In Eberbach müssen Leute manchmal weggeschickt werden
In St. Nepomuk reichen die Sitzplätze nicht immer aus - Große Mehrheit akzeptiert Einschränkungen - "Manchmal müssen wir Leute wegschicken"

Von Barbara Nolten-Casado
Eberbach. Auch Kirchen- und Moscheegemeinden unterliegen seit Oktober noch strengeren Corona-Vorgaben als zuvor. Was die Umsetzung der Verordnungen für die Gemeinden bedeutet und wie ihre Mitglieder sie aufnehmen, darüber sprachen wir mit Gemeindevertretern.
Andreas Hock ist Pfarrgemeinderat der katholischen Seelsorgeeinheit Edith Stein und Mitarbeiter im Gemeindeteam der Eberbacher Pfarrei St. Johannes Nepomuk. "Für mich fängt der 11-Uhr-Gottesdienst am Sonntag um 9.30 Uhr an und hört um 13.30 Uhr auf", berichtet er: Kirche aufschließen, lüften, die erlaubten Plätze in den Bänken markieren gehört zu seinen Aufgaben. Er stellt die Stehtische am Kircheneingang auf, an denen seine Frau Hannelore und ihr Mitstreiter Raphael Diehm darauf achten, dass jeder Gottesdienstbesucher sich in die bereitgelegten Teilnahmeformulare einträgt. Wenn die ersten Kirchgänger eintreffen, beginnt für Andreas Hock der Ordnerdienst: er weist den Gläubigen ihre Plätze in den Bänken an.
Nach dem Gottesdienst ist alles wieder aufzuräumen, die Kirche zu lüften, die Bänke zu desinfizieren. Etwa 116 Plätze stehen derzeit aufgrund der Abstandsregeln in St. Johannes Nepomuk zur Verfügung. Doch in 90 Prozent der Sonntagsmessen reichten diese Plätze nicht aus, erklärt Hock. "Dann sagen wir, dass es uns Leid tut und wir keinen mehr reinlassen dürfen." Nicht jeder akzeptiere dies: "Anfangs sind wir zum Teil wüst beschimpft worden", berichtet Hock. Die meisten Menschen zeigten allerdings Verständnis für die Maßnahmen. Als Alternative für alle, die nicht am Gottesdienst teilnehmen können, will die Gemeinde diesen in Kürze per Live-Stream auf dem eigenen Youtube-Kanal übertragen.
Als problematisch für die Kirchengemeinde sieht Andreas Hock, dass "auch die treuen Kirchgänger weniger werden. Sie bleiben aus Angst vor Ansteckung weg oder weil wir sie mal wegschicken mussten. Oder auch, weil es ihnen in der Kirche zu kalt ist. "Die Lüftungsheizung muss ja während des Gottesdienstes ausgeschaltet sein, damit keine Aerosole verwirbelt werden." Sieht Hock auch Chancen in der Krise? "Ja", sagt er. "Man muss raus aus dem gewohnten Standard, kreativ werden und schauen, welche Alternativen möglich sind. Und die modernen Medien müssen jetzt verstärkt mit einbezogen werden."
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In der Katholischen Kirchengemeinde Neckartal, zu der auch Hirschhorn gehört, gelten die Vorgaben des Erzbistums Mainz. Dazu gehört auch, dass Besucher der Sonntagsgottesdienste sich bis freitags zuvor telefonisch oder per E-Mail dazu anmelden müssen. Sind darüber hinaus noch Plätze frei, so können sie an spontane Kirchgänger vergeben werden, ist von Pfarrer Pater Joshy zu erfahren. "Diese müssen sich dann am Eingang der Kirche in die Liste eintragen." Im Großen und Ganzen akzeptierten die Menschen die Maßnahmen, so der Pfarrer. Doch auch in Hirschhorn bleiben viele weg, etwa weil sie nicht singen dürfen – da fehle ihnen das Gottesdienstgefühl". Andere störe es, den gesamten Gottesdienst über den Mundschutz zu tragen. Alle Angebote für Gruppen müssten derzeit entfallen. Doch beobachte er auch das Entstehen von neuen Initiativen, wie etwa Kleingruppen, die gemeinsam beten. "Das Interesse der Menschen ist da."
Auch in der evangelischen Kirchengemeinde Schönbrunn hat es bislang keine räumlichen Engpässe beim Gottesdienstbesuch gegeben. "An Tagen wie dem morgigen Ewigkeitssonntag, wo wir mit deutlich mehr Teilnehmern rechnen, verlegen wir den Gottesdienst ins Freie", sagt Pfarrerin Nadine Jung-Gleichmann, "morgen zum Beispiel auf den Friedhof". Bei Taufen gebe es für jede Familie einen eigenen Gottesdienst. Trotz der vielen Abbrüche sieht Jung-Gleichmann auch "eine Riesenchance, dass man jetzt Vieles ausprobieren kann". Im Ältestenkreis laufe die Kommunikation derzeit vielfach über Mails oder eine "digitale Pinwand". Oder zum Beispiel "eingespielte Musik" neben dem Orgelspiel im Gottesdienst: "Da muss man Vorbehalte auch mal sein lassen."
In der evangelischen Kirchengemeinde Eberbach haben die vorhandenen Plätze in der Michaelskirche nach Aussage von Dekan Ekkehard Leytz bisher ausgereicht. Auch würden die Corona-Maßnahmen "erstaunlich problemlos" akzeptiert. Die Menschen seien dankbar, dass man Gottesdienst feiern könne und dass Solisten den ausfallenden Gemeindegesang zur Orgelbegleitung übernähmen. Jubel-Gottesdienste wie Goldene Konfirmationen müssten zwar entfallen. Dafür aber mache man "viele kleine Angebote", was mit größerem Aufwand verbunden sei. Digital biete man zurzeit Andachten mit Diakon Hans-Jürgen Habel an. Die bringe man per USB-Stick auch in die Altersheime, da dort zurzeit keine Gottesdienste stattfinden könnten.

In der evangelischen Kirchengemeinde Hirschhorn sei die maximale Zahl von 50 Personen in den Gottesdiensten bislang nicht erreicht worden, erklärt Pfarrer Jörg Awischus. "Bei Feiern wie Taufen oder Hochzeiten besprechen wir vorher mit den Familien einen Sitzplan, um zu schauen, wer mit wem ohne Abstand zusammensitzen kann." Probleme mit der Akzeptanz der Maßnahmen konnte Awischus nicht erkennen. Fehlender Gemeindegesang wird hier ersetzt, indem die Orgel die Melodie eines Liedes spielt, dann wird der Text von einer Person gelesen, anschließend erklingt erneut die Melodie. Den Ausfall von Gruppenerlebnis kompensieren der Pfarrer und seine Gemeindemitglieder durch "Eins-zu-Eins-Begegnung: per Telefon oder über den Gartenzaun hinweg."
Auch die muslimischen Moscheegemeinden leiden unter den Corona-Bedingungen, wie vom Vorstandsvorsitzenden der Haci-Bayram-Moschee in Eberbach, Sinan Akdeniz, zu erfahren ist. 48 Teilnehmer können hier derzeit an gekennzeichneten Plätzen am Freitagsgebet teilnehmen. "Sind die besetzt, kann keiner mehr rein", sagt er. Doch bisher sei das noch nicht vorgekommen, denn auch hier gilt: "Viele Ältere haben Angst und kommen jetzt nur noch selten."
Auf die gewohnten Treffen im Kaffee-Raum der Moschee müssen die Gläubigen derzeit verzichten. "Kermes, Ramadan – alles fällt aus", beklagt Akdeniz. Neben dem vermissten Gemeinschaftserlebnis bedrängt die Moscheegemeinden noch ein weiteres Problem: "Die Spenden entfallen, da viele Leute nicht mehr kommen", was laut Akdeniz bei etlichen Gemeinden zu Schulden führe. Sieht er auch Chancen in der jetzigen Situation? "Nein", sagt er. "Ich bin überall eingeschränkt, in der Moschee, im Familien – und Freundeskreis…"



