Eberbach

Kommen die Flüchtlinge ins Schmeißer-Stift oder ins Curata?

Der Rhein-Neckar-Kreis hat zwei Optionen zur Unterbringung von Flüchtlingen in der Stadt. Noch gibt es keine Verträge mit dem Altersheim-Verein.

02.01.2023 UPDATE: 02.01.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 11 Sekunden
Kommen Flüchtlinge in das seit zwölf Jahren leer stehende Schmeißer-Stift (unser Bild) oder ins Curata nach Rockenau? Foto: Rainer Hofmeyer

Von Rainer Hofmeyer

Eberbach. Bei der letzten Mitgliederversammlung im Verein Stiftung Altersheim e.V. schienen die Weichen gestellt. Noch Ende September hat eine überraschend kleine Zahl Anwesender nahezu einstimmig grünes Licht für eine an sich zweckfremde Nutzung des Dr.-Schmeißer-Stifts gegeben. Danach sollen Flüchtlinge im Gebäude an der Luisenstraße untergebracht werden. Gedacht ist an die Nutzung für zwei, drei Jahre – mit der Option einer Verlängerung. Vornehmlich sollen wohl Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine kommen.

So waren die anscheinend amtlichen Planungen noch im Herbst: Der in Flüchtlingsfragen zuständige Rhein-Neckar-Kreis richtet auf Kosten des Kreises oder Landes die Liegenschaft mit ihren bisher 90 Zimmern zum Wohnen her, und dem Verein Altersheim wird eine pauschale monatliche Miete gezahlt.

Die geringe Teilnahme an der Vereinszusammenkunft schien wohl auszudrücken, dass die Hoffnung der Mitgliederschaft auf eine durchgreifende Lösung für die Alten der Stadt angesichts des seit zwölf Jahren andauernden Dilemmas rund um das verfallende Gebäude schon aufgegeben ist.

Vermieten würde der Vereinsführung zumindest einen Aufschub für weitere Überlegungen geben. Die zuletzt angedachte Gründung einer Genossenschaft macht ohnehin keinen vorzeigbaren Fortschritt. Was aus dem Schmeißer-Stift werden soll, ist über ein Dutzend Jahre nicht entscheidend auf den Weg gebracht worden.

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Nachdem nämlich der Gemeinderat den Kauf von vier Geschäftsanteilen je 80.000 Euro abgelehnt und damit dem Verein die angedachte Werbung für die Genossenschaft verdorben hatte, legte der Vorstand diese Idee auf Eis. Mit der Unterbringung von Flüchtlingen hätte man wenigstens vorübergehend eine vernünftige Verwendung für das Haus und auch etwas für den Erhalt der Bausubstanz getan.

Baulich wäre für den Rhein-Neckar-Kreis beim Schmeißer-Stift ein hoher Aufwand zu betreiben. Nach der Entscheidung im Altersheim-Verein, das Gebäude in der bisherigen Form nicht weiter zu nutzen und sich 2010 mit dem "Lebensrad" neu aufzustellen, wurde nämlich die bisherige Liegenschaft nicht nur vernachlässigt, sondern regelrecht ausgeschlachtet.

Brandschutztüren wurden ausgebaut und sollten im Hohenstaufen-Gymnasium Verwendung finden. Dort passten sie jedoch nicht. Und mit ihrem Ausbau beim Schmeißer-Stift war dort formal der behördlich bestätigte Brandschutz erloschen. Für eine weitere Verwendung des Schmeißer-Stifts bedarf es einer neuen Baugenehmigung.

Neuer Brandschutz, Feuermelde-Anlage, neue sanitäre Einrichtungen – all das sollte nun Sache des Rhein-Neckar-Kreises sein. Zentrale sanitäre Gemeinschaftsräume wurden angedacht, genauso neue Brandschutztüren und Außentreppen für den Notfall. Bislang ging man von einer Million Euro Bausumme aus; inzwischen wird mit höheren Kosten gerechnet. Das Regierungspräsidium habe seine Zustimmung gegeben, heißt es.

Entgegen Gerüchten hat die Stadt keine Zusage zu einer Übernahme eines Teiles der Kosten gemacht. Die kolportierten 600.000 Euro Zuschuss für den Umbau wären ja mehr gewesen als die vom Gemeinderat verweigerten 320.000 Euro für die Anteilscheine der Genossenschaft.

Verträge zwischen Kreis und Verein wurden nicht geschrieben. In der Vereinsführung ging man bislang dennoch von einer festen mündlichen Absprache mit dem Rhein-Neckar-Kreis aus. Es ging ja bei der Frage der Unterbringung von Flüchtlingen in Eberbach bislang alternativlos nur um eine Liegenschaft – das Schmeißer-Stift.

Überraschend hat sich jedoch inzwischen für den Rhein-Neckar-Kreis eine neue Option ergeben. Zum ersten Mai wird das Curata-Seniorenheim in Rockenau frei. In der Höchstzahl konnten dort bislang 120 Bewohner untergebracht werden. Zwar genügt der Zustand der Einrichtung nicht mehr den behördlichen Vorgaben für Pflegeeinrichtungen, aber durchaus den Bedürfnissen und Richtlinien für Flüchtlingsunterkünfte. Insoweit wäre das Curata-Pflegeheim in fünf Monaten bereits so gut wie übergabereif. Und es gäbe auch mehr Platz als im Schmeißer-Stift.

Ob das Curata-Heim zusätzlich oder alternativ zur Unterbringung im Schmeißer-Stift infrage kommt, muss offenbleiben. Ob der Rhein-Neckar-Kreis in Eberbach zwei Flüchtlingsunterkünfte braucht, hängt von der Migrationslage ab. Für das Schmeißer-Stift lag bislang die Eberbacher Präferenz auf Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine.

Wird nur ein Haus gebraucht, entscheidet womöglich die Vergleichsrechnung für zwei, drei Jahre Nutzung: Hoher baulicher Aufwand und längerer zeitlicher Vorlauf, dafür niedrigere Mietkosten beim Schmeißer-Stift oder geringerer bis kein baulicher Aufwand und schnellerer Einzug beim Curata, aber höhere Miete.

Für eine spätere Nutzung des Schmeißer-Stifts als Pflegeheim wird die Ertüchtigung durch den Kreis für eine Flüchtlingsunterkunft nicht ausreichen. Die baulichen Änderungen müssten anschließend um- oder rückgebaut werden; es entstünden neue Kosten.

Das Landratsamt hält sich derzeit noch bedeckt. Auf Anfrage dieser Zeitung bestätigte der Rhein-Neckar-Kreis lediglich, "hinsichtlich beider Objekte im Austausch mit den Eigentümern" zu stehen. Zu Vertragsverhandlungen und -inhalten wolle man "momentan noch keine Auskünfte" erteilen.

Würde der Rhein-Neckar-Kreis das Curata-Haus statt des Schmeißer-Stifts auswählen, wäre man bei Stadt und Verein in Eberbach enttäuscht. Man wollte mit der vorübergehenden Nutzung des ehemaligen Altersheimes die Substanz erhalten und finanziellen Nutzen für den Verein ziehen. Der Vorteil bliebe in Eberbach.

Bei der Wahl des Curata-Hauses hätten hingegen am Ende stadtfremde Investoren den Vorteil. Die haben den Preis für ihre Liegenschaft in Rockenau so hochgehalten, dass sich die Curata Holding zurückgezogen hat und in Eberbach rund 120 Heimplätze für Senioren verloren gegangen sind.

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