Gestrichene Züge sorgen für viel Ärger
Auf der Frankenbahn fallen jeden Tag im Schnitt drei Züge aus.

Von Markus Wetterauer
Osterburken. "Es ist eine Katastrophe!", schimpft die Pendlerin am Bahnhof in Sennfeld. "Ein bis zwei Züge fallen jeden Tag aus." Auch an diesem Sommermorgen hat die Frau wieder einmal Pech: Ihre Regionalbahn um 7.07 Uhr nach Heilbronn fährt nicht.
Eigentlich müsste sie jetzt bis zum nächsten Zug eine Stunde lang warten. Stattdessen nimmt sie ihr Auto. Damit war sie sicherheitshalber zum Bahnhof gefahren. Denn immer wieder fallen auf der Frankenbahn Züge aus oder sind verspätet. Nachdem es im Frühjahr zeitweise besser ausgesehen hatte, hat sich die Lage in den vergangenen Wochen wieder deutlich verschlechtert.

Im Dezember haben die beiden Unternehmen Abellio und Go-Ahead den Zugverkehr auf der Frankenbahn übernommen. Nach teilweise extremen Problemen im Winter mehrten sich im Frühjahr die Lichtblicke für die Reisenden. Sowohl bei Abellio als auch bei Go-Ahead fuhren immer mehr Züge pünktlich – oder zumindest weniger als vier Minuten verspätet. Auch dann gilt ein Nahverkehrszug in Baden-Württemberg noch als pünktlich. So spricht denn auch Abellio von einem "positiven Trend" und einem "allmählichen Anstieg der Pünktlichkeitswerte".
Hintergrund
Suboptimal sind auch die neuen Fahrkarten-Automaten an den kleinen Bahnhöfen entlang der Strecke, etwa in Adelsheim, Sennfeld oder Neudenau. Fast 90 der neuen Automaten hat Abellio entlang seiner Strecken im Norden von Baden-Württemberg aufgestellt – nach genauen Vorgaben des
Suboptimal sind auch die neuen Fahrkarten-Automaten an den kleinen Bahnhöfen entlang der Strecke, etwa in Adelsheim, Sennfeld oder Neudenau. Fast 90 der neuen Automaten hat Abellio entlang seiner Strecken im Norden von Baden-Württemberg aufgestellt – nach genauen Vorgaben des Landes.
Auch hier gab es eine Verschlechterung zu den bisherigen DB-Automaten. Die Reisenden können keine Fahrplan-Auskunft einholen und sehen folglich auch nicht wie an den alten Automaten, ob sie ihre Anschlusszüge erreichen.
Außerdem verkaufen die Automaten nur Fahrkarten innerhalb von Baden-Württemberg – nicht aber für Fernzüge in ganz Deutschland oder gar ins Ausland. Diese gab es allerdings an den alten DB-Automaten.
Vom Land Baden-Württemberg gibt es dazu nur ein "Schulterzucken". Es sei rechtlich nicht möglich, Unternehmen wie Abellio oder Go-Ahead zu Verträgen mit der Deutschen Bahn zu verpflichten, um ICE-Fahrkarten an den DB-Automaten verkaufen zu können.
"Aus unserer Sicht als auch aus Sicht unserer Fahrgäste stellt dies gegenüber den DB-Automaten eine Verschlechterung dar", sagt Abellio-Sprecherin Hannelore Schuster. Deshalb werde zurzeit darüber verhandelt, damit künftig auch Fernverkehrs-Fahrkarten an den Abellio-Automaten verkauft werden können. Auch eine Fahrplan-Auskunft soll in Kürze möglich sein. Darüber tausche man sich mit dem Hersteller der Automaten aus.
Bis es so weit ist, müssen sich Fahrgäste im Internet informieren – oder unter der kostenlosen Telefon 0800/233-5546 bei Abellio. Fahrkarten für den ICE-Verkehr können telefonisch bei der DB bestellt werden, die dann per Post zugeschickt werden.
Ein Grund dafür war nach Angaben von Unternehmenssprecherin Hannelore Schuster, dass während der Corona-Pandemie weniger Züge fuhren und deshalb unter anderem die Gleise nicht so überlastet waren.
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Seit dem 14. Juni gingen die Werte wieder nach unten. An diesem Tag wurde nach den Corona-Einschnitten der Regelfahrplan wieder aufgenommen. Gleichzeitig fahren die Abellio-Züge von Osterburken nicht mehr nur bis Stuttgart, sondern weiter bis Tübingen. Das heißt: Alle Züge müssen sich seitdem durch den Engpass Stuttgarter Hauptbahnhof quälen. Außerdem besteht die Gefahr, dass sich Störungen etwa zwischen Tübingen und Stuttgart fortpflanzen und der Zug sie bis Osterburken "mitschleppt".
Die Pünktlichkeit bei Go-Ahead hat sich etwas, "bei Abellio hingegen stark verschlechtert", so ein Sprecher des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg auf Anfrage der RNZ. Den schlechtesten Wert erreichte Abellio mit knapp 70 Prozent Mitte Juli. Auch Abellio-Sprecherin Schuster stellt fest, dass die "Aufwärtskurve" in Sachen Pünktlichkeit "bedauerlicherweise etwas eingeknickt" sei.
Die Ursachen dafür sieht sie freilich keineswegs nur bei Abellio. So habe es immer wieder technische Probleme mit Signalen, Oberleitungen, in den Stellwerken und an Bahnübergängen gegeben. Für die Gleise und Stellwerke sei die Deutsche Bahn zuständig. Außerdem seien immer wieder Gegenstände auf die Schienen geworfen worden oder Menschen zwischen den Gleisen unterwegs gewesen. Schließlich "kamen in den letzten paar Wochen einige Störungen an Leihfahrzeugen" hinzu.
Hintergrund
Abellio fährt immer noch mit vielen Ersatzzügen. Das sind geliehene S-Bahnen der DB. "Nach eigenen Angaben will Bombardier die noch ausstehenden Talent-2-Fahrzeuge bis zum Jahresende vollständig ausgeliefert haben", erläutert
Abellio fährt immer noch mit vielen Ersatzzügen. Das sind geliehene S-Bahnen der DB. "Nach eigenen Angaben will Bombardier die noch ausstehenden Talent-2-Fahrzeuge bis zum Jahresende vollständig ausgeliefert haben", erläutert Abellio-Sprecherin Hannelore Schuster. Diese müssen dann erst noch zugelassen werden – auch bis zum Jahresende, wie Bombardier verspricht.
Bleibt die Hoffnung, dass dann die Quote der ausgefallenen Züge abnimmt – auch für Abellio. Denn Züge, die nicht verkehren, werden vom Land nicht bezahlt, so ein Sprecher des Verkehrsministeriums. Für jeden Kilometer, den ein Eisenbahn-Unternehmen nicht so fährt, wie im Vertrag mit dem Land festgelegt, ist "in der Regel ein niedriger zweistelliger Euro-Betrag fällig". Ist ein Zug kaputt oder mangelt es an Personal, "verdoppelt sich der Abzug".
Einen weiteren Knackpunkt sieht Schuster im Knotenbahnhof Stuttgart – und dass die Frankenbahn zwischen Züttlingen und Möckmühl nach wie vor eingleisig ist. Wenn hier ein Zug verspätet ist, muss oft der entgegenkommende Zug warten – was wiederum auch diesem Zug eine Verspätung verpasst.
Besonders ärgerlich für Fahrgäste: Züge auf der Frankenbahn sind nicht nur verspätet, sondern fallen immer wieder komplett aus. Abellio selbst beziffert die Ausfall-Quote für Juli auf 5,8 Prozent – die Hälfte dieser Züge fiel allerdings nicht komplett aus, sondern nur auf einem Teil der Strecke.
Das ist besonders häufig zwischen Möckmühl und Osterburken der Fall. Kommt ein Abellio-Zug aus Tübingen und Stuttgart schon stark verspätet in Möckmühl an, dann fährt er nicht wie geplant bis Osterburken weiter und von da wieder mit Verspätung zurück. Er wendet vielmehr schon in Möckmühl und ist dadurch auf der Rückfahrt wieder pünktlich. Das stabilisiert laut Abellio-Sprecherin Schuster den weiteren Betriebsablauf. Nachteil: Die Fahrgäste in Roigheim, Sennfeld, Adelsheim und Osterburken schauen dann in die Röhre. Abellio hält auch die Wendezeiten für die Züge für "kurz" und das An- und Abhängen von Zugteilen in Heilbronn für "recht sportlich". Dagegen bezeichnet das Verkehrsministerium, das die Fahrpläne erstellt, die Zeiten für "eigentlich ausreichend bemessen".
In vielen Fällen sei aber wie bei den Verspätungen gar nicht Abellio schuld. "Auf die mängelbehaftete Infrastruktur sowie fremdverursachte Behinderungen können wir bedauerlicherweise keinen Einfluss nehmen", wirbt Schuster um Verständnis.



