Eberbach

Gärtnerei Emmerich über Arbeitsalltag, Lehrstellen und schlechtes Benehmen

Die Gärtnerei Emmerich stellt bei Bewerbern mitunter fest, dass neben Sachwissen auch grundlegende Kenntnisse im Benehmen fehlen

31.05.2017 UPDATE: 01.06.2017 06:00 Uhr 3 Minuten, 8 Sekunden

Der Eberbacher Gärtnerei-Inhaber Wilhelm Emmerich rät Jugendlichen auf Lehrstellensuche, sich mit Praktika Einblick zu verschaffen, ob sie den Anforderungen des jeweiligen Berufs gerecht werden können. Foto: Hajo Eckert

Von Hajo Eckert

Eberbach. Fachkräfte werden im Gartenbau dringend benötigt. Der Beratungsbedarf der Kunden sei wegen der Produkt-Vielfalt hoch, ebenso seien es ihre Ansprüche. In einem Interview über die Ausbildungssituation im Ziergartenbau gibt Wilhelm Emmerich von der gleichnamigen Eberbacher Gärtnerei seine Eindrücke wider. Umgangsformen und gewisse fehlende Grundfertigkeiten bemängelt er bei Auszubildenden.

Sie bilden in Ihrem Betrieb Lehrlinge aus. Wie viele haben Sie derzeit?

Wilhelm Emmerich: Ja, wir bilden aus zum Gärtner im Zierpflanzenbereich. Meist haben wir einen Auszubildenden im Betrieb. Dazu kommen noch Lehrlinge vom Botanischen Garten in Heidelberg. Dort können nicht alle Ausbildungsinhalte erfüllt werden. Den Verkaufsteil müssen sie in einer Erwerbsgärtnerei durchführen. Dann haben wir deren Azubis für ein Jahr hier. In dieser Zeit sind sie eine richtige Stütze. Der botanische Garten hat super Leute. Bei uns arbeiten dann noch fünf Aushilfen und zwei festangestellte Vollzeitkräfte.

Wie viele Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz erhalten Sie pro Jahr?

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Pro Jahr sind es ca. zwei Anfragen für eine Ausbildung. Das sind diejenigen, die die Gärtnerarbeit auch wirklich machen wollen und Spaß daran haben. Darin liegt eigentlich der Vorteil bei der Auswahl. Es bewerben sich ungefähr genau so viel Mädchen wie Jungen.

Welchen Schulabschluss setzen Sie voraus und worauf legen Sie bei einem Auszubildenden den größten Wert?

Ein Hauptschulabschluss ist ausreichend. Wichtig ist für uns die praktische Arbeit und das Gefühl für die Pflanzen.

Diese Voraussetzungen erkennt man nicht aus dem Schulzeugnis. Wie stellen Sie sicher, dass der künftige Lehrling diese berufsspezifischen Anforderungen erfüllt?

Das Gros der Auszubildenden kommt von der Schule und macht vorher ein Praktikum bei uns. Dabei sieht man schnell, ob es passt oder nicht. Meist ist es so, dass der Praktikant schnell erkennt, ob ihm die Arbeit gefällt.

Sind die Qualifikationen der Schulabgänger ausreichend?

Bisher war die Schulqualifikation noch kein absolutes Kriterium. Im Gartenbau sind, wie gesagt, auch Qualifikationen ausschlaggebend, die nicht unbedingt in der Schule gelehrt werden. Das ist insbesondere das Interesse für Natur und Pflanzen.

Haben Schulabgänger entsprechende Kenntnisse in der Pflanzenwelt?

Meist fangen wir bei Null an. Teils wissen die neuen Auszubildenden nicht, wie Tomatenstöcke aussehen und kennen keine Pflanzen, außer der Tulpe.

Wenn es schulische Defizite gibt, wo liegen diese?

Das Allgemeinwissen ist teils mangelhaft. Die Kenntnisse in Rechtschreibung und Grammatik sind manchmal problematisch. Rechnen ist oft ein Manko. Mathematik ist auch bei uns wichtig, beispielsweise beim Ausrechnen des Mischungsverhältnisses der Dünger oder beim Eintopfen.

Funktioniert dies bei Ihren Lehrlingen?

Der Lehrling, der Anfang Herbst beginnt, kann rechnen, muss aber unterstützt werden.

Einerseits bleiben viele Lehrstellen unbesetzt, andererseits finden viele Jugendliche keinen Ausbildungsplatz. Wie erklären Sie das?

Ich stelle nur Personen ein, die sich von sich aus bewerben, da der Gärtnerberuf zu speziell ist. Das muss jemand auch wirklich wollen. Wenn sich niemand bewirbt, lasse ich es lieber. Bevor ich dann jemand suche, der vielleicht wieder abspringt.

Ist die Ausbildungssituation schwieriger geworden?

Auf eine bestimmte Art und Weise schon. Man muss den Azubis beibringen, wie man den Besen hält, wie man kehrt. All diese Basics sind unzureichend. Die Umgangsformen sind oberflächlicher und schwieriger geworden.

Welche Rolle spielt dabei das Elternhaus?

Die Umgangsformen sind bei den Jugendlichen teils ungeschliffen. Da hätte jeweils das Elternhaus einwirken können. Möglichst gute Umgangsformen sind für uns wichtig, da wir Kundenverkehr haben. Es fängt damit an, dass man den jungen Auszubildenden das ’Guten Tag’ und ’Auf Wiedersehen’ noch beibringen muss.

Das verlangt dem Ausbildungsbetrieb erzieherische Aufgaben ab, oder?

Im Großen und Ganzen haben wir bisher Glück gehabt. Es ist vielleicht ein Vorteil bei einem Gärtnereibetrieb, dass teils auch Aussteiger aus anderen Berufen, etwa Verkäuferinnen, ihre Vorliebe für die Natur entdecken. Im letzten Herbst hat jemand hier die Lehre angefangen, der vorher eine Spenglerlehre begonnen hatte und nun Gärtner werden will. Bisher eignet er sich gut. Aber meist sind Frauen die Umsteiger.

Wie viel verdient ein Lehrling im Gartenbau?

Das Lehrlingsgehalt ist im Rahmen. Im dritten Lehrjahr sind es 740 Euro.

Stellen die Arbeitsbedingungen für die Auszubildenden ein Problem dar?

Die Arbeitsbedingungen stellen für Lehrlinge kein Problem dar. Selten arbeiten sie am Samstag, dann auch nur in der Saison.

Wie sehen Sie die Zukunft für das Gartenbau-Handwerk?

In den Zierpflanzengartenbau will fast kein Azubi mehr rein, da diese Betriebe nach und nach aussterben. Im Bereich Gartenbau stehen sie am Ende der Auswahlliste von Azubis. Der Landschaftsbau ist die ’Bundesliga’ im Gartenbau.

Worin liegen die Gründe für diese Situation im Zierpflanzenbereich?

Zierpflanzen sind eine schwierige Branche, und sehr rückläufig. Das Sortiment geht heute eher zu dauerhaften Pflanzen. Zudem wandelt sich die Friedhofskultur hin zu Urnengräbern. Für Gärten und Schrebergärten existiert kaum noch Nachfrage, allenfalls für einige Topfpflanzen und Hochstämmchen. Der Bereich Landschaftsgestaltung läuft wesentlich besser.

Was ist Ihr Fazit als Ausbilder?

Lehrer und Schüler der letzten zwei Jahrgangsstufen sollten zur Besichtigung in Handwerksbetriebe gehen. Ein ein- bis zweiwöchiges Praktikum in einem Betrieb halte ich auf jeden Fall für sinnvoll.

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