Hettingen

Sind das die Überreste eines römischen Lagers?

Der Hettinger Markus Müller hat auf einer Satellitenaufnahme womöglich eine interessante archäologische Entdeckung gemacht

14.01.2019 UPDATE: 14.01.2019 20:00 Uhr 3 Minuten, 19 Sekunden

Was liegt am Hettinger Ortsrand im Boden vergraben? Auf der Luftbildaufnahme sind möglicherweise Konturen menschlicher Bauwerke zu erkennen. Zur besseren Kenntlichmachung wurden die Linien teilweise rot hervorgehoben. Foto: Google Maps / RNZ-Repro

Von Rüdiger Busch

Hettingen. Sorgt die Entdeckung eines Neubürgers, der erst vor einem Jahr der Liebe wegen zugezogen ist, dafür, dass die Geschichte Hettingens neu geschrieben werden muss, dass aus dem Maurerdorf möglicherweise das Römerdorf Hettingen wird? Ein Satellitenbild und eine Reihe weiterer von Markus Müller zusammengetragener Indizien legen zumindest den Verdacht nahe, dass in Hettingen - neben dem bekannten Kleinkastell "Hönehaus" - ein zweites, größeres Römerkastell stand. Falls im Hettinger Untergrund tatsächlich die Überreste eines so großen Bauwerks versteckt sind, wäre dies eine archäologische Sensation. Die extreme Dürre des vergangenen Sommers und der glückliche Umstand, dass das betreffende landwirtschaftliche Grundstück zum Zeitpunkt der Luftaufnahme nicht bewirtschaftet wurde, seien, so Müller, dafür verantwortlich, dass die Spuren des Bauwerks nun von oben gut zu erkennen seien - nachdem sie mehr als 1700 Jahre verborgen waren.

Der aus Lippstadt stammende Markus Müller interessiert sich schon seit Kindheitstagen für Geschichte und Archäologie und speziell für die Römer. Dieses Interesse hat der 47-Jährige auch nach seinem Umzug nach Hettingen beibehalten. So wurde er gleich Mitglied des örtlichen Heimatvereins, und er begann damit, die Region mit Hilfe von Satellitenbildern nach möglichen archäologischen Funden zu untersuchen.

Gut vier Wochen ist es her, dass Müller beim Studieren einer Satellitenaufnahme eine Entdeckung machte, die ihn seither nicht mehr loslässt: Auf einem Feld am Ortsrand, in unmittelbarer Nähe der Amorbacher Straße, sah er gerade Linien im Boden, die wohl von Menschenhand geschaffen sein müssen. "Ich konnte anfangs nicht mehr schlafen, so stark hat mich dieser Fund und die Frage, was dahinterstecken könnte, beschäftigt", berichtet Müller.

Dass diese Konturen im Untergrund sich nun so gut abzeichnen, liegt an der starken Dürre des vergangenen Sommers, ist sich Müller sicher (die Satellitenaufnahme stammt vom Juli 2018). Ein Artikel der Süddeutschen Zeitung stützt diese These, denn durch die Trockenheit würden sich Kontraste am Boden verstärken, wodurch sich Überreste von Bauten deutlicher abzeichnen würden. Im Artikel der "Süddeutschen" wird der Archäologe Baoquan Song von der Ruhr-Universität Bochum zitierte, der neue Areale im bekannten Römerlager Vetera castra I bei Xanten und neue Überreste in einem Römerlager-Komplex bei Bedburg-Hau aufspürte.

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Auf einer Satellitenaufnahme hat Markus Müller (r.) möglicherweise archäologische Spuren entdeckt. Gundolf Scheuermann (M.) und Marco Hartmann (l.) vom Hettinger Heimatverein reagierten mit großem Interesse auf den Fund. Foto: Rüdiger Busch

Liegt auch im Hettinger Boden ein archäologisch bedeutender Fund begraben? Markus Müller, der als Vertriebsdirektor eines großen Unternehmens arbeitet, glaubt fest daran, und er hat auch eine Theorie, was hinter seiner Entdeckung stecken könnte.

"Zuerst dachte ich an einen römischen Bauernhof, an eine Villa Rustica", erzählt Müller. Die sich abzeichnende Struktur der Gebäude habe dazu aber nicht gepasst. Also legte er zum Vergleich die Skizze eines Kohortenkastells neben die Luftaufnahme - und sie passte. Der 47-Jährige will auf dem Satellitenbild zwei Hauptgebäude, ein Nebengebäude und sogar einen Brunnen ausgemacht haben. Seine Vermutung: Hettingen beherbergte einst ein 480 Mann starkes Kohortenkastell.

"Mir ist aber natürlich klar, dass dies höchstens Indizien sind und noch lang kein Beweis", betont Müller, dem - bei aller Leidenschaft für Geschichte und Archäologie - die Fakten wichtiger sind als Gefühle. Und so begann er, die vorhandenen Quellen zu studieren und zu überprüfen, ob sich ein weiteres Kastell in der Region überhaupt mit dem aktuellen Stand der Wissenschaft vertragen würde. Und siehe da: Müller machte die zweite überraschende Entdeckung. Er stieß auf einen wissenschaftlichen Text über das Kastell Alteburg Walldürn, in dem von einem möglichen zweiten, noch nicht gefundenen Kastell bei Walldürn die Rede ist. Lag es einst gar nicht bei Walldürn, sondern bei Hettingen?

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Der Limes in Deutschland, mit 550 Kilometer das längste Bodendenkmal nach der Chinesischen Mauer, stellte in der Zeit vom frühen zweiten bis zum dritten Jahrhundert die Grenze zwischen dem Römischen Reich und den germanischen Stammesverbänden dar. Er verläuft durch die Gebiete der heutigen Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz. Errichtet wurde der Limes in verschiedenen Ausbaustufen in der Zeit zwischen 100 und 160 nach Christus. Über 100 größere und kleinere Militärlager und 900 Wachttürme reihten sich entlang der Grenzsperren, die in der Provinz Obergermanien als Holzpalisade bzw. Erdwall und Graben, in der Provinz Raetien als Steinmauer ausgeführt waren. Quelle: Deutsche Limeskommission

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"Das wäre natürlich sensationell", sagt Gundolf Scheuermann, der Vorsitzende des Hettinger Heimatvereins. Als "beeindruckend" bezeichnet sein Stellvertreter Marco Hartmann die Entdeckung Müllers und die nachfolgenden Recherchen. Für seine Theorie sprächen, so Müller, noch weitere Indizien: An der Limeslinie betrug der übliche Abstand zwischen zwei Kohortenkastellen 14 Kilometer. Aber: An der fast 30 Kilometer langen Strecke zwischen Osterburken und Miltenberg gibt es kein großes Kastell einer regulären Einheit - zumindest kein Bekanntes. Bekanntlich wurde der Limes streckenweise so gerade errichtet, als wäre der Verlauf mit dem Lineal gezeichnet worden. Nimmt man nun ein solches Lineal und verbindet die Kastelle Osterburken und Miltenberg, dann liegt Hettingen direkt an der Linie.

Weshalb lag dieses Kohortenkastell nicht direkt am Limes, sondern einige Kilometer zurückversetzt? Welche Einheit soll dort stationiert gewesen sein? Auf diese und weitere Fragen, hat Markus Müller mögliche Antworten. Doch er möchte nicht spekulieren, sondern er erhofft sich klärende Aussagen von Seiten der Behörden, denen er seine Entdeckung sofort gemeldet hat. Wie das Landratsamt auf Anfrage der RNZ mitteilte, bedürfe der Fund "einer eingehenden, denkmalfachlichen Prüfung. Deshalb wurden die Unterlagen an das Landesamt für Denkmalpflege weitergeleitet. Eine Stellungnahme liegt noch nicht vor. Bisher ist an der benannten Stelle kein archäologisches Denkmal kartiert."

Das Interesse der Experten hat der Hobbyforscher auf jeden Fall geweckt: "Es sind Anhaltspunkte da, dass dort archäologische Spuren im Boden sind", sagt Dr. Klaus Kortüm vom Landesamt. Allerdings könnten Spuren in Luftbildern durch viele Faktoren beeinflusst werden, schränkt er ein. Der sehr trockene Sommer 2018 habe aber "archäologische Spuren zu Tage gebracht, die vorher nicht da waren", weiß Kortüm. Auch in Hettingen? Das werden die Fachleute klären müssen.

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