Windpark bei Hardheim: "Wir freuen uns über jede geschützte Art"

Das Büro Beck führt derzeit die artenschutzrechtlichen Untersuchungen für den geplanten Windpark durch

19.06.2015 UPDATE: 20.06.2015 06:00 Uhr 4 Minuten, 17 Sekunden

Hier soll die geschützte Haselmaus ihr Nest bauen: Peter C. Beck zeigt auf eine künstliche Höhle, die im Unterholz befestigt wurde und den Nachweis das Vorkommen der Art liefern soll.

Von Rüdiger Busch

Bretzingen/Höpfingen. "Wer zahlt, schafft an!" Geht es nach dieser alten Redensart, dann liegt der von vielen Bürgern geäußerte Verdacht nahe, dass die spezielle artenschutzrechtliche Prüfung für den geplanten Bau des aus sechs Anlagen bestehenden Windparks "Kornberg"/"Dreimärker" in ein Gefälligkeitsgutachten mündet. Schließlich bezahlt der Projektier, die ZEAG Erneuerbare Energien GmbH (Heilbronn), einen sechsstelligen Betrag an das Büro Beck Ökologie und Stadtentwicklung (Darmstadt). Doch ist das wirklich so? Bei einem zweistündigen Rundgang mit dem Geschäftsführer des Büros, Geograph Peter C. Beck, und seinem Mitarbeiter, dem Diplom-Biologen Christian von Mach, hat sich der Verdacht nicht bestätigt. Im Gegenteil: Hier sind integre Fachleute unterwegs, denen die Natur am Herzen liegt, und die im Spannungsfeld zwischen Artenschutz und der Erzeugung erneuerbarer Energien nach praxistauglichen Lösungen suchen.

Dass sie vor Ort wirklich Feldforschung betreiben, wird gleich beim ersten Zusammentreffen deutlich: Vom Outfit her, wären Beck und von mach auch für eine Expedition in den afrikanischen Regenwald gerüstet. Dabei wandeln sie heute "nur" auf den Spuren der Haselmaus, des Hirschkäfers und des Grünen Gabelzahnmooses. Doch was heißt "nur": Das sind alles geschützte Arten.

"Wir kartieren den Lebensraum einzelner Tier- und Pflanzenarten und haben bei der Planung das Ziel, diese Lebensräume zu erhalten", betont Peter C. Beck. Teile des für den Windpark vorgesehenen Fläche liegen im FFH-Gebiet (Fauna-Flora-Habitat) - dem höchsten europäischen Schutzgut. Dies ist aber per se kein Ausschlussgrund: "Es kommt immer auf den genauen Schutzgrund an", verdeutlicht Beck, der das Gutachten bis zm kommenden Frühjahr fertiggestellt haben will.

Und hier beginnt die Detailarbeit für ihn und seine zehn festen und weitere freie Mitarbeiter. Im ersten Schritt führen die Experten eine qualitative und quantitative Bestandsaufnahme durch. Im FFH-Gebiet gilt grundsätzlich ein Verschlechterungsverbot, so dass eingeschätzt werden ob, ob der Bau eines Windrades eine Verschlechterung für das jeweilige Lebewesen bedeuten würde.

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Untersucht werden dabei nicht nur die angenommenen Rodungsflächen für die Windräder und die Zufahrten, sondern auch ein großzügiger Puffer rund um diese Flächen, um einschätzen zu können, welchen Einfluss die geplanten Maßnahmen auf die Lebensräume von Tieren und Pflanzen besitzen. Dafür werden Nester und Horste von Vögeln gesucht.

Die Gutachter können dabei nicht willkürlich vorgehen, sondern müssen vorgegebene Erfassungsstandards berücksichtigen, die vor der Untersuchung mit der Naturschutzbehörde des Landratsamtes abgestimmt werden müssen. "Das Landratsamt ist dabei quasi der TÜV unserer Arbeit", erklärt Peter C: Beck. Würden die Standards nicht eingehalten, dann würde das Amt die Arbeit nicht akzeptieren.

Beim Thema Vögel heißt das zum Beispiel, dass an 18 Tagen zwischen März und August für jeweils drei Stunden die Flugrouten bestimmter Arten kartiert werden - und dies von zwölf (!) Beobachtungsposten rund um das Areal aus. Die Beobachtungen, die von geschulten Biologen vorgenommen werden, und die daraus resultierenden Flugkartierungen dienen dazu, festzustellen, ob ein Windrad innerhalb der Flugrouten einer geschützten Art steht.

Der Rotmilan ist im Bereich "Kornberg" häufig zu sehen. Bisher haben die Biologen aber noch keinen Horst innerhalb der Abstands von 1000 Meter zu einem Windrad entdeckt. Der naheste Horst liegt 1200 Meter von einem geplanten Standort entfernt, so dass eigentlich keine Flugkartierung erforderlich wäre. Nichtsdestotrotz wird sie erstellt, um zu erkennen, ob ein Windrad zwischen einem Horst und einer beliebten Nahrungsquelle liegt - ob also im Bereich einer Anlage mit regelmäßigen Flugbewegungen zu rechnen ist. Ist dies der Fall, kann die Lösung im Verschieben eines Standorts liegen - oder im kompletten Wegfall des betreffenden Windrads.

Ebenfalls im Visier der Gutachter: die Fledermaus. Sobald in einem Gebiet Fledermäuse nachgewiesen sind, müssen die Windräder zu bestimmten Zeiten angehalten werden. "In Baden-Württemberg gibt es überall Fledermäuse - höchstens im Inneren von Atomkraftwerken nicht", sagt Peter C. Beck lächelnd. Dennoch sind entsprechende Untersuchungen vorgeschrieben- Im Bereich "Kornberg" hat Dipl.-Biologe Dr. Rainer Scherer ein erweitertes Artenspektrum festgestellt - insgesamt 14 Arten, darunter die gefährdete Mopsfledermaus, den kleinen Abendsegler oder die Breitflügelfledermaus wurden von seinen Messgeräten aufgezeichnet.

Doch auch hier gilt: Der Nachweis gefährdeter Arten ist für sich noch kein Ausschlussgrund, sondern wird für die Standortoptimierung genutzt, um zu verhindern, dass der Einflussbereich eines Windrads z. B. die Jagdgebiete einer Fledermaus tangiert. Außerdem lassen sich auf Grund der gewonnenen Erkenntnisse Maßnahmen einleiten, um die Eingriffe abzumildern. Möglich ist hier etwa der Bau von Ersatzquartieren oder das Anbringen von Rindenstücken an Bäumen als Unterschlupf.

Apropos Baum: Begeistert zeigt von mach auf einen "blutende Baum". Der dabei auftretende Pflanzensaft dient dem Hirschkäfer als Nahrung. Um den Käfer zu schützen, sollte dieser Baum auf keinen Fall gerodet werden. Auch dies wird bei der endgültigen Standortsuche berücksichtigt werden. "Viele Kleinigkeiten machen die Besonderheit des Lebensraums Wald aus, und es gibt dabei nicht nur Schwarz oder Weiß, sondern auch viele Grautöne", weiß der Biologe. Ein morscher Wurzelstock, den ein Spaziergänger einfach übersehen würde, könnte zum Beispiel eine große ökologische Bedeutung besitzen. Oder die eine Fledermausart könnte von der Rodung einer Waldfläche profitieren, da sie dort neue Nahrungsquellen findet, während eine andere sich dadurch weiter in den tiefen Wald zurückziehen muss.

Bei der Haselmaus erfolgt die Suche nach dem Nachweis durch das Aufstellen so genannter "Tubes", kleiner, künstlicher Höhlen, in denen sie ihre Nester bauen kann. "Bislang habe ich noch kein Nest gefunden", sagt von Mach. Die insgesamt 60 Haselmaus-Tubes stehen aber erst auch einige Tage. Es besteht also durchaus noch Hoffnung, dass der seltene Nager "anbeißt".

Könnte eine solche Maus oder ein Hirschkäfer das ganze Projekt gefährden? Dies sei eher nicht zu erwarten. Beck verweist auf ein von seinem Büro erstelltes Gutachten für den Windpark Harthäuser Wald. Dort konnten dann von ursprünglich 25 geplanten Anlagen 14 gebaut wurden. "Wir verstehen uns als Naturschützer: Wir suchen Lösungen, mit denen natur- und artenschutzrechtliche Vorgaben eingehalten werden - von der Standortoptimierung bis hin zum Versetzen eines alten Baumstumpfes, der als Lebensraum für seltene Arten dient", sagt Peter C. Beck.

Der Geograph bedauert, dass er gleich zu Beginn der Untersuchungen ein Informationsverbot für seine Mitarbeiter aussprechen musste. Infos aus Gesprächen mit Spaziergängern seien bewusst oder unbewusst fehlinterpretiert worden. Um das Projekt zu schützen, habe er sich zu diesem Schritt entschlossen.

Auch wenn Kritiker es anders sehen mögen: "Wir schauen garantiert nicht weg, um die Pläne unseres Auftraggebers nicht zu gefährden", unterstreicht Biologe von Mach. Wie die beiden über den Fund eines Gelben Fraunschuhs im Landkreis Tauberbischofsheim oder des Grünen Gabelzahnmooses bei Höpfingen sprechen, zeigt, dass sie ihrer Arbeit mit Begeisterung nachgehen. Und so überrascht es nicht, wenn Beck am Ende der zweistündigen Führung sagt: "Wir ärgern uns nicht, sondern wir freuen uns, wenn wir eine geschützte Art finden!"

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