"Kornberg-Dreimärker": Artenschutzgutachten stützt Pläne für den Windpark

Die Prüfung hat keinen Ausschlussgrund für den geplaten Windpark bei Hardheim ergeben

16.03.2016 UPDATE: 17.03.2016 06:00 Uhr 4 Minuten, 3 Sekunden

Die RNZ konnte in den Entwurf des Gutachtens Einblick nehmen. Fotos: R. Busch

Von Rüdiger Busch

Bretzingen/Höpfingen. Mit Spannung warten die Vertreter der Kommunen, der Auftraggeber, die ZEAG Erneuerbare Energien GmbH (Heilbronn), und die Gegner des geplanten Windparks "Kornberg-Dreimärker" seit Wochen auf die Fertigstellung der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung durch das Büro Beck Ökologie und Stadtentwicklung (Darmstadt). Am gestrigen Mittwoch hat Geschäftsführer Peter C. Beck die ersten Ergebnisse den Bürgermeistern Adalbert Hauk und Volker Rohm, Vertretern des Gemeindeverwaltungsverbandes und des Landratsamtes vorgestellt. Außerdem standen er und sein Mitarbeiter, der Diplom-Biologe Christian von Mach, der RNZ für ein Gespräch zur Verfügung.

Hintergrund

Sobald der Genehmigungsantrag für den Windpark mit sämtlichen hierfür erforderlichen Gutachten - wozu auch die Umweltverträglichkeitsvorprüfung gehört - beim Landratsamt als der zuständigen Genehmigungsbehörde eingeht, legt dieses zunächst die für das Vorhaben erforderliche

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Sobald der Genehmigungsantrag für den Windpark mit sämtlichen hierfür erforderlichen Gutachten - wozu auch die Umweltverträglichkeitsvorprüfung gehört - beim Landratsamt als der zuständigen Genehmigungsbehörde eingeht, legt dieses zunächst die für das Vorhaben erforderliche Verfahrensart fest. Dies kann entweder das sogenannte vereinfachte Verfahren oder aber das sogenannte förmliche Verfahren sein.

Im förmlichen Verfahren werden die kompletten Antragsunterlagen für insgesamt einen Monat öffentlich ausgelegt, und die Bürger haben die Möglichkeit, schriftlich Einwendungen zu erheben. Diese werden dann in einem öffentlichen Erörterungstermin behandelt, und die Behörde trifft unter Berücksichtigung der Ergebnisse dieses Erörterungstermins danach eine Entscheidung über den Antrag.

Im sogenannten vereinfachten Verfahren, das beim Großteil der in der Region verwirklichten Windkraftprojekte angewandt worden ist, können die Bürger ebenfalls Einwendungen erheben, die von der Behörde geprüft und somit auch gewertet werden. Es findet aber keine Offenlage und kein Erörterungstermin statt. Für die Bürger besteht aber auf Antrag die Möglichkeit, Einblick in die Gutachten zu nehmen.

Sowohl im vereinfachten als auch im förmlichen Verfahren trifft die Behörde auf der Grundlage der Bewertung der Einwendungen sowie nach Prüfung aller erforderlichen technischen und artenschutzrechtlichen Gutachten die abschließende Entscheidung über den Antrag. Nach jetzigem Stand ist wohl bis Jahresende mit einer Entscheidung zu rechnen. rüb

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Die spezielle artenschutzrechtliche Prüfung für den geplanten Windpark "Kornberg-Dreimärker" ist abgeschlossen. Können die sechs Anlagen wie geplant errichtet werden?

Beck: Wir haben keinen Ausschlussgrund gefunden, der das komplette Projekt gefährden würde. Unsere Schlussinterpretation ist zwar noch nicht erfolgt, aber - so viel lässt sich jetzt schon sagen - die Planung wird sich unseren Untersuchungsergebnissen anpassen, so dass es wohl Änderungen geben wird. Diese können vom Verschieben bis zum Wegfall eines Windrads reichen.

Was haben die Untersuchungen im Detail ergeben?

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Beck: Es hat sich bestätigt, was wir von Anfang an vermutet haben: Der Wald im Bereich Kornberg besitzt eine hohe Vielfalt. Es gibt einen umfassenden Bestand an Tieren und Pflanzen, schließlich handelt es sich um ein FFH-Schutzgebiet.

von Mach: Die erwarteten Arten sind alle da: die Haselmaus, seltene Moose, Fledermäuse sowie Feld-, Wiesen- und Greifvögel. Bei den Schmetterlingen haben wir auch den geschützten Kaisermantel entdeckt.

Ausschlusskriterien für den Bau des Windparks sind dies aber nicht?

Beck: Nein. Zunächst führen wir bei solchen Untersuchungen eine qualitative und quantitative Bestandsaufnahme durch und schauen dabei in erster Linie nach den seltenen Arten, die besondere Lebensräume brauchen. Untersucht werden nicht nur die angenommenen Rodungsflächen für die Windräder und die Zufahrten, sondern auch ein großzügiger Puffer rund um diese Flächen, um einschätzen zu können, welchen Einfluss die geplanten Maßnahmen auf die Lebensräume von Tieren und Pflanzen besitzen.

von Mach: Teile des geplanten Windparks liegen im FFH-Gebiet (Fauna-Flora-Habitat, höchstes europäisches Schutzgut, die Red.). Dort gilt ein Verschlechterungsverbot. Deshalb müssen wir hier ganz genau untersuchen, um selbst minimale Beeinträchtigungen für die Tier- und Pflanzenwelt durch den Bau der Anlagen abschätzen zu können. Ist eine Verschlechterung für eine Art zu erwarten, heißt das aber nicht automatisch, dass eine Anlage nicht gebaut werden darf. Manche Arten lassen sich umsetzen wie etwa das Grünen Gabelzahnmoos, oder es sind Ausgleichsmaßnahmen denkbar.

Beck: Es gibt aber Arten, deren Vorkommen ein K.o.-Kriterium für eine Anlage darstellen kann. So hat unser Fachornithologe im Sommer einen Wespenbussard gesichtet. Würde er in einem Radius von 1000 Metern um eine Anlage brüten, wäre es schwierig, diese genehmigt zu bekommen. Deshalb haben wir sofort zusätzliche Beobachtungsstunden angeordnet, um zu klären, ob er dauerhaft hier ist, oder ob es nur um einen Durchzügler handelt. Dafür haben wir auch einen Vertreter der Naturschutzbehörde dazugeholt. Das Ergebnis: Er brütet nicht in dem Gebiet.

Und wie sieht es mit dem Rotmilan aus?

Beck: Der Rotmilan gehört zu diesem Lebensraum. Wenn wir ihn nicht gesehen hätten, wäre es verdächtig. Aber: Wir haben keinen Horst innerhalb der Abstands von 1000 Meter zu einer Anlage entdeckt. Wir haben eine Flugkartierung durchgeführt, um zu sehen, ob seiner bevorzugten Flugrouten im Einzugsbereich eines Windrades liegen. Damit lässt sich erkennen, ob eine geplante Anlage zwischen einem Horst und einer beliebten Nahrungsquelle liegt.

von Mach: Aus diesen Flugbewegungen haben wir eine Karte mit Konzentrationsbereichen erstellt. Dabei wurde deutlich, dass an fünf der sechs Anlagen keine Beeinträchtigungen für den Rotmilan zu erwarten sind.

Und bei der sechsten?

von Mach: Da ist eine leichte Häufung festzustellen. Das bedeutet aber nicht das Aus für diese Anlage: Sie könnte leicht versetzt werden, oder man könnte in Zusammenarbeit mit der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz eine Ablenkungsfläche schaffen, z. B. ein Wiesenstück, das nicht mehr landwirtschaftlich genutzt, sondern in eine Nahrungsquelle für den Rotmilan umgewandelt werden könnte.

Wie geht es jetzt weiter?

Beck: Wir interpretieren die Ergebnisse und besprechen sie mit den Behörden, den Kommunen und unserem Auftraggeber. Wir selbst verschieben keine Standorte, wir untersuchen nur die vorgeschlagenen, und zeigen auf, welche kritisch sind. Dies kann zum Aus für ein Windrad oder zu einer Verschiebung führen. Bis Sommer werden die endgültigen Ergebnisse unserer Arbeit vorliegen, anschließend entscheidet das Landratsamt über die Genehmigung.

Kritiker werfen Ihnen immer wieder vor, Ihre Arbeit stelle eine Art Gefälligkeitsgutachten dar, schließlich werden Sie ja vom Investor bezahlt...

Beck: Das könnten wir uns gar nicht erlauben, schließlich geht es nicht nur um unseren Ruf, sondern auch um viel Geld. Das Schlimmste, was uns passieren könnte, wäre, dass die Genehmigungsbehörde unser Gutachten nicht akzeptieren würde, weil wir die vorgegebenen Erfassungsstandards nicht berücksichtigt hätten. Dann wäre das Projekt im schlimmsten Fall gekippt, und der Investor könnte Schadensersatz von uns fordern. Die Ergebnisse ließen sich - selbst wenn wir es wollten - nicht einfach unter den Teppich kehren. Und zudem: Wir werden für unsere Arbeit bezahlt, und nicht für die Windräder, die am Ende tatsächlich gebaut werden.

Wie viele Stunden haben Ihre Mitarbeiter und Sie eigentlich für das Gutachten aufgewendet?

Beck: In Stunden kann ich das nicht aufschlüsseln, aber grob lässt sich sagen, dass zwei Mitarbeiter ein ganzes Jahr lang damit beschäftigt waren. An 20 Tagen waren ferner fünf Flugroutenbeobachter für jeweils fünf Stunden vor Ort, hinzu kommen der Fach-Ornithologe, der Fledermausexperte und eine Biologin.

Mit Ihrer Arbeit ermöglichen Sie den Bau von Windrädern im Wald. Sehen Sie sich eigentlich eher als Umweltfrevler oder als Umweltschützer?

von Mach: Ich sehe mich als Naturschützer, bin aber Realist genug und erkenne die Notwendigkeit der Energiewende an. Ich empfinde es als reizvolle Aufgabe, im Spannungsfeld zwischen Artenschutz und der Erzeugung erneuerbarer Energien nach den bestmöglichen Lösungen suchen.

Beck: Am liebsten wäre es mir, wir bräuchten überhaupt keine Windräder im Wald. Unsere Aufgabe ist es, die Veränderungen, die mit diesen Eingriffen in die Natur verbunden sind, zu überwachen und zu schauen, dass alle gesetzlichen Vorgaben insbesondere der Naturschutzgesetzgebung eingehalten werden. Ich selbst und meine Mitarbeiter wissen um die Verantwortung, wir haben fast alle Kinder und wir müssen unser Handeln vor den kommenden Generationen rechtfertigen können.

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