Eberbach

Corona hat Spaß an der Fastnacht (noch) nicht genommen

"Es hat keiner gesagt, dass es einfach wird": Joachim Banschbach, Vorsitzender der Karnevalfreunde Haidebow, über abgesagte Fastnachtsumzüge und Demotivation.

18.01.2022 UPDATE: 19.01.2022 06:00 Uhr 4 Minuten, 25 Sekunden
Fastnachtsumzug 2020: Haidebow goes Asia. Dann kam Corona, seither ist es still. Archivfoto: Martina Birkelbach

Von Martina Birkelbach

Haidebowland. (Das ist der nördlichste Teil Baden-Württembergs an der Grenze zu Hessen und Bayern). Mit einem fast elf Meter langen Mississippi-Schaufelraddampfer waren die Karnevalfreunde Haidebow (KfH) auf Tour bei den Fastnachtsumzügen 2018 in Eberbach, Hirschhorn, Neckargemünd, Mudau und Lohrbach. 2019 rückten sie mit einem Knusperhäuschen an. Die Karnevalfreunde Haidebow sind neben Kuckucken, Eulen und Urmeln der vierte Eberbacher Fastnachtsverein, allerdings veranstalten sie keine Saalfastnacht. Seit 1998 ist die Gruppe unterwegs, die Wagen begeistern jedes Mal das närrische Volk, und es gab zahlreiche Prämierungen in Mudau. Zum 22. Geburtstag im Jahr 2020 ließen die Haidebower es mit einem fast 13-Meter-Gespann unter dem Motto "Haidebow goes Asia" krachen. Und dann: Kam die Corona-Pandemie. 2021 und auch 2022: Keine Fastnachtsveranstaltungen. Wie Vorsitzender Joachim Banschbach damit klar kommt? Wir haben mit ihm gesprochen.

Herr Banschbach, wie verkraften Sie die bereits zweite Absage von Fastnachtsveranstaltungen?

Gute Frage "verkraften" (denkt nach)… Ich sage mal so, man hatte es ja wieder kommen sehen, bzw. hatten die Umzugsveranstalter schon angedeutet, dass (wenn überhaupt) nur Saalfastnacht möglich sei, Straßenkarneval aufgrund der vielen Auflagen, Vorgaben und Kontrollen usw. eher nicht durchführbar wäre. Dann hatte man noch ein wenig gehofft; sind ja noch ein paar Tage hin und die Lage ändert sich ja auch ständig wieder – aber dann irgendwann kam die Ernüchterung und die Erkenntnis, dass es diese Saison auch wieder nichts werden wird.

Vorsitzender Joachim Banschbach. (Foto: mabi) 

Träumen Sie manchmal von den Umzügen?

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Nee träumen noch nicht (lacht), aber wenn ich entsprechende Lieder oder Videoclips von vergangenen Kampagnen höre bzw. sehe, werde ich schon wehmütig und denke zurück an die Zeit vor Corona.

Sie sind Perfektionist, was den Wagenbau angeht? Hatten Sie schon viel vorgeplant, bevor die Absage kam?

Wir hatten letztes Jahr Ende September unsere Jahresversammlung. Da war es unter Corona-Regeln noch möglich; und da wurde unter anderem auch schon über ein Thema/Motto für 2021/2022 abgestimmt. Zwar stand es damals auch schon in den Sternen, ob Umzüge überhaupt möglich sind, aber zumindest wäre dann schon mal das Motto festgelegt gewesen, und wir hätten nicht extra nochmal eine Versammlung deswegen einberufen müssen – hätte es grünes Licht gegeben. Ideen dafür gab es zum Teil auch schon, aber meistens kommen die dann eh erst beim Bauen. Wir haben jedoch folgendes Problem: wir können nicht anfangen zu bauen und dann mittendrin aufhören und alles einlagern. Der Hallenanbau, in dem unser Faschingswagen das Jahr über untergestellt ist, ist nur so hoch, dass er dort blank – also ohne Aufbau – so reinpasst. Deshalb muss bis spätestens im Dezember entschieden werden, ob wir überhaupt anfangen zu bauen. Mittendrin dann wieder aufhören müssen und alles zurückbauen, ist demotivierend und sehr frustrierend für einen Wagenbauer.

Wie geht es den Mitgliedern? Gab es einen Mitgliederschwund, und gab es überhaupt weitere Treffen?

Seit März 2020 gab es zum Glück nur einen Austritt, aber dieser war nicht wegen der Pandemie, sondern wegen Zeitmangels. Das erste Treffen seit dem ersten Lockdown war, wie eben erwähnt, die Jahresversammlung im September 2021. 2020 hatten wir wegen der damaligen strengeren Auflagen auf diese verzichtet. Es war damals schon klar, dass es 2021 keine Faschingsumzüge geben wird, und es standen auch keine Wahlen an. Im Herbst hatten wir dann noch ein paar Arbeitseinsätze angesetzt, da wir ja planten mit unserem Verkaufswagen wieder auf dem Eberbacher Weihnachtsmarkt präsent zu sein. Da sind immer noch einige Rest- und Umbauarbeiten offen. Aber aus dem Weihnachtsmarkt wurde dann leider auch wieder nichts. Zwar steht dieser Wagen nun in der Haidebow-Scheune auf dem Wagenbauplatz, und es wird daran weitergearbeitet, aber schön coronakonform im kleinen Rahmen und je nach Lust und Laune und Wetterbedingungen.

Wie verbringen Sie jetzt die Zeit? Basteln und tüfteln Sie an etwas anderem?

Einerseits bin ich froh, wenn ich bei diesem nasskalten und trüben Wetter nicht vor die Tür muss, bzw. in die Scheune, aber irgendwie fehlt mir doch etwas.

Mittlerweile ist es teilweise auch demotivierend. Zumindest geht es mir schon so und ich muss mich regelrecht zwingen. Der Druck bzw. die Perspektive ist einfach nicht da, und dann lasse ich es schleifen und denke mir für was auch. Arbeiten stehen noch genügend an. Neben dem Verkaufswagen sollte die Seitenverkleidung unseres Faschingswagens umgebaut bzw. neu beplankt werden. Außerdem steht die feste Toilette an, die schon seit 2016 auf den Wagen sollte. Dazu nagt an unserem rollenden Vereinsheim der Zahn der Zeit, und die Homepage sollte noch neu aufgelegt werden.

Ich beschäftige mich momentan eher mit Projekten aus dem privaten Bereich oder bei anderen Vereinen/Organisationen. Und ehrlich gesagt habe ich momentan auch wenig Lust, unter der Berücksichtigung der Maskenpflicht usw. Vereinsarbeiten zu tätigen. So lasse ich es lieber ganz bleiben oder arbeite als One-Man-Show total coronakonform.

Hat Ihnen Corona den Spaß an der Fastnacht genommen?

Noch nicht. Ich betone: noch! Ich will ehrlich sein. Ich sollte als Oberhaupt unseres Vereins eigentlich voll motiviert und voller Tatendrang sein und die Truppe in dieser Zeit bei Laune halten. Mittlerweile habe ich aber wirklich Bedenken, ob es, wenn es irgendwann mal wieder möglich sein wird, so sein wird wie früher vor der Pandemie. Vielleicht merkt der eine oder andere, es ging jetzt auch zwei, drei Jahre ohne Fasching, warum sollte ich jetzt… .

Wir steuern auf das dritte Corona-Jahr zu, und ob es dieses Jahr wieder einen Weihnachtsmarkt oder 2023 einen Faschingsumzug geben wird, kann mir niemand garantieren. Hoffen und wünschen kann ich viel. Aber mit den zwei Variablen kann ich nicht kalkulieren und nicht planen. KfH steht finanziell gut dar. Wir haben momentan geringere Ausgaben der Fixkosten wie Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge. Aber wir sind ein Faschingsverein, und wenn uns die Grundlage unseres Handelns entzogen wird, bzw. wir keine Vereinsarbeit mehr ausüben können/dürfen, muss ich mir irgendwann überlegen, wie es weitergehen soll – und ob es überhaupt ein Weiter gibt?

Das klingt vielleicht jetzt ziemlich hart. Keine Panik, es wird jetzt nicht angestrebt Haidebow in nächster Zeit aufzulösen! Aber solche Gedanken gehen mir schon durch den Kopf.

Anderseits sind wir nur ein (ganz) kleiner Karnevalverein, noch ohne jegliche Existenz-Probleme oder Mitgliederschwund. Viele Betriebe und Geschäfte wissen nicht wie lange sie noch überleben können. Es gibt ja ganze Berufssparten, die seit zwei Jahren eingeschränkt sind – oder ein komplettes Berufsverbot haben.

Was wünschen Sie sich und auf was freuen Sie sich am meisten?

Dass Masken wieder ihre feste Zeit im Jahr haben. Dass Umzüge nicht als Spaziergänge deklariert werden und von Polizisten begleitet werden müssen. Dass ich Wellen am Strand genießen kann und beim Boostern nur noch an ein Schnellladegerät im Kfz-Bereich denken muss. Und dass ich irgendwann den Satz sagen kann ’…weißt du noch, damals bei Corona…’. Ich freue mich, wenn es endlich mal wieder heißt "Haidebow ist on Tour".

Herr Banschbach, Danke für das Gespräch.

Ich hätte aber noch einen Schlusssatz...

Aber gerne doch, einer geht noch...

Auch wenn ich vielleicht etwas Schwarzmalerei betrieben habe – die Hoffnung stirbt zuletzt. Auf alle Mitglieder, Mitstreiter, Vereinskollegen, Freunde, Fans und Unterstützer ein dreifaches Haide-Bow, Haide-Bow, Haide-Bow. Haltet durch, ganz nach dem Haidebow-Motto: "Es hat keiner gesagt, dass es einfach wird".

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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