Eberbach

Jugendliche erzählen über ihr Jahr in der Pandemie

"Es hat nicht mehr viel mit dem Leben zu tun, das ich kannte". Die Zeit hat Spuren hinterlassen.

30.05.2021 UPDATE: 31.05.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 35 Sekunden
Die „böse Alte“ auf dem Sweatshirt ist eher Selbstironie: Jugendarbeiterin Sandra Smentek hilft den Jugendlichen im Treff des Postillion-Vereins auch in Corona-Zeiten, wo sie nur kann. Fotos: Helen Moayer Toroghy

Von Helen Moayer Toroghy

Eberbach. Bunte Lichter, eine große Discokugel, ein Billardtisch: Die Jugendarbeiter des Postillion-Vereins setzen alles daran, dass sich die junge Generation im Jugendtreff wohlfühlt. Und das tut sie auch: Regelmäßig kommen unter normalen Umständen junge Menschen nach der Schule her, spielen Dart, kochen gemeinsam oder tauschen sich aus.

"Die Pandemie ist nicht spurlos an den jungen Menschen vorübergegangen", sagt Jugendarbeiterin Sandra Smentek. Mit Rat und Tat steht sie Teenagern und jungen Erwachsenen im Jugendzentrum zur Seite, unterstützt sie bei Problemen und organisiert gemeinsame Ausflüge. Doch im letzten Jahr ist es im Jugendtreff ruhig geworden und Angebote sind nur noch online oder im Einzelgespräch möglich.

Smentek bemerkt, vor welche Herausforderungen ihre Schützlinge gestellt werden: Der Stoff im Heimunterricht sei zum Teil zu viel, einige Kinder technisch nicht richtig ausgestattet. "Auch psychische Probleme haben durch die Isolation zugenommen", so Smentek. Im Jugendzentrum, das seit kurzem wieder einzelne Gruppen reinlassen darf, erzählen Jugendliche über ein Jahr Pandemie.

Zu zweit Dart spielen ist wenigstens ein bisschen Normalität. Fotos: Helen Moayer Toroghy

"Immer nur am Bildschirm allein zuhause die Schulaufgaben zu lösen, macht keinen Spaß", sagt der 16 Jahre alte Steven. Die Motivation zum Lernen habe bei ihm stark abgenommen: "Das Miteinander fehlt auch einfach", so Steven.

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Außerdem hätten einige Lehrer die Aufgaben am PC nicht richtig erklären können. Dass das "Homeschooling" auf Dauer zermürbend ist, darin stimmen die Jugendlichen überein: "Nur am PC zu lernen erschöpft einfach", erklärt die 19-jährige Shelly.

"Warum hat man nicht gleich einen harten Lockdown machen können. So wie es in anderen Ländern der Fall war", fragt der 19-jährige Kevin. Dann hätte man schon längst mehr Normalität zurück. Kevin hat eine Ausbildung zum Krftfahrzeug-Mechatroniker gemacht. Nachdem sein Betrieb die Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken musste, habe man es sich nicht leisten können, ihn zu übernehmen. Auch einen neuen Azubi habe die Firma in diesem Jahr nicht zur Ausbildung aufnehmen können.

Mit solchen Problemen und Zukunftsängsten sind derzeit zahlreiche junge Menschen konfrontiert. "Es hat nicht mehr viel mit dem Leben zu tun, das ich vorher kannte", sagt der junge Mechatroniker. Seiner Meinung nach hätte der Staat dafür sorgen müssen, dass auch kleine Unternehmen ihre Fördergelder bekommen und nicht nur die Großen.

"Jedes Bundesland konnte seine eigenen Bestimmungen machen", kritisiert auch die 17-jährige Gloria das Lockdown-Hin-und-Her. Dass hätte gleich viel einheitlicher laufen können. Gloria macht gerade ein freiwilliges soziales Jahr in einer Kinderkrippe. Dass die Maßnahmen wichtig sind, sei ihr und ihren Freunden bewusst. Wer den Jugendtreff betritt muss erst einmal Hände desinfizieren. "Es ist natürlich schwer die Kontakte so zu reduzieren", sagt Gloria. Sie hätte sich aber gewünscht, dass sich noch mehr Leute daran gehalten hätten. Manche Maßnahmen würden für die Jugendlichen aber einfach keinen Sinn ergeben: "Warum können wir zum Beispiel im Klassenzimmer die Masken abnehmen aber im Schulhof, im Freien, müssen wir sie tragen?", fragt Steven.

Auch solle man nicht gleich Jugendliche verdächtigen die Coronaregeln zu brechen: "Ich habe das Gefühl es werden immer zuerst Jugendliche kontrolliert", sagt der 18-jährige Marco. Einmal sei er mit Freunden auf dem Skateplatz gewesen. Ringsum waren mehre Gruppen von Erwachsenen. "Die Polizei hat aber nur uns kontrolliert", sagt Marco.

Die Jugendlichen haben ein Jahr voller Entbehrungen hinter sich. Und zwar in einem Alter, in dem man zum einen feiern möchte, zum anderen aber gleichzeitig auch viele Grundsteine für die Zukunft legt. Sie fühlen sich von der Politik vergessen und wünschen sich, dass man ihnen mehr zuhört: "Wenn Jugendliche einen Vorschlag machen, wird es nicht ernst genommen. Sobald der gleiche Vorschlag von einer Person um die 40, 50 kommt, sind die Ohren gleich wieder offen", so der 20-jährige Philipp.

Nach dem Ende der Pandemie ist ein Ausflug an den See geplant. Auch Dart soll endlich wieder gespielt werden. Im Moment suchen die Jugendlichen dafür einen ausgemusterten Dart-Automaten. Wer so etwas noch im Keller hat und den Jugendlichen eine Freude machen will, der kann sich bei Sandra Smentek melden.

"Ich finde es wichtig nicht zu vergessen, dass man auch selbst mal jung war", sagt Smentek darüber, was sie zur Jugendarbeit motiviert.

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