Kreistag beschloss Ausweitung des Pilotprojekts "Restmüllarme Abfallwirtschaft"
2020 soll der Landkreis komplett umgestellt sein

In Hardheim und Rosenberg haben sich die Bürger längst ans neue Abfallkonzept gewöhnt. Nun wird das Projekt auf Buchen und die Hardheimer Ortsteile ausgeweitet. Fotos: ahn/rüb
Neckar-Odenwald-Kreis. (rüb) Die effiziente und umfassende Verwertung von Abfällen ist angesichts der Endlichkeit der natürlichen Ressourcen eine der größten Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht. Der Landkreis und seine Abfallwirtschaftsgesellschaft haben die Zeichen der Zeit schon früh erkannt und 2010 ein Pilotprojekt gestartet, das beachtliche Erfolge vorweisen kann - und das nun ausgeweitet wird: Die "Restmüllarme Abfallwirtschaft" wird im Juni auf die Gesamtstadt Buchen und die Ortsteile der Gemeinde Hardheim ausgedehnt. Dies beschloss der Kreistag in seiner Sitzung am Mittwoch in Hardheim einstimmig. Statt bisher fünf Prozent der Bevölkerung nahmen dann 24 Prozent der Einwohner des Landkreises an dem innovativen System der Mülltrennung teil. Ein Jahr später sollen Mosbach und Seckach folgen, ehe für 2020 die kreisweite Einführung geplant ist.
"Das Thema begleitet uns seit fast zehn Jahren", erläuterte Landrat Dr. Achim Brötel. Die Aufgabe, die neuen gesetzlichen Vorgaben in Sachen Abfallverwertung mit Ökologie und Ökonomie in Einklang zu bringen, habe zunächst wie die berühmte Quadratur des Kreises geklungen. "Es ist aber wohl doch nicht so kompliziert, denn unsere ersten Erfahrungen zeigen, dass es geht, auch wenn es für die Bürger eine Umstellung bedeutet."
AWN-Geschäftsführer Dr. Mathias Ginter zeichnete die Geschichte des Pilotprojekts nach (siehe Hintergrund-Kasten). Die erreichte Verwertungsquote von 95 Prozent der Haushaltsabfälle sei bundesweit einzigartig. Die derzeit nicht verwertbare Abfallmenge bezifferte Ginter auf lediglich rund 20 Kilogramm pro Einwohner und Jahr. Die Akzeptanz bei der Bevölkerung sei hoch, da die wichtigsten Trennkritierien "trocken" und "nass" leicht umzusetzen seien.
Hintergrund
Hintergrund Pilotprojekt "Restmüllarme Abfallwirtschaft"
> 2010: Beschluss des Kreistags zur Umsetzung des Pilotprojekts in der Gemeinde Rosenberg, damals noch als "Restmüllfreie Abfallwirtschaft".
> 2013:
Hintergrund Pilotprojekt "Restmüllarme Abfallwirtschaft"
> 2010: Beschluss des Kreistags zur Umsetzung des Pilotprojekts in der Gemeinde Rosenberg, damals noch als "Restmüllfreie Abfallwirtschaft".
> 2013: Erweiterung des Pilotgebiets um die Kerngemeinde Hardheim. Damit sind rund 7000 Einwohner oder fünf Prozent der Kreisbevölkerung beteiligt.
> 2016: Einführung des roten Störstoffsacks bzw. der roten Störstofftonne für Abfälle, die nicht kompostiert werden können. Aus der "Restmüllfreien" wird die "Restmüllarme Abfallwirtschaft". Der neue Sammlungsrhythmus sorgt jedoch für Unmut, so dass die AWN die Abfuhr der Trockenen Wertstofftonne und der Störstoffe im Januar 2017 von vier- auf zweiwöchentlich umstellt.
> 2017: Umweltminister Franz Untersteller bestätigt dem Landkreis, dass auf die vom Land zunächst geforderte Einführung der Biotonne verzichtet werden kann. Dafür soll das innovative Konzept bis 2020 flächendeckend im Kreis umgesetzt werden.
> 2018: Im Juni wird das Projektgebiet um die Gesamtstadt Buchen und um die Ortsteile von Hardheim erweitert.
> 2019: Bis Mai soll die Ausweitung auf Mosbach und Stadtteile sowie auf Seckach und Ortsteile erfolgen. Dann sind 43 Prozent der Kreisbevölkerung beteiligt.
> 2020: Bis April soll der Landkreis flächendeckend angeschlossen sein.
Was gehört in welche Tonne? > Die grüne Bioenergietonne (BET) ist für nasse und kompostierbare Abfälle. In einer Vergärungsanlage wird daraus zunächst Strom und Wärme erzeugt. Danach wird das Material als Dünger, z. B. in der Landwirtschaft, eingesetzt. Alternativ kann der Inhalt auch vollständig kompostiert werden. Deshalb ist es wichtig, dass keine Störstoffe wie Glas, Metall, Verpackungen, Medikamente und Windeln enthalten sind.
> In die gelbe Trockene Wertstofftonne (TWT) kommen trockene Wertstoffe wie Verpackungen, Folien, Konservendosen aber auch Kleineisenteile und Haushaltsgegenstände und Spielzeuge aus Kunststoff. Dieser Inhalt wird in Wertstoffsortieranlagen in einzelne Wertstofffraktionen getrennt und anschließend der Wiederverwertung zugeführt.
> Störstoffe wie Kehricht, Medikamente, Staubsaugerbeutel, Scherben und Porzellan, Hygieneartikel, Windeln, Kleintierstreu, Einwegspritzen und Zigarettenkippen werden in einer separaten Störstoffsammlung erfasst.
> Keine Änderungen gibt es bei den anderen bewährten Sammelsystemen wie Altpapier, Glas oder Grüngut. rüb
Doch nicht nur die ökologische Bilanz falle sehr gut aus, auch ökonomisch weise das Modellprojekt deutliche Vorteile auf. Die Kostenentwicklung hänge jedoch in besonderem Maße von der Mitwirkung der Bevölkerung ab: Die Sammlungsqualität sei nämlich hierbei mitentscheidend. Da bislang die Restmülltonne der Maßstab für die Abfallgebühren ist, werde die AWN im kommenden Jahr Vorschläge für ein modernes, individuelles Gebührensystem erarbeiten.
Angesichts der vorgelegten Erfolgsbilanz überraschte es nicht, dass sich anschließend auch die vier Kreistagsfraktionen einmütig für die Ausweitung des Pilotprojekts aussprachen. Kreisrat Roland Burger (CDU) bezeichnet die "Restmüllarme Abfallwirtschaft" als Chance, möglichst viele Wertstoffe aus dem Abfall zurückzugewinnen. Während die ökologischen Vorteile wissenschaftlich belegt seien, bringe das Konzept auch finanzielle Vorteile für die Bürger mit sich, denn eine zusätzliche Biotonne wäre deutlich teurer. Die AWN habe das System in der Pilotphase optimiert, lobte Burger, der sich optimistisch zeigte, dass die Einführung auch in Buchen und in den Hardheimer Ortsteilen auf die nötige Akzeptanz stoßen werde.
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Für die SPD-Fraktion verlas Heide Lochmann eine von Dr. Dorothee Schlegel verfasste Stellungnahme, in der diese die hochwertige Verwertung der Abfälle herausstellte. Das System sei leistungsfähig und umweltschonend: "Ich bin sicher, dass wir den gesamten Landkreis dafür gewinnen und das ehrgeizige Zile ,restmüllfrei’ erreichen." Darüber hinaus schlug die SPD vor, mehr Sammelanreize vor Ort zu schaffen (z. B. für Althandys, Elektrogeräte oder Batterien) und Tauschbörsen einzurichten.
"Es ist wichtig, die in den letzten Jahren gewonnenen Erkenntnisse weiterzuentwickeln und die Bevölkerung bei diesem Prozess mitzunehmen", unterstrich Eric Bachmann für die Freien Wähler. Neben einer praktikablen Handhabung sei es für die Zukunft von großer Bedeutung, gerechte Gebühren für die anfallenden Abfälle zu erreichen. Denn das Müllaufkommen unterscheide sich deutlich - je nachdem, ob es sich um eher ländliche oder eher städtisch geprägte Kommunen handelt.
Amelie Pfeiffer (Bündnis 90/Die Grünen) stellte heraus, dass in der Trockenen Wertstofftonne deutlich mehr Plastikmüll wiederverwertet werden könne als mit dem Gelben Sack, da dort bekanntlich nur Verpackungen gesammelt werden dürfen. Noch wichtiger sei allerdings die Müllvermeidung, denn tatsächlich würde gerade mal ein Drittel der Kunststoffabfälle tatsächlich recycelt, der Rest werde verbrannt. "Wir brauchen dringend eine Vermeidung von Plastik und Plastikmüll, eine funktionierende Kreislaufwirtschaft und Produkte, die so entwickelt werden, dass sie unproblematisch wiederverwertet werden können", forderte Pfeiffer und nahm dabei den Gesetzgeber in die Pflicht. Der Landkreis sei jedenfalls mit seinem Konzept auf einem guten Weg.