In neun Stunden über Namibia

Eberbacherin knackt Weltrekord in der Luft

Anja Kohlrausch fliegt im Segelflugzeug über Namibia: 1137 Kilometer in neun Stunden – Erfolg vom Dezember jetzt bestätigt

15.09.2017 UPDATE: 16.09.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 51 Sekunden

Blick während des Weltrekord-Fluges von Anja Kohlrausch am 17. Dezember vergangenen Jahres auf Namibia. "Es ist schon ein Privileg, so etwas sehen zu dürfen", sagt die Fotografin.

Von Martina Birkelbach

Eberbach. "Es war der weiteste, größte und landschaftlich schönste Flug in Namibia", schwärmt Anja Kohlrausch. Dass sie damit den Weltrekord geknackt hat, freut sie natürlich, aber sie wäre auch nicht traurig gewesen, wenn das nicht geklappt hätte. Für die promovierte Pharmazeutin steht der Spaß beim Segelfliegen im Vordergrund. Mit "ein bisschen was zu Trinken und einer Scheibe Brot" ist die 49-jährige Eberbacherin am 17. Dezember vergangenen Jahres im Südwesten Namibias in die Luft gegangen. Mit der Antares 20E, einem Segelflugzeug der offenen Klasse mit 20 Meter Spannweite. Vom Flugzentrum Bitterwasser aus ging es entlang der Namib-Wüste, wobei sie drei vorher angemeldete Wendepunkte anfliegen musste. 1137 Kilometer hat sie in dieser "offenen Klasse mit unbegrenzter Spannweite" in neun Stunden und zwölf Minuten zurückgelegt; von 10 bis nach 19 Uhr (Ortszeit).

"Die Luft muss morgens immer erst aufgeheizt sein, damit eine gute Thermik entsteht." Damit hat sie den bisherigen Weltrekord von 1110 Kilometern geknackt. Erst kürzlich hat die Weltorganisation FAI (Fédération Aéronautique Internationale) den neuen Weltrekord formal anerkannt. "Das dauert immer etwas, bis das offiziell ist. Auf jeden Fall ist es die bislang am weitesten geflogene Strecke von einer Frau" mit vorab deklarierten Wendepunkten, erklärt sie.

Kohlrausch trainiert beim Segelfliegerclub Eberbach (SFC) auf dem Fluggelände in Rothenberg und beim LSV Weinheim. Ab kommenden Jahr will sie aber nur noch für Eberbach starten; "es ist sehr aufwendig mit zwei Vereinen". In Namibia war sie bereits zum fünften Mal. Dieses Mal blieb sie zweieinhalb Wochen. "Das ist ein tolles Land und es herrschen die idealen Bedingungen für den Segelflug: Sehr gute Aufwinde, und der Luftraum ist bis 6000 Meter freigegeben", sagt sie. In Deutschland sei die Flughöhe auf 3000 Meter begrenzt. Die neun Stunden Flug zum Weltrekord hat sie nicht als neun Stunden wahrgenommen. "Das ist ein Flow-Erlebnis, es ist spannend, wie alles von selbst geht; die Wüstenlandschaften sind fast surreal", schwärmt sie weiter. Und vor allen Dingen genießt sie die Stille in der Luft und das "ganz für sich sein". Der Boden in Namibia hatte etwa 40 Grad und in der Luft "ging es dann schon an die Null-Grad-Grenze". Was man da anzieht sind laut Kohlrausch "ganz normale Sportklamotten".

Der jetzt bestätigte Weltrekord ist bei weitem nicht alles, auf das Kohlrausch stolz sein kann. Sie hält noch zwei Geschwindigkeitsweltrekorde über 1000 Kilometer Dreiecksstrecke, beide aufgestellt in Namibia. Seit 2007 den in der 15-Meter-Klasse mit 121 km/h und seit Silvester 2013 den in der offenen Klasse (bis 28 Meter Flügelspannweite) mit 138 km/h. Sie war Vize-Weltmeisterin in der 15-Meter-Klasse im Jahr 2007 bei der Weltmeisterschaft der Frauen in Romoratin/Frankreich. Sie hat bislang fünf Mal den Titel "Deutsche Meisterin" im Streckensegelflug (in den Jahren 2005, 2008, 2012, 2013 und 2016) und gute Chancen den Titel auch in diesem Jahr wieder zu holen. Die "Deutsche Meisterschaft im Streckensegelflug" ist ein dezentraler Wettbewerb, bei dem die jeweils drei größten Flüge des Jahres gewertet werden. Aktuell belegt Kohlrausch in der Frauenwertung den ersten Platz, Wertungsschluss ist aber erst Ende September. Der dritte und entscheidende Flug der Wertung wurde vom Segelfluggelände in Rothenberg geflogen - als Dreiecksstrecke mit rund 700 Kilometern. Außerdem war sie 2008 Deutsche Meisterin in der 15-Meter-Klasse (Deutsche Meisterschaften der Frauen in Neustadt an der Weinstraße). Die 15-Meter-Klasse wird auch oft als Rennklasse bezeichnet. "Es ist wie ein kleiner Porsche in der Luft", vergleicht Kohlrausch. Im vergangenen Jahr hat sie in Eberbach den dritten Platz bei der Wahl zur "Sportlerin des Jahres" belegt.

"Ein wunderschöner Sport"

"Die Erlebnisse werden immer größer, es gibt immer wieder neue Strecken - es ist einfach ein wunderschöner Sport", schwärmt Kohlrausch. Angefangen hat sie eigentlich als 18-Jährige mit dem Gleitschirm. In Freiburg ist sie dann mit dem Gleitschirm "mal nicht losgekommen". Sie fragte die Segelflieger nebenan, ob sie mal mitdürfe. Sie durfte. Und blieb dabei. Das war im Jahr 1998. Seit 2011 lebt sie in Eberbach, "vorher in Oberschwaben". In diesem Jahr hat sie bislang rund 20.000 Kilometer mit dem Segelflugzeug zurückgelegt. Mit dem Gleitschirm ist sie zwischendurch auch noch unterwegs.

Etwa jedes zweite Wochenende verbringt sie auf dem Segelflugplatz, von April bis September - wenn es nicht regnet. "Die haben sich natürlich über den Weltrekord alle mitgefreut."

Doch auch wenn Kohlrausch oft abhebt, so ist sie trotzdem nicht so abgehoben, dass sie nur auf die Titel aus ist. Da ist sie auf dem Boden geblieben und schwärmt von ihrem Hobby: "Fliegen ist meine Leidenschaft, wenn die Landschaften an einem vorbeiziehen und man sieht alles aus der Vogelperspektive - das ist unglaublich faszinierend. Es ist schon ein Privileg, so etwas sehen zu dürfen; ich kann mir keinen schöneren Sport vorstellen."

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