Hirschhorn

Alte Schneidmühle wird zum Therapiezentrum mit Tagesklinik

Praktiziert wird anthroposophische Medizin erweitert um "Anthropofonetik" - Umbaustart

30.08.2020 UPDATE: 31.08.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 49 Sekunden
Der Geschäftsführer des Michael-Heilzentrums, Christoph Broens, vor der „alten Schneidmühle“, so, wie sie momentan noch aussieht. Fotos: Barbara Nolten-Casado

Von Barbara Nolten-Casado

Hirschhorn. Ein wenig verwunschen wirkt sie, die alte Hirschhorner "Schneidmühle" – als warte sie nur darauf, aus einem langen Dornröschenschlaf endlich zu neuem Leben erweckt zu werden. Rund 500 Jahre hat das historische Gebäude auf dem Buckel. Diente es einst als Mahl- und Ölmühle sowie als Schneidmühle, auf der zum Beispiel 1711 die Balken für den neuen Dachstuhl der Ersheimer Kirche zurecht gesägt wurden, so richtete der Schneidmüller Josef Franz Zipp dort 1912 eine Turbinenanlage zur Stromerzeugung ein, die die erste Hirschhorner Stromversorgung ermöglichte. Zuletzt wurde die ehemalige Mühle als Wohnhaus genutzt. Doch nun soll in ihren Mauern ein Therapiezentrum mit einer Tagesklinik entstehen: das "Michael-Heilzentrum für Anthropofonetik, Anthroposophische Medizin in Therapie, Forschung, Ausbildung gGmbH".

Es war 2017, als der in der Schweiz tätigte anthroposophische Arzt Christoph Broens zu einer Fortbildung im Bereich der "Anthropofonetik" im "Haus des Gesangs" in der Hauptstraße weilte – einer neuen Heilmethode, die der dort lebende Künstler, freie Forscher und Heiler Atmani entwickelt hat und bei der der menschlichen Stimme eine besondere Bedeutung zukommt. Im Gespräch mit anderen anwesenden Ärzten und Therapeuten entstand die Idee, ein Zentrum zu errichten, an dem neben anthroposophischen Heilmethoden auch die Aus- und Weiterbildung von anthroposophischen Ärzten und Medizinstudenten sowie die Forschung einen hohen Stellenwert erhalten sollten. Auch sollte das Zentrum, nicht zuletzt durch künstlerische Veranstaltungen, ein "Ort des lebendigen Austauschs und des Wachstums für alle beteiligten Menschen" werden. Und da mit dem Verein "Orphideum" und seinem "Haus des Gesangs" bereits einiges an anthroposophischer Infrastruktur in Hirschhorn vorhanden war, stand schnell fest, dass das neue Heilzentrum ebenfalls hier entstehen sollte. Mit der alten Schneidmühle samt Nebengebäude wurde das passende Objekt gefunden, das mit dem zugehörigen Wiesengrundstück wie geschaffen schien für die Pläne der Therapeuten. Mitte 2019 wurde das Objekt Eigentum der "Michael-Heilzentrum gGmbH", im Herbst vergangenen Jahres begannen erste Renovierungsarbeiten.

"Aber der richtige Umbau geht jetzt los", erklärt der Geschäftsführer des neuen Heilzentrums, Christoph Broens, der für ein paar Tage zu Gesprächen mit Architekt und Handwerkern an den Neckar gereist ist. Pendelt er zurzeit noch zwischen seiner Arztpraxis in Baden in der Schweiz und dem Neckartal, so wird er nach Abschluss der Arbeiten für ganz nach Hirschhorn ziehen. In Kürze komme das Gerüst, berichtet Broens, dann würden Sandstein- und Verputzarbeiten durchgeführt. Im Erdgeschoss der Mühle soll eine Zwischendecke abgetragen werden, um Platz zu schaffen für die Einrichtung von "Dodekaeder-Farbkammern", wie sie vom Begründer der Anthroposophie, Rudolf Steiner, konzipiert wurden. "Darin wird mit Farben, aber auch mit Lauten, Klängen und geometrischen Formen gearbeitet", erklärt Broens. "Sie alle haben ja bestimmte Wirkungen auf den Menschen."

Die Schneidmühle, wie sie einstmals aussah und bald wieder aussehen soll.

Im ersten Obergeschoss sind aktuell bereits zwei Therapie- bzw. Sprechzimmer eingerichtet und werden bereits zur Behandlung einzelner Patienten genutzt. Nach dem für Sommer 2021 geplanten Abschluss der Umbau- und Renovierungsarbeiten sollen sechs Infusionsplätze, zum Beispiel zur "Fiebertherapie", und vier auch als Behandlungsräume nutzbare Sprechzimmer zur Verfügung stehen. Auf dem angrenzenden Wiesengrundstück ist für die Zukunft ein Anbau für weitere Therapieräume geplant. Außerdem soll dort ein Heilkräutergarten angelegt werden.

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Neben Christoph Broens wird mit Hartmut Endlich ein weiterer Arzt am Heilzentrum tätig sein. Beide sind Fachärzte für Allgemeinmedizin und haben darüber hinaus Ausbildungen in anthroposophischer Medizin absolviert. Letztere lehnt die Begrenzung von Krankheit auf das materiell Erfassbare ab, begreift Mensch-Sein vielmehr als konkretes, lebendiges Zusammenwirken von Körper, Seele und Geist. Eine Heilpraktikerin und eine Psychologin werden das Therapeutenteam vervollständigen. Mit einem neuen integrativen therapeutischen Konzept, bei dem die klassische anthroposophische Medizin durch "Anthropofonetik" erweitert wurde, sollen am Michael-Heilzentrum unter anderem komplementäre Krebstherapien durchgeführt sowie chronische Erkrankungen im rheumatischen und neurologischen Bereich, orthopädische und psychosomatische Erkrankungen behandelt werden. Das Michael-Heilzentrum werde als Privatpraxis geführt, so Broens. Dabei sei ein Therapiefonds geplant, aus dem Patienten, denen die finanziellen Mittel für eine Behandlung fehlten, zukünftig bezuschusst werden könnten.

Die Rechtsform des Zentrums ist die einer "gemeinnützigen GmbH". Die Mitarbeiter erhielten Gehälter, aber es gebe "keine Privatabschöpfung", erläutert er. "Wir möchten in einem sinnvollen Projekt arbeiten und natürlich davon leben können, aber nicht dabei reich werden", beschreibt Broens die Motivation des Teams. Warum man dem Therapiezentrum den Namen "Michael" vorangestellt hat? "Der Erzengel Michael hat doch laut biblischer Erzählung den Drachen getötet", erläutert Broens. "Er steht als Symbol für das Gegenüber von Gut und Böse, von Gesundheit und Krankheit – und dafür, dass die guten Kräfte siegen".

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