.

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Und was tut die Stadt für dieses Erlebnis?

Mit vielfältigen Maßnahmen trägt auch die Stadt dazu bei, den Stadtkern zu fördern, zu profilieren und weiterhin wettbewerbsfähig, kundenfreundlich und serviceorientiert zu gestalten. Sei es durch umfangreiche Sanierungsmaßnahmen oder eben durch ein breites Angebot kultureller und überregional bekannter Veranstaltungen. Letztendlich liegt es an jedem Einzelnen von uns, ob wir lieber vom Sofa aus online shoppen oder durch unser Einkaufs- und Konsumverhalten die Geschäfte vor Ort unterstützen.

Was tut und hat man denn in Mosbach getan, um die Innenstadt weiterzuentwickeln?

Vor gut 20 Jahren, also schon sehr frühzeitig, haben wir die Stelle Citymanagement geschaffen und somit das Element, das sich der Thematik widmet. Im Laufe der Jahre gab es verschiedene Handlungskonzepte und Ansätze, wie die Attraktivität gesteigert werden kann. Von Anfang an haben wir die Zusammenarbeit mit unserem Einzelhandel, unserer Gastronomie und weiteren Akteuren gesucht, z. B. im Beirat Stadtmarketing.

Da gibt es ja auch noch den Arbeitskreis Innenstadt.

Richtig. Im Jahr 2019 hat die Stadt zusammen mit der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar den Arbeitskreis Innenstadt installiert, mit dem Ziel, die Innenstadt zukunftsfähig weiterzuentwickeln sowie den Informations- und Meinungsaustausch zwischen allen innerstädtischen Akteuren zu stärken, um wichtige Themen aufzugreifen und konkrete Projekte voranzutreiben. Zu den Themenfeldern gehören die Verbesserung der Erreichbarkeit, die Steigerung der Attraktivität, die Zielgruppe Jugendliche und Studierende, Öffnungszeiten, Aktionen wie der Mittagstisch, Lieferverkehr steuern.

Das klingt in der Theorie gut. Wie wird das denn in der Praxis umgesetzt?

Zu unseren regelmäßigen Aufgaben gehört es, die Aufenthaltsqualität in der Stadt zu verbessern. Etwa durch die Organisation und Finanzierung der Weihnachtsbeleuchtung, Blumenschmuck, Sitzgelegenheiten, familienfreundliche Maßnahmen wie die Still- und Wickelpunkte in Gastronomie, Geschäften und weiteren Einrichtungen, die Einführung der "Netten Toilette" zusätzlich zu den öffentlichen Toiletten, freies Wlan in der Innenstadt, die Sanierung der Pflasterflächen im Altstadtbereich, die Erneuerung des Parkleitsystems und ganz neu das Handyparken, die Erweiterung des Parkplatzangebots sowohl für Kunden als auch für Dauerparker. Aber auch Sauberkeit und Abfallvermeidung gehören dazu. Hier sind wir in den vergangenen Monaten mit dem Mehrwegsystem für die Gastronomie aktiv geworden.

Nicht nur für junge Menschen haben wir gemeinsam mit der DHBW einen Fitnessparcours in der Altstadt eingerichtet, der in Kürze offiziell freigegeben wird und – so hoffen wir – als weiteres Puzzlestück zur Belebung der Stadt beiträgt. Ganz wichtig sind natürlich Aktionen und Events wie etwa die Erlebnismärkte und Sommer- und Sonderaktionen wie die Alltagsmenschen-Ausstellung. Das zieht auch Gäste aus der Region an.

Wie hält man die Balance zwischen Bewahren und Entwickeln?

Mosbachs ist ein 1-A-Einkaufs- und Wirtschaftsstandort. Tatsächlich stehen nur wenige Städte so gut da wie die Große Kreisstadt Mosbach: Mit einem Zentralitätswert von 178,2 (laut IHK Rhein-Neckar / August 2019) haben wir einen Spitzenwert in der Region Rhein-Neckar erzielt. Damit wird der Stadt eine herausragende Bedeutung als Einzelhandelszentrum und für die Versorgung des Umlandes attestiert. Hier finden Kunden und Besucher in über 100 Einzelhandelsgeschäften mit 20.000 qm Verkaufsfläche alle zentrenrelevanten Artikel.

Und auch besondere "Lädchen" wie zum Beispiel "annas", wo es unverpackte regionale Artikel gibt, machen den Charme der Stadt aus. Nachhaltigkeit, Regionalität, Saisonalität – das waren schon immer Frequenzbringer für die Stadt, wie man unschwer samstags morgens auf dem Wochenmarkt sieht, und das sind auch unsere Zukunftsthemen. Wir haben zahlreiche inhabergeführte Fachgeschäfte, attraktive Gastronomieangebote, eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr sowie ausreichend Parkmöglichkeiten rund um die Altstadt – alles Pluspunkte, die es natürlich zu bewahren gilt.

Beim Bewahren geht es aber auch um den Bestandsschutz von Gebäuden.

Unsere historische Altstadt mit den malerischen Gassen und liebevoll restaurierten Fachwerkhäusern und dem Stadtpark als grünes Naherholungszentrum ist ein "Bonbon". Mit den Sanierungsprogrammen, die seit 2012 laufen, konnten in den letzten Jahren zahlreiche öffentliche und private Maßnahmen gefördert werden. Zu nennen ist zum Beispiel das Projekt "An der Bachmühle". Als besonders wichtiger Punkt ist die Schaffung von Wohnraum in der Altstadt zu nennen. 160 Wohnungen mit 9700 qm Wohnfläche konnten im Bestand modernisiert werden, 25 Wohnungen mit 3000 qm Wohnfläche wurden mithilfe der öffentlichen Fördergelder in Neubauten geschaffen. Das bringt Leben in die Stadt.

Was entgegnen Sie Menschen, die die umgesetzten Baumaßnahmen in der Stadt kritisieren? Aktuell soll das Röll-Areal neu entwickelt werden, wofür auch historische Gebäude weichen mussten.

Mit der Altstadtsanierung konnten dort, wo es nachhaltig und sinnvoll ist, Gebäude erhalten, saniert und einer Nutzung zugeführt werden. Aber dort, wo eine künftige Nutzung nicht absehbar ist, wo eine Sanierung nicht wirtschaftlich ist, muss man auch neue Entwicklungen zulassen können. Die schönen Fachwerkhäuser in unserer Altstadt haben über die Jahrhunderte zahlreiche Nutzungs- und sicher auch bauliche Änderung erfahren. Wenn man dies nicht in einem gewissen Maße zulässt, lebt man früher oder später in einem Museumsdorf. Denn auch im Bestand muss eine evolutionäre Entwicklung von Gebäuden möglich sein, um sich den wechselnden Aufgaben und Anforderungen der Zeit anzupassen.

Es gibt immer mal Leerstände in der Fußgängerzone. Inwieweit kann die Stadt eigentlich bei der Schließung dieser Lücken helfen?

Die aktive Kontaktaufnahme zu potenziellen Mietern oder Investoren ist für uns ebenso selbstverständlich wie eine regelmäßige Kontaktpflege mit den Händlern vor Ort. Ein aktives Leerstandsmanagement, die Mithilfe bei der Suche nach freien Geschäftsflächen steht ebenfalls auf dem Programm, wie auch die enge Zusammenarbeit mit den Vermietern. Mit diesen suchen wir auch immer wieder in puncto Mietpreishöhe das Gespräch. Im Segment Gewerbeimmobilien sind wir als Teil des überregionalen Portals Rhein-Neckar eingebunden. Die hilfreiche Zusammenarbeit mit Interessenten durch die Stadt gab hier schon mehrfach den Ausschlag für eine positive Ansiedlungsentscheidung für Mosbach. Zudem können Leerstände zum Beispiel durch Pop-up-Stores überbrückt werden.

Welche Gefahren und welche Chancen gibt es durch die Coronapandemie?

Die Chancen halten sich in überschaubaren Grenzen in Bezug auf die Innenstadt. Chancen gibt es wohl eher im Bereich der Arbeitswelt (Homeoffice) und einem anderen, neuen Bewusstsein für Mobilität. Für die Innenstadt hoffen wir, dass die Lust am Shoppen wiederkommt und unsere flankierenden Maßnahmen dazu beitragen, dass die Menschen den Besuch der Stadt als Einkaufserlebnis erfahren.

Was hat die Stadt unterstützend unternommen?

Wir haben unsere örtlichen Geschäfte während der Pandemie in dem uns möglichen Maße unterstützt. Sei es durch Online-Plattformen wie Gastro-Takeaway und Aktionen wie Stadterlebnis, Altstadtflimmern, Adventszauber, Alltagsmenschen und Raderlebnis, für die wir bislang gut 130.000 Euro ausgegeben haben. Dazu zählen auch neue Bistro-Garnituren, Maßnahmen für die Gastronomie – wie Sperrzeitenverkürzung, Erlass von Sondernutzungsgebühren – oder die Einrichtung unseres Kommunalen Testzentrums, die Aktion Luca-App-Schlüsselanhänger oder aktuell die 1000 Gutscheine zur Einführung des EasyParkens.

Wie lautet Ihr abschließendes Fazit zum Thema Innenstadtentwicklung?

Alles zusammen – Handel, Gastronomie, Dienstleistungsangebote und Arztpraxen, Wohnraum, Freizeit- und Kulturangebote – ist eine gelungene, zukunftsträchtige Mischung.

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