Haßmersheim

"HolzLand Neckarmühlbach" blickt auf ein Jahrhundert zurück

Krisenfest seit 100 Jahren: Vom Sägewerk zum führenden Holzfachhandel im Landkreis.

11.04.2023 UPDATE: 11.04.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 7 Sekunden
Eine Luftaufnahme von Neckarmühlbach aus dem Jahr 1933. Oben links im Bild ist Burg Guttenberg zu sehen, rechts unten das Sägewerk mit viel Platz zum Lagern der Stämme und Schnittware. Foto: Familie von Gemmingen

Von Caspar Oesterreich

Neckarmühlbach. Inflation, Fachkräftemangel, Energiekrise und die große Angst vor einem Rückgang der Konjunktur. Wirtschaftlich ging es Deutschland schon besser – neu ist die Sorgen einer Rezension aber keinesfalls: "Es ist bei dieser rasch fortschreitenden Geldentwertung leicht verständlich, dass den Einnahmen aus Holz im Winter heute Ausgaben gegenüberstehen, die in keinem Verhältnis zu den erzielten Erlösen stehen", schrieb Gustav von Gemmingen am 23. Juni 1923 in einem Brief an seine Verwandten.

"Die bei den großen Konjunkturschwankungen so ungünstige Möglichkeit, den Nutzholzanfall aus den Guttenberger Waldungen gewinnbringend zu verwerten, veranlasst uns, die Gründung eines Sägewerks in Neckarmühlbach vorzuschlagen."

Welche Früchte sein "Start-up" ein Jahrhundert später tragen sollte, konnte der damals 25-Jährige wohl kaum erahnen. Das Sägewerk wuchs, überlebte den Zweiten Weltkrieg und profitierte danach von den Wiederaufbaujahren in der Bundesrepublik. Große Stämme werden zwar längst nicht mehr in Neckarmühlbach zerteilt.

Bereits Mitte der 1980er-Jahre stellte man die Sägeaktivitäten zugunsten des Handels komplett ein. Mit einem Umsatz zwischen fünf und sechs Millionen Euro im Jahr, 25 Mitarbeitern und gleich zwei Onlineshops ist das "HolzLand Neckarmühlbach" mittlerweile zum führenden Holzfachhandel im Neckar-Odenwald-Kreis geworden.

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"Mein Großvater war ein sehr findiger Mann, hat die Dinge immer wieder neu gedacht", erzählt Bernolph von Gemmingen, der den Betrieb in dritter Generation führt. Auch die Gastronomie und der Tourismus auf Burg Guttenberg gehe auf Gustav von Gemmingen zurück.

Während die großen Harvester heutzutage Bäume im Minutentakt fällen können und ganzjährig eingesetzt werden, ging der Forstbetrieb vor 100 Jahren hauptsächlich im Winter vonstatten. "Die Landwirte waren nicht auf ihren Feldern beschäftigt und das Holz war trockener", erläutert Bernolph von Gemmingen den Grund dafür. Das hohe Angebot im Winter habe jedoch zu geringen Preisen der Stämme im Weiterverkauf geführt, die sich durch den damaligen Konjunktureinbruch dann noch einmal verschlechterten.

"Man kann dieser Geldentwertung ausnahmsweise nur dadurch entgehen, dass man Holz zum späteren Verkauf als Rundholz lagert oder im Sommer Nadelholz zum Einschlag bringt", schrieb Gustav von Gemmingen 1923 an den Familienrat. Sei aber die Verarbeitung des Holzes in Eigenregie in einem Sägewerk möglich, könnte zu jeder Zeit und nach Bedarf Schnittware abgesetzt werden, begründete er seine Überlegungen.

"Auch zu normalen Zeiten wird sich die Verarbeitung lohnen, wenn man in Erwägung zieht, dass der Gewinn, den Holzverarbeitung und Holzhandel macht, in die eigene Kasse fließt." Nicht nur die Bäume aus Neckarmühlbach sollten im Sägewerk Verwendung finden, sondern auch jene aus dem Familienwald in Niedersteinach. "Der Zukauf von fremdem Holz neben Lohnsägerei dürfte den Betrieb erst voll nutzbar und rentabel machen."

Zwischen 2000 und 5000 Festmeter Holz seien im Neckarmühlbacher Sägewerk im Jahr verarbeitet worden, erzählt der Enkel. "Zur damaligen Zeit war das ein großer Betrieb, heutzutage aber eine kleine Nummer", so Bernolph von Gemmingen. Mehr als fünf Millionen Festmeter Holz würde der Marktführer in Deutschland mittlerweile umsetzen.

Um das Fortbestehen des Betriebes im Wandel der Zeit zu sichern, habe bereits sein Vater immer wieder neue Angebote entwickelt. Gut kann sich Bernolph von Gemmingen noch an ein Fotoshooting zusammen mit seinen Geschwistern für ein Werbeprospekt erinnern. Sein Vater hatte mehrere große Holzbausätze entworfen, aus denen sich kleine Häuschen oder Burgen zum Reinklettern zusammensetzen ließen. "Die Klötze waren vom Prinzip mit Lego zu vergleichen, nur viel größer und verdammt schwer für uns Kinder", erzählt Bernolph von Gemmingen und grinst.

Schon von Kindheitstagen an lernte der spätere Geschäftsführer das Sägewerk kennen, bekam mit, als sich das Unternehmen zum Holzhandel umstrukturierte und eine Schreinerei eingliederte. 1996 stieg Bernolph von Gemmingen nach seinem Studium schließlich in den Familienbetrieb ein. Ein Jahr später erfolgte die Kooperation mit HolzLand, um gemeinsam mit heute 200 Händlern in Deutschland bessere Konditionen im Einkauf verhandeln zu können oder etwa die Werbung zu gestalten.

Zum Jubiläumsfest Ende März kamen zahlreiche Besucher ins „HolzLand Neckarmühlbach“. Foto: Stefan Weindl

Von dem Holz, das man heutzutage verkaufe, komme nur noch ein geringer Teil aus dem eigenen Wald. "Das wäre auch viel zu wenig", sagt der Geschäftsführer. Die meisten Bäume aus Neckarmühlbach werden in die ganze Welt verkauft – man lieferte sogar mal 100 Eichenstämme über den Brenner bis nach Venedig, um dort das Fundament eines Palazzo zu stabilisieren. 100 Jahre nach Betriebsgründung liegt der Fokus im HolzLand Neckarmühlbach auf der Beratung, dem Verkauf von Bauholz sowie der Arbeit der Bauschreinerei, die die angebotenen Böden verlegt, Saunen zimmert, Türen und Holzdecken montiert oder Gartenterrassen und Schichtschutzelemente fertigt. "Die Nachfrage im Bausektor während der Corona-Pandemie war ein echter Boom für uns", sagt Bernolph von Gemmingen.

Während sein Großvater das Unternehmen erst ankurbeln musste und "sicher sehr viele Klinken geputzt hat", liegt die Zukunft seit bald 25 Jahren in den Händen seines Enkels. "Fachkräftemangel, Digitalisierung, Klimawandel", zählt Bernolph von Gemmingen seine Herausforderungen auf. Aber auch diese werde man überwinden. Als krisenfeste Unternehmer haben sich die Freiherren schließlich schon seit 100 Jahren mit ihrem Holzbetrieb bewiesen.

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