Allfeld in Corona-Zeiten

Für den Abwassermeister der Kläranlage ist Home-Office tabu

Martin Brechter kann nicht von zu Hause aus arbeiten

15.04.2020 UPDATE: 16.04.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 37 Sekunden
Martin Brechter hält auch in der Corona-Krise die Kläranlage in Allfeld am Laufen. Die Anlage bereitet das Abwasser von rund 20 000 Einwohnern wieder auf. Foto: privat

Von Stephanie Kern

Allfeld. Systemrelevant. Das ist wahrscheinlich eines der bedeutendsten Wörter in der Coronakrise. Plötzlich geht es immer öfter darum, ob ein Beruf systemrelevant ist. Krankenschwester ist so ein Beruf. Kassiererin auch. Und Abwassermeister.

Denn es ist vielen vielleicht nicht bewusst, aber Kläranlagen sind entscheidend für das Ökosystem. Früher wurde verschmutztes Wasser einfach zurück in die Flüsse geleitet. Heute fangen Kläranlagen alles auf, was Privathaushalte und Firmen über das Abwasser entsorgen. Und Martin Brechter, der hält die Kläranlage in Allfeld am Laufen. Er arbeitet zusammen mit einem Kollegen für den Abwasserzweckverband Schefflenztal. Die Anlage in Allfeld bereitet das Abwasser von ca. 20.000 Einwohnern wieder auf. 8000 Kubikmeter Abwasser fließen hier am Tag durch, bis zu 15.000 Kubikmeter täglich dürften es sein.

Einen großen Einfluss auf seine tägliche Arbeit hat das Coronavirus nicht. "Generell steht Hygiene bei uns an erster Stelle", sagt Martin Brechter. Schutzkleidung und Handhygiene seien in diesem Beruf immer essenziell. "Die Coronakrise geht deshalb auch ein bisschen an uns vorbei", sagt Brechter. Denn Schutzkleidung brauche man ohnehin, und sie sei sowieso vorhanden. "Ausreichend", wie Brechter erklärt. Eine kleine Änderung gibt es dann aber doch: Mit seinem Kollegen wechselt sich Brechter ab. "Damit wir nicht aufeinander sitzen." Publikumsverkehr gibt es in einer Kläranlage ohnehin nicht. "Dadurch besteht hier eigentlich kein Infektionsrisiko."

Aber, so Brechter: "Man darf nicht leichtsinnig sein." Damit meint er, dass man sich im Privatleben an die Regelungen halten, auf Abstand und Hygiene achten sollte. Einen Notfallplan für die Kläranlage gibt es nicht. Brechter geht aber auch nicht davon aus, dass er und sein Kollege zeitgleich erkranken. "Und dann gibt es da noch einen Ersatzmann, unseren Rentner. Der hat früher auf der Kläranlage gearbeitet", so Brechter. Im Falle eines Falles (eines dritten Falles) müsste man sich dann vielleicht noch mit anderen Kläranlagen in Verbindung setzen. "Aber es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass wir alle gleichzeitig krank werden."

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Messen, steuern, regeln – mit diesen drei Worten beschreibt Brechter seinen normalen Arbeitsalltag. Und diese drei Worte beschreiben seinen Alltag auch in Corona-Zeiten. "Das Ziel ist, das Abwasser so schadlos wie möglich in das nächste Gewässer einzuleiten", erläutert Martin Brechter. Die schädlichen Stoffe müssen aus dem Abwasser herausgebracht werden. Auch da gilt wieder ein Dreisatz: mechanisch, biologisch, chemisch. Zuerst werden Abwässer mechanisch mit Rechen vorgereinigt, dann geht man mit Bakterien gegen organische Abfälle vor, und zum Schluss wird chemisch gereinigt.

"Die Zusammensetzung des Abwassers ist nie gleich", sagt Martin Brechter. Homeoffice gibt es bei einer Kläranlage nicht – auch wenn vieles von Computerprogrammen gesteuert wird. "Man muss wissen, was man da anschaut und welche Stellschraube man drehen muss." Wenn es in der Kläranlage stinkt, dann laufe etwas schief.

Seit 1999 ist Martin Brechter schon Abwassermeister. Ursprünglich lernte der Neudenauer den Beruf des Werkzeugmachers. "Ich glaube, ich habe Abwasser im Blut", sagt Brechter. Denn schon sein Vater wechselte aus dem Maschinenbau in die Kläranlage – und blieb dort bis zur Rente. Zusätzlich zu den normalen Arbeitsstunden kommen auch Wochenenddienste und Bereitschaft in der Nacht. "Das muss man wissen", so Brechter. Er ist aber überzeugt: "Wenn man seine Anlage hegt und pflegt, wenn alles gut in Schuss ist, kann auch nichts Unvorhergesehenes passieren."

Eine Sache ist dem Abwassermeister aber sehr wichtig: Nicht alles, was die Menschen in die Toilette werfen, gehört dort hin. Feuchttücher, Binden und Tampons stellten etwa den größten Anteil des Materials dar, das zu Beginn des Prozesses herausgefischt werden müsse. Auch Küchenrolle oder Papiertaschentücher lösen sich nicht auf und landen dann in den Rechen der Kläranlagen. Essensreste stellen ebenfalls wieder verstärkt ein Problem dar. "Nicht so sehr für die Kläranlage, aber für die Kanalisation", sagt Brechter. Denn die Ratten wüssten genau, an welchen Stellen etwas zu holen sei – und scheuten sich auch nicht, mal durch die Rohre bis zur Toilette hinauf zu klettern.

Aber auch bei diesen Phänomenen gebe es aktuell keinen Anstieg, nichts Unvorhergesehenes. Nicht so wie etwa das Unwetter über Allfeld vor vier Jahren. "Ich weiß, was ich kann und was zu tun ist", sagt Brechter. Manchmal reicht das aber nicht, manchmal sei man der Naturgewalt einfach nur ausgesetzt. Wie auch beim Coronavirus.

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