Hardheimer Reaktionen auf die Flüchtlingsunterbringung in der Kaserne

11.09.2015 UPDATE: 12.09.2015 06:00 Uhr 4 Minuten, 35 Sekunden

Den ganzen Tag über wurden gestern die beiden Unterkunftsgebäude in der Carl-Schurz-Kaserne für die Ankunft der Flüchtlinge vorbereitet.

Hardheimer Bürgermeister Volker Rohm: "Ich wurde von den Ereignissen und Entscheidungen seitens des Landes am Donnerstag im Urlaub überrascht. Die bisherige Informationspolitik des Landes ist sehr negativ zu werten. Deshalb habe ich eine Bürgerveranstaltung eingefordert, um hier Ängste zu nehmen und das Vorgehen zu vermitteln - auch gegenüber dem Gemeinderat als Vertretung der Bürger."

Landrat Dr. Achim Brötel: "Wir bekennen uns ausdrücklich zu unserer gesellschaftlichen, politischen, nicht zuletzt aber auch christlichen Verpflichtung, den Betroffenen in ihrer Not beizustehen und zu helfen. Speziell für die Gemeinde Hardheim, in der schon jetzt über 300 Flüchtlinge leben, bedeutet dies allerdings zweifelsohne eine weitere erhebliche Belastung. Ich hätte mir deshalb sehr gewünscht, dass man eine andere Lösung gefunden hätte. Der Kreis wird jedoch alles dafür tun, um die Folgen soweit es irgend geht abzufedern. Das erwarten wir allerdings auch vom Land, das die Einrichtung in Hardheim in eigener Regie betreiben wird. Gerade in dieser schwierigen Zeit gilt für mich als Prämisse: Der Neckar-Odenwald-Kreis zeigt Herz. Jetzt sogar erst recht. Und: Ich habe die Bitte an alle Menschen, dass sie das ganz genauso tun."

Bürgermeister-Stellvertreterin Simone Richter: "Grundsätzlich erkenne ich die Problematik an, und Menschen, die aus Bürgerkriegsregionen fliehen, muss auch geholfen werden. Ich akzeptiere aber nicht, dass der Gemeinderat und die gesamte Bevölkerung vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Hardheim leistet seit vielen Jahren einen großen Beitrag zur Asylpolitik mit der Unterbringung von rund 350 Flüchtlingen in der ehemaligen US-Kaserne. Bei 4500 Einwohnern in der Kerngemeinde ist das, wie ich finde, eine mehr als ausreichende Leistung."

Bürgermeister-Stellvertreter Lars Ederer: "Ich bin vor allem von der Art und Weise enttäuscht: Man spricht nicht mit uns, aber entscheidet über unsere Köpfe hinweg. Im Zuge der Konversion haben uns Politiker verschiedener Partien versprochen, dass sie uns nicht im Regen stehen lassen. An diese Worte möchte ich sie nun erinnern. Eine solche Einrichtung passt nicht zur Größe unserer Gemeinde, und die Verteilung der Flüchtlinge im Kreis ist nicht gerecht. Hier trägt Hardheim schon jetzt die Hauptlast."

Bürgermeister-Stellvertreter Eric Bachmann: "Nachdem die Bundesregierung regelrecht die Grenzen für Asylanten geöffnet hat, ist es nachvollziehbar, das voll ausgestattete Leerstände des Bundes für deren Unterbringung genutzt werden. Verwunderlich ist nur, wie schnell dies plötzlich umgesetzt werden kann. Bei einer zivilen Nutzung durch örtliche Betriebe oder Vereine hätte man sich ähnliche Flexibilität gewünscht. Was dies für Hardheim bedeutet, kann man im Moment schlecht einschätzen. Das Land muss schnellstmöglich die vielen offenen Fragen beantworten: Ist die Maßnahme lediglich temporär gedacht, oder wird die Kaserne in Zukunft als Erstaufnahmeeinrichtung genutzt, und was bedeutet dies für Schule, Krankenhaus, Asylantenheim, Busverbindungen? Die Unterbringung Asylsuchender sollte selbstverständlich sein, jedoch würde ich mir wünschen dies auf eine breite Basis zu verteilen und nicht einige wenige mit den Problemen alleine zu lassen. Dies gilt insbesondere für die gleichmäßige Verteilung der Asylanten im gesamten Kreis."

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Ingo Großkinsky (Vorsitzender der CDU-Fraktion): "Ich bin - bei allem Verständnis für die Flüchtlinge und die Nöte von Land und Bund, diese unterzubringen - völlig befremdet und entsetzt. Es gab im Vorfeld der Entscheidung keinerlei Information an den Gemeinderat und an die Bevölkerung. Jetzt wurden und werden einfach über die Köpfe hinweg Fakten geschaffen. Dies ist aus meiner Sicht völlig unerträglich. Unangemessen und ungerecht ist zudem, dass man nicht gesehen hat - oder nicht sehen wollte-, dass Hardheim bereits vor der jetzt getroffenen Entscheidung über Gebühr mit Flüchtlingen belastet war. Von den zirka 1000 Flüchtlingen und Asylbewerbern, die im ganzen Kreis untergebracht waren, sind bereits jetzt mehr als 300 in Hardheim und zudem mehr als 80 Prozent im Altkreis Buchen. Wenn jetzt kurzfristig weitere 1000 und vielleicht noch viel mehr nach Hardheim kommen sollen, bedeutet dies, dass nahezu jeder vierte Einwohner der Kerngemeinde ein Flüchtling ist. Dies überspannt den Bogen völlig und dürfte zudem einmalig in ganz Deutschland sein. Ich bin der Meinung, dass unsere Gemeinde dies nicht stemmen kann und habe die Befürchtung, dass die bis dato positive Stimmung kippen könnte. Natürlich ist die Entscheidung auch für die Gesamtentwicklung unserer Gemeinde und den hiesigen Raum negativ. Wer wird sich hier künftig -privat oder geschäftlich - ansiedeln wollen? Ich appelliere an alle Entscheidungsträger, die Verfügungen nochmals kritisch zu überprüfen und zu revidieren, jedenfalls aber mit dem notwendigen Augenmaß zu handeln."

Klaus Schneider (Fraktionsvorsitzender FWU): "Ich habe die Neuigkeit aus der RNZ erfahren. Trotz aller anders lautenden Informationen der maßgeblichen Stellen über eine eventuell geplante Nutzung nach Beendigung der militärischen Nutzung im Jahr 2016 werden hier kurzfristig Fakten geschaffen, ohne vorher die Gemeinde und deren Vertreter oder die Bevölkerung zu informieren. Diese Vorgehensweise ist in meinen Augen eine Frechheit. Ich werde das Gefühl nicht los, als ob man hier im Vorfeld schon bewusst die Unwahrheit gesagt hat, um die Gemeinde und ihre Bewohner ruhig zu halten. Mit dieser Vorgehensweise wird uns jede Möglichkeit genommen, mit guten Argumenten darauf hinzuwirken, dass die Flüchtlingslast gleichmäßig auf die Gemeinden verteilt werden kann. Durch die Schaffung dieser Fakten ist es letztendlich ja so, dass alle anderen Städte und Gemeinden im Kreis in Zukunft keine Flüchtlinge mehr zugeteilt bekommen und die ganze Last der Gemeinde aufgebürdet wird. Die Kaserne beheimatete ehemals über 1000 Soldaten. Jeder kann sich an seinen fünf Fingern abzählen, wie viel Flüchtlinge dann mal dort untergebracht werden können. Überall liest man, dass die Aufnahmestellen zum Teil mit der doppelten Zahl belegt sind, wie Plätze vorgesehen waren. Das kann bedeuten, dass wir in naher Zukunft vielleicht 2000 Flüchtlinge beherbergen werden, bei einer Einwohnerzahl von rund 4500! Das nenne ich unverantwortlich gegenüber der Hardheimer Bevölkerung. Ich weiß, dass den Flüchtlingen geholfen werden muss, damit sie kurzfristig ein Dach über den Kopf bekommen. Dennoch erwarte ich von unseren gewählten Volksvertretern, dass sie hier nicht nur das Wohl der Flüchtlinge im Blick haben, sondern auch das Wohl der eigenen Bürger."

Manfred Böhrer (Fraktionsvorsitzender der SPD-Bürgerliste): "Während viele Kommunen bislang außen vor blieben, sind in Hardheim seit Jahren viele Flüchtlinge untergebracht, derzeit ca. ein Drittel der im gesamten Kreis untergebrachten. Wo bleibt da die Solidarität der anderen Kommunen? Bei der neuerlichen Entscheidung, wurde vieles nicht berücksichtigt. Größere Städte können die Flüchtlingsaufnahme wesentlich leichter kompensieren. Kindergärten und Schulen sind für diese Anzahl von Flüchtlingen nicht gerüstet. Die polizeilichen Aufgaben nehmen enorm zu. Die Entscheidung wurde leider über die Köpfe des Gemeinderates hinweg getroffen. Mein Appell ist, dass wir keinesfalls von der bedarfsorientierten Aufnahmeeinrichtungen zur Landeserstaufnahmeeinrichtung umgewandelt werden dürfen. Weiterhin soll die bedarfsorientierte Aufnahmeeinrichtung beim Rückgang der Flüchtlingsströme, der nach der bevorstehenden Änderung im Asylrecht zu erwarten ist, wieder aufgelöst werden, damit die Kaserne anderweitig genutzt werden kann."

Yvonne Schmierer (Pressestelle des Polizeipräsidiums Heilbronn): "Die Polizei hat erst gestern davon erfahren, weshalb wir jetzt kurzfristig versuchen, ein Sicherheitskonzept zu erstellen. Die Kaserne wird zunächst in die Streifentätigkeit mit aufgenommen. Mehr Personal ist zunächst nicht angedacht."

Feuerwehrkommandant Martin Kaiser: "Eine ähnliche Belastung für die Feuerwehr wie durch die Gemeinschaftsunterkunft ist nicht zu erwarten. In der neuen Unterkunft gibt es keine Brandmeldeanlage, so dass das Potenzial für Fehlalarme viel geringer ist. Zudem verfügt das dortige Security-Personal über Feuerwehr-Qualifikationen."