Mosbach Aktiv will neue Regeln für den Einzelhandel
Lockerung der Geschäftsschließung gefordert - "Wir können nicht mehr zeigen, was wir können"

Mosbach. (schat) Holger Schwing steht in seinem Laden "Reine Männersache" und legt Hemden zusammen. Fast wie immer. Aber eben nur fast. Denn Schwing ist völlig alleine, weder Mitarbeiter noch Kunden sind da, die Ladentüre zur weitgehend verwaisten Hauptstraße ist zugeschlossen. Was der Vorsitzende von Mosbach Aktiv da zusammenpackt, ist eine Bestellung eines treuen Kunden, der am Abend zuvor online beim Herrenmodespezialisten ein paar Hemden geordert hat. "Ja, ein paar vereinzelte Bestellungen über unsere Homepage oder per Telefon haben uns schon erreicht", erklärt Holger Schwing, um dann aber gleich den relativierenden Hammer auszupacken: "Damit können wir natürlich nicht ausgleichen, was uns durch die Schließung des Ladengeschäfts fehlt. Nicht mal annähernd."
Im Laden ist Schwing zwar meist allein, mit seinen Problemen allerdings nicht. Die in der Werbegemeinschaft Mosbach Aktiv vereinten Einzelhändler haben seit Mitte März ihre Geschäfte geschlossen (zu halten), um eine weitere Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen – so das Ziel der einschneidenden Maßnahmen. Für die Einzelhändler ohne Geschäft ist nicht nur der Betrieb ausgesetzt – auch der Leitsatz "geteiltes Leid ist halbes Leid" gilt in der Coronakrise nicht. Jeder hat sein eigenes Päckchen zu tragen in Form von Miete, laufenden Kosten oder Vorleistungen für Warenbestellungen. "Ich hab’ mich ehrlich gesagt noch gar nicht getraut, auf die Umsatzzahlen zu schauen", gibt Holger Schwing zu. Schon die Vorstellung bereitet ihm Bauchschmerzen. Und die Kollegen von Mosbach Aktiv? "Wir sitzen alle im gleichen Boot, jeder von uns hat große Sorge um seine Existenz."
Bei der Werbegemeinschaft ist man durchaus dankbar, dass die jüngsten Aufrufe nach Unterstützung zumindest teilweise angekommen sind. Die Gutscheinaktion "Ihre Lieblingsgeschäfte brauchen Sie ..." sei gut angelaufen – und habe ein paar Euro Umsatz in die Kassen der geschlossenen Geschäfte gespült. Auch über die Online-Schiene oder übers Telefon sei ein bisschen was machbar, an guten Tagen unterstützen Schwing auch die in Kurzarbeit befindlichen Mitarbeiter. Aber: "Wir sind keine Online-Profis", sagt Holger Schwing, "das können andere besser, da brauchen wir uns nichts vormachen."
Zu den Fachgeschäften in Mosbach kämen die Kunden, weil die Faktoren Ware, Raum und Mensch passen, weil es fachliche Beratung und einen zwischenmenschlichen Austausch in einem angenehmen Ambiente mit stimmigem Sortiment gebe. Die Grundlage dieses (erfolgreichen) Geschäftsmodells sei durch die verordnete Schließung der Läden komplett entzogen. "Wir können nicht mehr zeigen, was wir können, was uns ausmacht", verdeutlicht der Mosbach-Aktiv-Vorsitzende das Dilemma der Einzelhändler.
200 bis 250 Kunden, so berichtet Schwing, frequentieren an einem normalen Tag sein Damenmode-Fachgeschäft in der Hauptstraße. Etwa 100 davon kaufen auch etwas ein. Dieses Aufkommen, dieser Umsatz lasse sich nicht ausgleichen, da könne man sich noch so um alternative Ideen und Wege zum Kunden mühen. "Wir müssen wieder öffnen dürfen", sagt Holger Schwing daher. Eine klare Perspektive sei notwendig. Eine Öffnung dürfe/müsse dann mit strengen Vorgaben verbunden sein, etwa was die Anzahl der Kunden im Laden, die Abstandsregeln oder die Schutzvorkehrungen für die Mitarbeiter anbelangt.
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"Ich habe für meine Beschäftigten 300 Schutzmasken bestellt", bereitet sich Schwing für die Zeit nach den Schließungen vor. Er hofft auf neue Regelungen spätestens ab 20. April (bis 19. April sind die Schließungen vorerst vorgegeben), auf Kunden, "die uns nicht vergessen haben". Und wenn keine Lockerung kommt: "Dann könnte es böse enden", prophezeit Holger Schwing für sich und die Einzelhandelskollegen. Aber dieses Szenario blendet er aktuell ebenso aus wie seine Umsatzzahlen.



